COVID-19: Was tun bei Schwangerschaft?

Gefahr für Mutter und Kind
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Schwangerschaft und Impfung
COVID-19: Gefahr für Mutter und Kind Marina Demidiuk, stock.adobe.com
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Es wurden schwere Verläufe bei Schwangeren, die sich mit SARS-CoV-2 infiziert haben, untersucht. Fazit: Die Schwangerschaft an sich ist eine Risikokonstellation für schwere Verläufe.

Erste Daten aus dem CRONOS-Register wurden jetzt veröffentlicht. Demnach erhöht eine COVID-19-Erkrankung, die eine invasive Unterstützung der Atmung erfordert, das Risiko eines schlechten mütterlichen und neonatalen Ausgangs. Die Wissenschaftler/-innen rufen deshalb zur Impfung auf. Eine Impfung schütze auch Schwangere vor schweren Verläufen. Bislang galten Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems, der Leber, Niere und Atemwege sowie Diabetes und Krebs aber auch Übergewicht und Rauchen als Risikofaktoren für einen schweren Verlauf einer COVID-19-Erkrankung. Inzwischen muss jedoch auch eine Schwangerschaft als Risikofaktor gezählt werden. Denn selbst junge, gesunde Frauen, die ein Kind erwarten und sich mit SARS-CoV-2 infizieren, können laut Studie einen derart schweren Verlauf haben, dass sie intensivmedizinisch behandelt werden müssen, sofern sie nicht geimpft sind.

Fallbeispiel einer 24-Jährigen

Melissa Wanner war 24, als sie in der 26. Schwangerschaftswoche plötzlich Gliederschmerzen und Schüttelfrost bekam. Sie dachte an eine Grippe, doch es war Corona. Als der PCR-Test positiv ausfiel, wurde sie umgehend mit dem Rettungswagen ins Bad Mergentheimer Krankenhaus gebracht. Es war ihr Geburtstag, der 1. September 2021. Ihr Zustand wurde immer kritischer, die Angst um Mutter und Kind wuchs. Zwei Tage später wurde sie ins Universitätsklinikum Würzburg gebracht. Auf der Intensivstation bekam sie zunächst Sauerstoff über die Nase, doch die Sauerstoffsättigung im Blut sank weiter von 90 Prozent auf 80 Prozent. Melissa Wanner hatte panische Angst zu ersticken. Die nichtinvasive Beatmung brachte auch keinen Erfolg. Die Panikattacken wurden schlimmer. „Ich habe mir die Maske vom Gesicht gerissen, um mich geschlagen und sogar eine Schwester gebissen“, gesteht Melissa Wanner betroffen. „Ich war in jeglicher Hinsicht keine einfache Patientin.“ Schließlich wurde die werdende Mutter am 5. September ins Koma versetzt und erhielt neben der künstlichen Beatmung über einen in der Luftröhre platzierten Beatmungsschlauch eine externe Lungenunterstützung (ECMO) für extrakorporale Membranoxygenierung.

Nach zwei Wochen geweckt

Nach zwei Wochen wurde sie langsam wieder geweckt. „Man hat mir erzählt, dass ich nicht aufwachen wollte. Ich erinnere mich nur an furchtbare Komaträume. Ich dachte, mein Kind sei tot.“ Doch mit jedem Schritt, den sie wieder laufen lernte, mit jedem Schluck, den sie wieder trinken lernte, fasste sie Zuversicht. Und schließlich nahm sie auch auf dem CTG (Kardiotokografie) die Herztöne ihres Kindes wieder wahr. Nach fünf Wochen auf der Intensivstation kam sie zur weiteren Überwachung zwei Wochen in die Frauenklinik, mit der bereits auf der Intensivstation eine enge Zusammenarbeit stattfand. In der 32. Schwangerschaftswoche durfte sie schließlich nach Hause. Und zur Geburt ihres kerngesunden Sohnes Kilian am 18. Dezember 2021 kam sie zurück ins inzwischen vertraute Uniklinikum. Kilian wurde per Kaiserschnitt auf die Welt geholt, wie viele Kinder von Müttern, die sich während ihrer Schwangerschaft mit Corona infiziert haben.

Sechs Föten wurden tot geboren

„Melissa Wanner hatte Glück, dass ‚nur‘ die Lunge betroffen war. Wären weitere Faktoren wie ein Herz-Kreislaufversagen, Nierenversagen, Sepsis oder Thrombosen hinzugekommen, wäre die Behandlung so erfolgreich wahrscheinlich kaum möglich gewesen. Aufgrund des schweren Lungenversagens musste sie sogar abwechselnd in eine modifizierte Bauchlage, der 135-Grad-Lagerung, verbracht und beatmet werden“, berichtet Dr. Daniel Röder, Oberarzt der Intensivstation und Leiter des ECMO-Zentrums an der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerzmedizin. Magdalena Sitter, die sich als Assistenzärztin wissenschaftlich mit schweren COVID-Verläufen befasst hat, fügt hinzu: „Es ist hier in Deutschland zwar glücklicherweise sehr selten, aber einige Schwangere überleben solche schweren Verläufe nicht. In unserer ersten Auswertung der CRONOS-Registerstudie sind vier von 101 Schwangeren, die aufgrund einer Corona-Infektion intensivmedizinisch behandelt werden mussten, gestorben, sechs Föten wurden tot geboren.“

4.633 Frauen aus Deutschland registriert

Im CRONOS-Register sind inzwischen (Stand 11.2.2022) 4.633 Frauen aus Deutschland registriert, die sich während ihrer Schwangerschaft mit dem SARS-CoV-2 infiziert haben. Die Studie wird von der Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin gefördert. Sie soll durch die gewonnenen Daten interdisziplinären Behandlungsteams aus Pflege, Hebammen, Ärzteschaft und psychosozialem Dienst eine Grundlage zur Behandlung und Beratung betroffener Patientinnen geben.

202 mit schwerem Verlauf erfasst

202 der gemeldeten 4.633 Schwangeren hatten oder haben einen schweren COVID-19-Verlauf. Um die Auswertung dieser Verläufe und entsprechenden Schlussfolgerungen kümmert sich eine Task Force, der auch Professor Dr. Peter Kranke, Oberarzt und Bereichsleiter der geburtshilflichen und gynäkologischen Anästhesie am Uniklinikum Würzburg, gehört. „Wir sind vielen schweren Verläufen noch einmal nachgegangenen, haben die behandelnden Kliniken um weitere Informationen zur Behandlung gebeten, die über die Sammlung im Register hinausgingen“, schildert Kranke. „Wir bündeln, was bei welcher Patientin gut und bei welcher nicht so gut angeschlagen hat und versuchen daraus Empfehlungen für die bestmögliche Therapie abzuleiten. Basierend auf diesen Erkenntnissen und Auswertungen und im Schulterschluss mit Geburtshilfe und Kinderheilkunde beraten wir Kolleginnen und Kollegen aus anderen Krankenhäusern. Wie lange kann man nicht invasiv beatmen? Wann und in welchem Ausmaß ist eine Heparin-Therapie sinnvoll? Wann eine Kortison-Therapie? In welcher Dosierung, welche Präparate?“

Enge Zusammenarbeit der Fachdisziplinen

Bei Melissa Wanner standen für das Behandlungsteam zwei Fragen ganz besonders im Fokus: Zum einen die Frage nach der geeigneten Therapieeskalation: wann ist welche Intensivmaßnahme notwendig? Zum anderen die Frage nach dem besten Zeitpunkt der Entbindung. „Hier wurde eng mit der Frauenklinik und dem Team von Professor Dr. Wöckel sowie der Kinderklinik und dem Team von Professor Dr. Härtel kooperiert, und tägliche Visiten sowie interdisziplinäre Besprechungen mit den Kolleginnen und Kollegen der Frauenklinik standen auf dem Plan“, berichtet der Direktor der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie am Uniklinikum Würzburg, Professor Dr. Patrick Meybohm. Neben dem Wohlbefinden und den Parametern für Lungen- und Herzkreislauffunktion von Melissa Wanner wurde auch das Wachstum und Wohlergehen des Kindes gemeinsam in enger Zusammenarbeit der Fachdisziplinen überwacht.

Erste Schlussfolgerungen

Erste Daten aus dem CRONOS-Register zu schwangeren Frauen und Müttern, die wegen COVID-19 intensivmedizinisch behandelt werden müssen, sind jetzt erschienen. Die Frauen, die intensivmedizinisch behandelt werden mussten, waren im Durchschnitt 33 Jahre alt und in der 33. Schwangerschaftswoche. Bei 30 von den 101 untersuchten Fällen war nur eine Behandlung mit Sauerstoff notwendig, 22 erhielten eine nicht-invasive Beatmung, 28 eine invasive Beatmung und 15 eine ECMO. Signifikante klinische Unterschiede zwischen den Patientinnen, die verschiedene Formen der Beatmungsunterstützung erhielten, wurden nicht festgestellt. Die Frühgeburtenrate bei den Frauen, die eine invasive Beatmungsbehandlung erhielten, war jedoch signifikant höher. „Schlussendlich erhöht eine COVID-19-Erkrankung, die eine invasive Unterstützung der Atmung erfordert, das Risiko eines schlechten mütterlichen und neonatalen Ausgangs“, resümieren Peter Kranke und Patrick Meybohm. „Vorerkrankungen, wie Diabetes, Bluthochdruck und Adipositas, erhöhen das Risiko für schwere Verläufe. Wir haben aber auch gesehen, dass Schwangere ohne Vorerkrankungen schwer erkranken können, die Schwangerschaft an sich ist eine Risikokonstellation für schwere Verläufe. Daher haben wir den Schwangeren im Rahmen der Infoabende für werdende Eltern frühzeitig empfohlen, sich gemäß den Empfehlungen impfen zu lassen. Die Impfung schützt – wie bei allen anderen Patienten auch – vor einem schweren Verlauf!“

Morbidität und Mortalität steigen deutlich an

Doch warum ist die Schwangerschaft ein Risiko für einen schweren Verlauf? „Die immunologischen Mechanismen, die hier zusammenspielen, sind noch nicht endgültig geklärt“, sagt Prof. Dr. Achim Wöckel, Direktor der Universitätsfrauenklinik Würzburg. „In jedem Fall steigt die mütterliche Morbidität und Mortalität deutlich an, wenn man ungeimpfte mit geimpften Schwangeren vergleicht.“ Unabhängig von COVID-19 sind auf Grund physiologischer Veränderungen schwangere Frauen besonders anfällig für virale Infektionen. Eine Infektion mit SARS-CoV-2 kann daher schnell zu Lungenfunktionsstörungen bis hin zum Lungenversagen führen. „Um die Infektionen bei Schwangeren und auch die Schwere potentieller Infektionen zu reduzieren, empfehlen unsere Fachgesellschaften und die Stiko sehr klar eine Impfung ungeimpfter Schwangerer ab dem 2. Trimenon sowie aller ungeimpfter Stillenden mit den mRNA-Impfstoffen inklusive einer Booster-Impfung“, so Wöckel weiter.

COVID-19 related Obstetric Anaesthesia Longitudinal Assessment-Registry

Auch jenseits der Pandemie arbeiten berufsübergreifend Pflege, Hebammen und Ärzteschaft bereits vor der Geburt eng zusammen und versuchen auf diese Weise das Ergebnis für Mutter und Kind zum Besten zu wenden, auch bei beziehungsweise trotz bestehender Vorerkrankungen, wie zum Beispiel einer Blutarmut. Zu Beginn der Pandemie haben Frauenklink und Intensivmedizin des UKW zum Beispiel das bundesweite COALA-Register (COVID-19 related Obstetric Anaesthesia Longitudinal Assessment-Registry) entwickelt. Über das Register wurden Daten zu Verdachts- und bestätigten SARS-CoV-2-Fällen bei Schwangeren zum Zeitpunkt der Geburt erhoben. Das CRONOS-Register, initiiert durch Kollegen des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein am Campus Kiel, geht einen Schritt zurück und registriert grundsätzlich alle Schwangeren mit COVID-Infektion, unabhängig von der Schwangerschaftswoche. Neben der Würzburger Task Force für schwere Verläufe gibt es weitere Arbeitsgruppen wie etwa für das Kollektiv der Schwangeren mit Diabetes und SARS-CoV-2 Infektionen, oder zur Auswertung der neonatologischen Outcomes, also des Wohlergehens der Neugeborenen. „Nach heutigem Kenntnisstand erhöht die COVID-Infektion der Schwangeren das Risiko für eine Frühgeburt, was die Neugeborenen anfälliger macht für Atemstörung, Infektionen, aber auch Langzeitprobleme nach sich ziehen kann“, bemerkt Prof. Dr. Christoph Härtel. „Reifgeborene Kinder COVID-positiver Mütter haben glücklicherweise zumeist milde Verläufe, selten kann es jedoch zu schweren Anpassungsstörungen kommen.“

Immer noch Panikattacken und Luftnot

Melissa Wanner ist überglücklich, dass die Infektion für sie und ihren Jungen gut ausgegangen ist und ist dem interdisziplinären Team am Uniklinikum Würzburg unendlich dankbar für seinen Einsatz. Sie will positiv denken. Auch wenn heute noch die Nachwirkungen der Infektion ihren Alltag dominieren. Sie kann nicht allein in Räumen sein, hat immer noch Panikattacken und Luftnot. Sie ist in psychologischer und physiologischer Behandlung. „Ich möchte nicht, dass mein Kind mit Angst aufwächst.“

Literatur:
Sitter M, Pecks U, Rüdiger, M, et al.: CRONOS Network. Pregnant and Postpartum Women Requiring Intensive Care Treatment for COVID-19—First Data from the CRONOS-Registry. J. Clin. Med. 2022, 11, 701, DOI: doi.org/10.3390/jcm11030701.

Quelle: idw/Universitätsklinikum Würzburg

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