Embryo-schädigende Wirkung von Glyphosat?

Fehlbildungen an Herz und Hirn im Tierversuch
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Kaulquappen des Krallenfrosches, die mit Glyphosat behandelt wurden
Kaulquappen des Krallenfrosches, die mit Glyphosat behandelt wurden (unten), sind kleiner als die unbehandelten Tiere aus der Kontrollgruppe (oben); Abb. unten: auch die Herzen der Glyphosat-behandelten Krallenfroschembryonen sind kleiner. Aufnahmen: Hannah Flach/Uni Ulm
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Die Diskussionen über das Pflanzenschutzmittel Glyphosat reichen schon Jahre zurück. Wissenschaftler haben nun im Tierversuch sichtbare Fehlbildungen an Leib, Herz und Hirn sowie messbare Verhaltensänderungen feststellen können.

Am 2. Dezember 2022 erließ die Europäische Kommission die Durchführungsverordnung (EU) 2022/2364. Mit dieser wurde die Zulassung des Wirkstoffs Glyphosat um ein Jahr bis zum 15. Dezember 2023 verlängert. Und auch derzeit wird auf EU-Ebene wieder intensiv über eine mögliche Verlängerung der Zulassung für Glyphosat und darauf basierter Herbizide beraten. Die Ergebnisse der nun veröffentlichten Studie dürften somit Sprengstoff für die Befürworter einer Verlängerung bedeuten. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Ulm haben untersucht, wie sich Glyphosat als Reinstoff auf die Embryonalentwicklung des Krallenfrosches auswirkt. Getestet worden seien dabei Konzentrationen, wie sie in Natur nachweislich zu finden seien. Das Problem: Die Forscherinnen und Forscher stießen dabei auf sichtbare Fehlbildungen an Leib, Herz und Hirn sowie auf messbare Verhaltensänderungen bei den Fröschen.

Erhebliche Auswirkungen durch Glyphosat?

Kürzere Körper, kleinere Augen, missgebildete Hirnnerven, dazu kommen verkleinerte Herzen und ein verlangsamter Herzschlag. So unterscheiden sich Krallenfrosch-Kaulquappen laut der neuen Ulmer Studie, wenn sie mit Glyphosat behandelt wurden, im Vergleich zu ihrer unbehandelten Kontrollgruppe. „Ein weiterer Unterschied: Die dem Herbizid-Reinstoff ausgesetzten Kaulquappen zeigen ein verändertes Schwimmverhalten“, erklärt Professorin Susanne Kühl vom Institut für Biochemie und Molekularbiologie der Universität Ulm, die die Studie koordiniert hat. Je höher die Glyphosat-Konzentration, desto unruhiger bewegten sich die schwimmfähigen Krallenfroschembryonen und legten dabei messbar längere Strecken zurück, so die Ergebnisse.

An natürlichen Konzentrationen orientiert

Über 14 Tage hinweg wurden die Krallenfroschembryonen unterschiedlich konzentrierten Glyphosat-Lösungen ausgesetzt. Die Embryonen entwickeln sich dabei vom 2-Zell-Stadium bis zur Kaulquappe. Getestet wurden Glyphosat-Konzentrationen von 0,1 mg/L, 10 mg/L, 97 mg/L bis hin zu 243 mg/L sowie weitere Zwischenstufen. „Wir haben uns insbesondere bei den Detailanalysen an Größenordnungen orientiert, wie sie weltweit auch in natürlichen Gewässern zu finden sind“, erläutert Kühl. Während in Europa Glyphosat-Konzentrationen zwischen 0,0025 mg/L (Deutschland), 0,086 mg/L (Frankreich) und 2,46 mg/L (Portugal) gemessen worden seien – wie entsprechende Studien zeigten – hätten Gewässer in Ländern wie China mit 15,21 mg/L und Argentinien mit 105 mg/L Spitzenwerte erreicht.

Defekte auch bei niedrigen Konzentrationen beobachtet

„Überraschend für uns war, dass einige Defekte bereits bei der niedrigsten Konzentration auftraten, die wir getestet haben, also bei 0,1 mg/L. Das sind Konzentrationen, die in natürlichen Gewässern in vielen Ländern teils mehrfach überschritten werden“, sagt Hannah Flach, Doktorandin am Institut für Biochemie und Molekularbiologie und Erstautorin der Studie. Das fünfköpfige Forschungsteam, zu dem auch Professor Matthias Liess gehört, der am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig (UFZ) das Department für System-Ökotoxikologie leitet, konnte in der Studie nicht nur nachweisen, dass Glyphosat Entwicklungsdefekte in Form von morphologischen Veränderungen und Verhaltensmodifikationen hervorruft. Die Forscherinnen und Forscher betonen, dass sie auch erste Hinweise auf einen möglichen molekularen Mechanismus finden konnten: Das Glyphosat hemme die Aktivität eines wichtigen Gens, das für die Herzentwicklung eine entscheidende Rolle spiele. „Die verminderte Schlagfähigkeit der Herzen von Kaulquappen, die mit dem Herbizid-Wirkstoff behandelt wurden, könnte damit in Zusammenhang stehen“, resümiert Kühl. Der südafrikanische Krallenfrosch sei ein fest etablierter Modellorganismus der entwicklungsbiologischen Forschung, da Erkenntnisse aus Experimenten mit Xenopus laevis in großer Breite auf andere Organismen übertragbar seien.

Ursache für Amphibiensterben?

Die Ulmer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehen aufgrund ihrer Ergebnisse und der Befunde ähnlicher Untersuchungen davon aus, dass Herbizide wie Glyphosat zu den Hauptursachen des weltweiten Amphibiensterbens gehören könnten. Dass Glyphosat beziehungsweise Glyphosat-basierte Herbizide auch toxisch auf andere Tierarten wie Fische, Krustentiere und Muscheln, aber auch auf Insekten und Säugetiere wirkten, hätten zahlreiche empirische Belege aus anderen wissenschaftlichen Untersuchungen gezeigt, so die Forscher. Zu den festgestellten Effekten gehörten erhöhte Sterberaten, Wachstumsdefekte, Organschäden und Verhaltensstörungen. „All diese Evidenzen sprechen dafür, dass dieses Herbizid breite Auswirkungen auf die Tierwelt hat und für Lebewesen neu bewertet werden muss“, meint Professorin Kühl.

Literatur:
Flach H, Dietmann P, Liess M, Kühl M, Kühl S: Glyphosate without Co-formulants affects embryonic development of the south african clawed frog Xenopus laevis. Ecotoxicology and Environmental Safety, Vol. 260, 15 July 2023, DOI: doi.org/10.1016/j.ecoenv.2023.115080.

Quelle: idw/Uni Ulm

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