Kennen Sie die Entwicklung der Schwangerschaftsteste?

Medizingeschichte
Nico Janz
Kennen Sie die Entwicklung der Schwangerschaftsteste?
Glatter Krallenfrosch (Xenopus laevis) © Michael Linnenbach, CC BY-SA 3.0, wikimedia
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Heute ist es möglich, einen Schwangerschaftstest in einer Apotheke und in Drogeriemärkten zu erwerben. Ob eine Frau ein Kind bekam, war bis zur Entwicklung der Schwangerschaftsteste erst mit den fortlaufenden physiologischen Veränderungen zu manifestieren.

Glaubt man der Heiligen Schrift, wurde Maria durch den Heiligen Geist schwanger und ein Engel kündigte Jesu Geburt an. Auch in Deutschland gibt es jährlich mehr als 1.000 Frauen, die ihre Schwangerschaft monatelang nicht bemerken oder gar bewusst verdrängen. Heute ist es möglich, einen Schwangerschaftstest in einer Apotheke und in Drogeriemärkten zu erwerben. Mittels eines Urinteststäbchens lässt sich bereits zwei bis drei Wochen nach der Befruchtung einer Eizelle eine Schwangerschaft feststellen. Ob eine Frau ein Kind bekam, war bis zur Entwicklung der Schwangerschaftsteste erst mit den fortlaufenden physiologischen Veränderungen zu manifestieren. Dabei nahmen Schwangere historisch immer eine Sonderstellung ein. Zur Schonung des unschuldigen Kindes durften Schwangere im Mittelalter nicht getötet oder gefoltert werden. Auch für Legitimitäts- oder Erbschaftsangelegenheiten konnte eine Schwangerschaft von Bedeutung sein.

Aus einem alten Papyrusdokument (circa 1350 v. Chr.) geht eine Empfehlung hervor, dass Frauen ihre Schwangerschaft bestätigen sollen, indem sie auf Weizen- oder Gerstensamen urinieren. Sollten die Samen keimen, so wäre angeblich ein Kind zu erwarten. Diese Methode gilt als erster in der Geschichte beschriebener Schwangerschaftstest. Dass ein Körnchen Wahrheit in dieser These liegt, bestätigten Forscher in den 1960er-Jahren: „Erhöhte Östrogenspiegel im Urin von Schwangeren, können die Keimung von Getreidesamen stimulieren.“ Im Mittelalter glaubten sogenannte „Pisspropheten“, eine Schwangerschaft anhand des Urins von Frauen postulieren zu können. Bis zum Jahr 1920 gab es nebst Aberglaube und Ammenmärchen praktisch keine Erkenntnisse, eine Schwangerschaft zu bestätigen. Anfang des 19. Jahrhunderts starteten Ernest Henry Starling (1866–1927) und William Maddock Bayliss (1860–1924) die Hormonforschung. Beide gingen davon aus, dass es neben den Nervenbahnen Botenstoffe geben müsse, die Informationen zwischen Organen austauschen und steuern.

Ernest Starling | © H.S. Raper, gemeinfrei, Wikimedia

William M. Bayliss, 1918 © Unbekannt, CC-BY 4.0, wikimedia

Den ersten endokrinologischen Test zur Erfassung qualitativer und semiquantitativer körpereigener Aktivität veröffentlichten 1923 Edward Adelbert Doisy (1893–1986) und Edgar Allen (1892–1943). Der „Allen-Doisy-Test“ dient zum Nachweis von Östrogenen (Überbegriff der weiblichen Geschlechtshormone) im Vaginalabstrich von Versuchstieren. Dieser Test wurde später noch in der Veterinärmedizin zum Nachweis der Trächtigkeit von Stuten eingesetzt. Dann entwickelten Selmar Aschheim (1878–1965) und Bernhard Zondek (1891–1966) den Nachweis von humanem Choriongonadotropin (HCG) im Schwangerenharn (1927). Dieses Hormon wurde bereits 1920 entdeckt. Das HCG ist ein weibliches Geschlechtshormon, welches für den Beginn und den Erhalt einer Schwangerschaft mit verantwortlich ist und somit für eine frühe Schwangerschaftsdiagnose genutzt werden kann. Aschheim und Zondek arbeiteten im Hormonlaboratorium der Universitätsfrauenklinik der Charité in Berlin. Der Berliner Gynäkologe Selmar Aschheim leitete ab 1912 das gynäkologische Labor der Charité und musste 1937 aller Ämter enthoben als Jude nach Frankreich emigrieren. Der in Posen geborene Bernhard Zondek war Professor für Frauenheilkunde an der Charité. Er emigrierte als Jude nach Jerusalem.

Die „Aschheim-Zondek-Reaktion“ (AZR) beruht auf dem Nachweis von HCG im Urin schwangerer Frauen. Die Wissenschaftler injizierten morgendlichen Urin von Patientinnen, welche möglicherweise hätten schwanger sein können, in junge weibliche Mäuse. War das HCG vorhanden, veränderten sich die Geschlechtsorgane der Mäuse bereits nach 48 Stunden, die Eizellen reiften und der Uterus vergrößerte sich. Leider starben die Mäuse bei dem nun entwickelten ersten modernen Schwangerschaftstest. Dass ein Prinz Dornröschen wachküssen soll, ist den meisten Menschen durch die Brüder Grimm bekannt. Die Kommunikation der Königin mit einem Frosch, der verspricht, ihren Kinderwunsch zu erfüllen, verbinden eher wenige mit dem bekannten Märchen „Dornröschen“.

Den Weg, über einen Frosch eine Schwangerschaft zu bestätigen, erkannte der britische Zoologe Lancelot Hogben (1895–1975) in den 1930er-Jahren. Hogben injizierte den Urin von Frauen in weibliche geschlechtsreife, afrikanische Krallenfrösche (Xenopus laevis). War eine Frau schwanger und somit HCG im Harn vorhanden, laichten die Frösche innerhalb von 18 Stunden. Der große Vorteil dieses Testes war das Überleben der Frösche. Weltweit war der „Froschtest“ bis zur Entwicklung modernerer, einfacherer, chemischer Schwangerschaftstests in den 1960er-Jahren wissenschaftlich anerkannt. Apotheken hielten fortan den afrikanischen Krallenfrosch in Aquarien. Der Frosch wurde zu Zehntausenden aus Südafrika in alle Welt importiert und bekam indes den Namen „Apothekerfrosch“. Der argentinische Arzt Carlos Galli Mainini (1914–1961) fand wenig später heraus, dass männliche Krallenfrösche noch viel schneller auf eine Injektion des Urins schwangerer Frauen reagierten. Die Frösche produzieren durch das im Urin enthaltene HCG Spermien, die sehr einfach unter dem Mikroskop nachzuweisen sind. Das HCG ist dem Hypophysenhormon LH (luteinisierendes Hormon) sehr ähnlich, wobei LH unter anderem den Eisprung und die Spermienproduktion steuert. Die großen Mengen von HCG im Urin Schwangerer stimulieren einerseits das Laichen der weiblichen Frösche, andererseits wirkt es bei männlichen Fröschen wie eine Überstimulation von LH und führt somit zur Produktion von Spermien.

Bis in die 1960er-Jahre wurden afrikanische Krallenfrösche für den „Froschtest“ eingesetzt. Alle zwei Wochen konnte ein Frosch für einen Test verwendet werden. In den 1960er-Jahren wurden dann die ersten immunologischen Schwangerschaftstests erfunden, weiterentwickelt und schließlich der eklatante Missbrauch der Apothekerfrösche beendet. Auch die heutigen Urinsticks, auf welchen ein trockenchemischer Schnelltest integriert ist, beruhen auf dem immunologischen Nachweis von HCG im Urin von Schwangeren. Alain Bussard (1917–2010) und Pierre Grabar (1898–1986) war 1947 der Nachweis gelungen, dass HCG spezifische Antikörper anregen kann. Der Weg zum Teststreifen führte zuerst zu der Entwicklung der Immunelektrophorese. Durch weitere Testverfahren konnten Antikörper genauer charakterisiert werden. Leif Wide (geboren 1934) entwickelte diverse immunologische Methoden, sodass der erste kommerzielle Schwangerschaftstest 1962 vermarktet werden konnte. Die heutigen frei verkäuflichen Serumtests ermöglichen es Frauen, bereits am Tag nach Ausbleiben der Menstruation, eine mögliche Schwangerschaft zu diagnostizieren. Ein Ovolationstest, welcher den Gehalt an LH im Urin bestimmt, dient Frauen heute dazu, die fruchtbaren Tage zu ermitteln.

Literatur

  1. David M, Ebert AD: Geschichte der Berliner Universitätsfrauenklinik. Dezember 2009.
  2. Zondek B: Die Schwangerschaftsdiagnose aus dem Harn durch Nachweis des Hypophysenvorderlappenhormons. Klinische Wochenschrift 1928; 7: 1404–11.
  3. Wide L: An immunological method of assay of humanchorionic gonadotropin. Acta Endocrinol 1962; 70 (Suppl): 1–111.

Entnommen aus MTA Dialog 3/2020

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