Deutschen Krankenhäusern geht es wieder schlechter
Die Ertragslage hat der Krankenhäuser hat sich ebenfalls verschlechtert, wohl auch aufgrund der erstmals gesunkenen Anzahl stationärer Fälle. Der damit zusammenhängende Handlungsdruck dürfte im nächsten Jahrzehnt weiter steigen. Zu diesen und weiteren Ergebnissen kommt die 15. Ausgabe des „Krankenhaus Rating Report“, der im Rahmen des „Hauptstadtkongress 2019 – Medizin und Gesundheit“ in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Er wurde gemeinsam vom RWI, der Institute for Healthcare Business GmbH (hcb) in Kooperation mit Deloitte und der HIMSS erstellt.
Die wichtigsten Ergebnisse:
Status quo
Die wirtschaftliche Lage deutscher Krankenhäuser hat sich im Jahr 2017 verschlechtert. 12 Prozent der Krankenhäuser befanden sich im „roten Bereich“ erhöhter Insolvenzgefahr, 81 Prozent im „grünen Bereich“. Im Jahr zuvor lagen noch 7 Prozent im „roten Bereich“ und 84 Prozent im „grünen Bereich“. Die Ertragslage hat sich 2017 ebenfalls verschlechtert: 28 Prozent der Krankenhäuser schrieben auf Konzernebene einen Jahresverlust, 2016 waren es nur 13 Prozent.
Ausschlaggebend für die schlechtere wirtschaftliche Lage dürfte unter anderem der Rückgang der stationären Fallzahlen im Jahr 2017 um 0,5 Prozent gewesen sein. Gründe hierfür sind wohl unter anderem die zunehmende Ambulantisierung, der Personalmangel, ein bereits hoher Sättigungsgrad beispielsweise bei kardiologischen und orthopädischen Leistungen sowie intensivere MDK-Prüfungen.
Große Krankenhäuser haben typischerweise ein besseres Rating als kleine, auch ein hoher Grad an Spezialisierung beeinflusst das Rating positiv. Kliniken in freigemeinnütziger und privater Trägerschaft schneiden besser ab als öffentlich-rechtliche Kliniken.
Die Krankenhausstrukturen sind nach wie vor in vielen Regionen ungünstig, insbesondere durch hohe Standortdichte, viele kleine Einheiten und eine geringe Spezialisierung. Am schlechtesten fällt das Rating in Niedersachsen/Bremen, Bayern, Hessen und Baden-Württemberg aus, signifikant besser in Ost-Deutschland.
Personal
Bei Fortschreibung des Status quo ist bis zum Jahr 2030 eine Nachfrage nach Fachkräften im Gesundheits- und Sozialwesen in Höhe von 4,9 Millionen Vollkräften zu erwarten. Dem stünde ein Arbeitsangebot von 3,6 Millionen Vollkräften gegenüber.
Um diese Diskrepanz zu schließen, sollte unter anderem die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen gedämpft und die hohe Teilzeitquote im Gesundheits- und Sozialwesen sowie die steigende Zahl an Frühverrentungen in der Gesamtwirtschaft reduziert werden.
Darüber hinaus muss der Pflegeberuf attraktiver werden. Dazu müsse die Pflegeprofession mehr Verantwortung bekommen und die Pflegenden mit erweiterten Kompetenzen ausgestattet werden. Langfristig sollten außerdem moderne Technik wie Robotikassistenz und künstliche Intelligenz das Personal im Gesundheitswesen entlasten.
Zudem könnte der Fachkräftemangel durch qualifizierte Zuwanderung gemindert werden. Über besonders großes Migrationspotenzial verfügen Asien, Südamerika und teilweise Osteuropa. Dabei geht es nicht nur darum, dass Deutschland die ausländischen Pflegefachkräfte anerkennt, sondern auch darum, dass diese das Jobprofil in Deutschland anerkennen.
Vergütung
Eine der zentralen Reformbaustellen ist die Veränderung der Vergütungssysteme im Gesundheitswesen. Der jetzt eingeschlagene Weg in die Selbstkostendeckung sei ein Irrweg. Ziel müsse vielmehr sein, eine längst überfällige sektorenübergreifende Versorgung und eine stärkere Ambulantisierung der Medizin zu erreichen. Hierzu könnten in sogenannten Capitationmodellen für definierte Regionen morbiditätsorientierte Regionalbudgets festgelegt werden, die mindestens die ambulante und stationäre Akutversorgung abdecken. Die Leistungserbringer der Region entscheiden dann eigenständig darüber, wie sie das Regionalbudget einsetzen. Die Bevölkerung kann Leistungserbringer anderer Regionen aufsuchen, falls sie mit der lokalen Versorgung unzufrieden ist.
Zudem gilt es, die unternehmerischen Handlungsfreiheiten auszuweiten und die Innovationsoffenheit im Gesundheitswesen zu stärken. Statt zunehmender Regulierung könnte beispielsweise durch Capitationmodelle die Verantwortung für die Gesundheitsversorgung auf lokale Akteure übertragen werden. Krankenhäuser würden sich so hin zu Gesundheitsunternehmen entwickeln, die die Gesamtverantwortung für die Gesundheit der Bevölkerung in ihren Regionen übernehmen.
„Wir brauchen neue sektorenübergreifende Vergütungsmodelle“, sagt RWI-Gesundheitsexperte Boris Augurzky. „Zudem muss die bestehende Lücke bei der Investitionsfinanzierung der Krankenhäuser geschlossen werden, idealerweise mit Investitionen in nachhaltige Krankenhausstrukturen“, so Augurzky. „Ohne Digitalisierung und Zuwanderung ist der Fachkräftebedarf im deutschen Gesundheitswesen nicht zu decken“, ergänzt Sebastian Krolop (HIMSS, Healthcare Information and Management Systems Society).
Investitionen
Der Strukturfonds erreiche im Wesentlichen seine Ziele, die Mittel des Strukturfonds reichten jedoch nicht aus, um in Deutschland eine optimale Struktur der Krankenhäuser zu erreichen.
Insofern sind seine Aufstockung und Fortführung sinnvoll, so der Report. Er hat jedoch Verbesserungspotenzial. So wäre es ordnungspolitisch richtig, dafür Steuermittel statt Mittel aus dem Gesundheitsfonds einzusetzen. Zudem ließe sich durch wettbewerbliche Elemente eine effizientere Verteilung der knappen Fondsmittel erreichen.
Projektion
Die Ambulantisierung der Medizin dürfte sich beschleunigen. Kurz- und mittelfristig ist kein großes Wachstum der stationären Fallzahl zu erwarten. Langfristig dürfte sie aufgrund der demografischen Entwicklung trotzdem weiter zunehmen, bis zum Jahr 2025 um etwa 5 Prozent.
Bei Fortschreibung des Status quo, einer weiterhin hohen Grundlohnrate und einem Wachstum der Löhne wie in der Vergangenheit würde der Anteil der Krankenhäuser im roten Rating-Bereich bis 2025 moderat auf 18 Prozent steigen. Geht man dagegen künftig von einem deutlich geringeren Wachstum der Fallzahlen aus, von einer sinkenden Grundlohnrate und von stark steigenden Löhnen, befänden sich 40 Prozent der Krankenhäuser 2025 im roten Rating-Bereich. Würden in diesem Szenario eine Optimierung der Krankenhausstrukturen, Produktivitätsverbesserungen der Krankenhäuser – insbesondere im Zuge einer stärkeren Digitalisierung – und die Ambulantisierung der Medizin vorangetrieben, könnten 2025 demgegenüber nur 21 Prozent der Kliniken im roten Rating-Bereich liegen.
Datengrundlage des „Krankenhaus Rating Report 2019“ sind 466 Jahresabschlüsse von Krankenhäusern aus dem Jahr 2016 und 84 aus dem Jahr 2017. Sie umfassen 877 Krankenhäuser mit einem am Umsatz gemessenen Marktanteil von 70%.
Quelle: HSK, 22.05.2019
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