Interessante Jahrestagung der DGSM

Schlafmedizin 4.0
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Die Schlafmedizin hat es in den zurückliegenden beiden Jahrzehnten erreicht, sich von einer reinen Grundlagenwissenschaft zu einer Fachrichtung zu entwickeln, die, interdisziplinär agierend, medizinische Standards zur Diagnostik und Therapie von über 70 Schlafstörungen gesetzt hat.

2.000 Experten aus zahlreichen medizinischen Disziplinen sowie aus Psychologie und Naturwissenschaften kamen zur 24. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) im Dezember 2016 in Dresden zusammen, um wissenschaftliche und klinische Fortschritte in der Schlafmedizin zu diskutieren.

Große Breite an Themen

Von schlafbezogenen Atmungsstörungen, Chronobiologie, Vigilanz und Tagesmüdigkeit über den Bezug von Schlaf und Depressionen, Herzinsuffizienz, COPD/Asthma und Schlaganfall über spezielle Themen wie Klartraumforschung, Beziehungsqualität, Schlaf in extremen Situationen, Smartphone Apps und Schlafstörungen bei der Bundeswehr hielt das wissenschaftliche Programm wieder ein großes Spektrum bereit. Insgesamt wurden 105 Vorträge in 24 Symposien sowie weitere Sessions mit freien Vorträgen und Kurzvorträgen, 61 Poster-Präsentationen, TA-Fortbildungsprogramme, Lunch-Workshops, ein Kolleg Schlafmedizin und ein Fortbildungscurriculum „Hausärztliche Schlafmedizin“ angeboten. Es gab gemeinsame Symposien mit den Deutschen Gesellschaften für Pneumologie, für Kardiologie, für Biomedizinische Technik, für Neurologie sowie für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde. Neu in diesem Jahr war die Sitzung „Generationen im Dialog“, bei welcher die Professoren Marianne Schläfke und Hartmut Schulz, beide Schlafmediziner der ersten Stunde, zur Quintessenz ihres wissenschaftlichen Wirkens referierten und gleichzeitig die wissenschaftlichen Arbeiten der aktuellen Preisträgerinnen Marion Kuhn (DGSM-Nachwuchsförderpreis 2016) und Isabel Brandhorst (Promotions-Nachwuchsförderpreis „Becker-Carus“ 2016) vorgestellt wurden.

Motto: Schlafmedizin: grenzüberschreitend und innovativ

Die 24. Jahrestagung der DGSM in Dresden hatte den Schwerpunkt medizinisch-technischer Innovationen in der Schlafmedizin und war dementsprechend überschrieben mit dem Motto „Schlafmedizin: grenzüberschreitend und innovativ“. Technische Innovationen werden in den kommenden Jahren dazu beitragen, schlafmedizinische Diagnostik und Therapie zu verbessern und patientenfreundlicher zu gestalten – darüber herrschte allgemeiner Konsens. Ja mehr noch, die dringende Notwendigkeit diesen nächsten Schritt in Richtung „Schlafmedizin 4.0“ zu gehen, wurde übereinstimmend erkannt. Thematisch war dies auch im wissenschaftlichen Programm verankert. Exemplarisch sollen hier die Symposien zu künftigen Nutzungsmöglichkeiten von Smartphones bei der Schlaferfassung und das gemeinsame Symposium mit der DGBMT zu neuen medizintechnischen Verfahren genannt werden.

Im Festvortrag zeigte Professor Gerhard Fettweis, Inhaber des Vodafone-Stiftungslehrstuhls für Mobile Nachrichtensysteme an der TU Dresden, faszinierende Visionen des künftigen Mobilfunk der fünften Generation („5G“) auf. Dessen Möglichkeiten reichen dabei von Internetsicherheit über Mobilfunk in Echtzeit bis hin zu Verkehrs-Echtzeitsteuerung und Fern-Operationen. Die fünfte Netzgeneration ebnet den Weg in die umfassende Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft und somit ist der Standort Dresden ein entscheidender Impulsgeber für revolutionäre Innovationen. ###more###

Interesse auch von anderen Bereichen

„Dresden war der perfekte Tagungsort für die Jahrestagung der DGSM, weil die starke informationstechnische Ausrichtung des Standortes in Forschung und Wirtschaft neue schlafmedizinische Anwendungen stimulieren wird. Dresden ist einer der wichtigsten Technikstandorte weltweit, wobei die Unterstützung des Menschen in seiner Gesundheit und seiner Lebensweise ein zentraler Schwerpunkt neuer Technologien sein wird“, so Professor Hagen Malberg, Direktor des Instituts für Biomedizinische Technik der TU Dresden. Er bildete in diesem Jahr gemeinsam mit Dr. med. Andrea Bosse-Henck, Leiterin des Schlaflabors der Abteilung für Pneumologie des Universitätsklinikums Leipzig und Dr. med. Steffen Schädlich, Leiter des Schlaflabors der Klinik für Innere Medizin II des Krankenhauses Martha-Maria Halle-Dölau die Leitung der DGSM-Jahrestagung. Malberg bekräftigte das große Interesse an schlafmedizinischen Erkenntnissen aus anderen Bereichen, wie etwa der Automobilindustrie. Spannende Entwicklungen dazu offerierte auch der Workshop „VUFO-Expertenforum – interdisziplinäre Verkehrsunfallforschung“, in welchem aufgezeigt wurde, welche Synergien etwa hinsichtlich der neuen Fahrerrichtlinien und Systeme für autonomes Fahren bestehen. Es wurde diskutiert, wie schlafmedizinische Ergebnisse zu Stress, Vigilanz und Einschlafen im Auto eingesetzt, gemessen und verarbeitet werden können.

Schläfrigkeit am Steuer im Visier

Im Bereich der Verkehrsunfallforschung ist die DGSM sehr engagiert: Am 9. Dezember 2016 startete eine Kampagne des Bundesverkehrsministeriums, des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR) und der DGSM, die in den nächsten beiden Jahren öffentlich aufklären helfen soll. „Es geht darum, für Schläfrigkeit am Steuer zu sensibilisieren. Diese ist gefährlicher als Alkohol am Steuer und verursacht doppelt so häufig tödliche Unfälle, aber es wird weniger dagegen unternommen. Hier muss dringend ein Bewusstseinswandel stattfinden“, fordert Dr. Hans-Günter Weeß vom Vorstand der Gesellschaft.

Umdenken in punkto Schichtarbeit gefordert

Ein Bewusstseinswandel ist auch im Zusammenhang mit der inneren Uhr des Menschen von Seiten der DGSM gefordert. „Wir können heute noch nicht messen, wie viel Schlaf jemand braucht, sondern nur wie viel jemand bekommt“, sagte der bekannte Chronobiologe Professor Till Roenneberg, der den Begriff des sozialen Jetlags prägte, ein Zustand chronischer Ermüdung, verursacht dadurch, dass man, wenn der Wecker klingelt, „biologisch noch nicht zu Ende geschlafen hat“.

Die Menschen leben zumeist gegen ihre innere Uhr, die Zeitgeber Licht und Dunkelheit greifen nicht mehr. So arbeiten nachweislich fast zehn Prozent der Deutschen dann, wenn sie eigentlich im Schlafmodus sind. Auch 18 Prozent der Spitzenkräfte in der Wirtschaft und ein Drittel der Spitzenpolitiker bekommen weniger als fünf Stunden Schlaf täglich. Und das Schlimme daran: Wenig Schlaf wird gesellschaftlich mit Fleiß und Tüchtigkeit verbunden. Auch ein Umdenken in punkto Schichtarbeit wollen die Experten der DGSM erreichen. Schichtarbeiter, so haben es Studien erwiesen, leiden öfter unter Herz-Kreislauf-, Stoffwechsel- und Magen-Darm-Erkrankungen sowie eben Schlafstörungen. Das körpereigene Hormon Melatonin wird nachts ausgeschüttet und bewirkt das Einschlafen. Ein Ansatz der Schlafforschung: Bessere Lichtquellen für Nachtarbeiter schaffen mittels LED-Technik. Mehr Blauanteile im Licht in Anlehnung ans Tageslicht sollten generell eingeführt werden. Denn bei Tage wird die Melatonin-Ausschüttung unterdrückt.

Patientenforum zum Thema „Schlaf und Partnerschaft“

Für die interessierte Öffentlichkeit fand im Rahmen des DGSM-Kongresses ein Patientenforum zum Thema „Schlaf und Partnerschaft“ statt. Die Dresdner nutzten die Möglichkeit hier umfassend ihre Schlafprobleme zu schildern und sich Rat bei den anwesenden Schlafmedizinern zu holen. Die DGSM bietet auf ihrer Homepage dgsm.de für Betroffene u.a. eine Übersichtskarte der akkreditieren Schlaflabore in Deutschland sowie Patientenratgeber zu den wichtigsten Schlaferkrankungen an. Derzeit besteht in Deutschland ein regional unterschiedlich ausgeprägtes Angebot schlafmedizinischer Versorgung, wobei die jeweiligen Versorgungsangebote meistens auf spezielle Fragestellungen ausgerichtet sind. Für Patientinnen und Patienten mit Schlafstörungen ist es daher oft schwierig, die richtigen Ansprechpartner zu finden.

„Anzustreben sind daher interdisziplinär arbeitende schlafmedizinische Versorgungszentren, die den unterschiedlichen Bedürfnissen von Menschen mit Schlafstörungen vollumfänglich gerecht werden können“, betont Dr. Alfred Wiater, Vorsitzender der DGSM. Des Weiteren ist eine intensivere Verankerung der Schlafmedizin in der hausärztlichen Versorgung dringend erforderlich. Nur dadurch wird es möglich werden, Menschen mit Schlafstörungen rechtzeitig, d.h. bevor Chronifizierungen und Folgeprobleme manifest sind, zu identifizieren und der geeigneten Diagnostik und Therapie zuzuführen. „Wenn man bedenkt, welche gravierenden Auswirkungen Schlafstörungen in unserer Gesellschaft haben können, wie schwere Unfälle infolge von Sekundenschlaf, Herzkreislaufstörungen bei unbehandelter Schlafapnoe, Stoffwechselstörungen bei Schlafmangel oder Konzentrations- und Lernprobleme bei Kindern etc., wird deutlich, dass dringender Handlungsbedarf besteht“, so Alfred Wiater.

Die nächste Jahrestagung findet unter dem Motto „Schlaf bewegt!“ vom 9.-11. November 2017 in Münster statt. (idw, red)

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