Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung bei Frauen in Deutschland: Laut Krebsinformationsdienst bekommen etwa 13 von 100 Frauen im Laufe ihres Lebens die Diagnose „Mammakarzinom“. Wird bei einer Frau (selten bei einem Mann) Brustkrebs diagnostiziert, stellt sich die schwierige Frage, welche Behandlungsart die richtige ist. Genutzt werden neben weiteren Methoden auch sogenannte Genexpressionstests, um eine Prognose zum Krankheitsverlauf zu erstellen und darauf aufbauend eine geeignete Therapie auszuwählen. Wie verlässlich diese Tests sind, ist jedoch bislang nicht vollständig geklärt. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von der Universität Leipzig und der Pathologie Hamburg-West haben jetzt mithilfe von maschinellem Lernen große Datenmengen zu dieser Fragestellung analysiert und festgestellt, dass Genexpressions-Signaturen zwar eine hohe, aber keine vollständige Prognosesicherheit bieten.
Molekulare, klinische, histologische und andere Faktoren berücksichtigen
Die aktuelle Studie von Dimitrij Tschodu, Doktorand am Peter-Debye-Institut für Physik der weichen Materie der Universität Leipzig, entstand in enger Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Axel Niendorf von der Pathologie Hamburg-West. Tschodu und seine Kolleginnen und Kollegen analysierten etwa 10.000 Signaturen basierend auf renommierten Brustkrebs-Datenbanken unter Verwendung verschiedener Modelle des maschinellen Lernens, um ihre prognostische Kapazität gründlich zu bewerten. Die Studienergebnisse zeigen, dass die untersuchten Genexpressions-Signaturen in nicht mehr als 80 Prozent der Fälle zu einer korrekten Patientenprognose führen. Die Forscherinnen und Forscher weisen außerdem darauf hin, dass in Prognosen, die ausschließlich auf Genexpressions-Signaturen basieren, weniger als 50 Prozent der potenziell verfügbaren Informationen berücksichtigt sind. Sie empfehlen daher, zusätzlich zu Genexpressionstests weitere Parameter heranzuziehen. „Obwohl unsere Ergebnisse die Bedeutung von Genexpressions-Signaturen für die Vorhersage der Patientenprognose bestätigen, betonen sie auch die dringende Notwendigkeit eines ganzheitlichen Ansatzes, der molekulare, klinische, histologische und andere ergänzende Faktoren berücksichtigt, um eine genaue Prognose sicherzustellen“, erklärt Tschodu.
Interdisziplinären Zusammenarbeit angemahnt
„Die Ergebnisse dieser Studie sind entscheidend für das Verständnis der Grenzen von Genexpressions-Signaturen bei der Krebsprognose“, ergänzt Prof. Dr. Josef Käs, Leiter der Abteilung für Physik der weichen Materie an der Universität Leipzig. „Obwohl Genexpressions-Signaturen zweifellos wertvoll sind, verdeutlichen unsere Ergebnisse die Notwendigkeit eines ganzheitlichen Ansatzes, um präzise Prognosen zu erstellen und fundierte Behandlungsentscheidungen zu treffen.“ Die Veröffentlichung ist dem Forschungsbereich „Physics of Cancer“ zuzuordnen, der Krebs aus einer physikalischen Perspektive betrachtet und auch die Mechanik von Zellen und Geweben untersucht. Käs sagt dazu: „Diese neue Studie unterstreicht die Bedeutung der ‚Physics of Cancer‘ im medizinischen Bereich und die Notwendigkeit einer interdisziplinären Zusammenarbeit, um innovative Lösungen für die Herausforderungen in der Krebsbehandlung zu finden.“ Erst vor Kurzem hatte eine Forschungsgruppe um Prof. Käs und Prof. Niendorf neue Erkenntnisse aus diesem Bereich veröffentlicht, die eine präzisere Diagnostik der Streuung und Bildung von Metastasen bei Brusttumoren befördern können.
Quelle: idw/Uni Leipzig
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