Was war passiert?
Der Kläger arbeitet in Teilzeit als Gesundheits- und Krankenpfleger bei der Beklagten. Der Kläger arbeitet in Wechselschicht. Er überschritt mehrfach die für ihn im Schichtplan täglich vorgesehene Arbeitszeit, das heißt, entweder mehr als ein Vollbeschäftigter oder mehr als er aufgrund seiner Teilzeitvereinbarung schuldete. Die Beklagte gewährte dem Kläger, für die über die vereinbarte Arbeitszeit geleistete Arbeit, Freizeitausgleich. Der Kläger forderte mit seiner Klage die Bezahlung von Überstundenzuschlägen für alle zusätzlich geleisteten Arbeitsstunden. Für das Arbeitsverhältnis gilt der TVöD-K.Wie entschied das Gericht?
Das Bundesarbeitsgericht gab mit Urteil vom 23. März 2017 (6 AZR 161/16) dem Kläger Recht. Die Entscheidung wurde damit begründet, dass § 7 VIII c) TVöD-K zwei Alternativen habe. Alt. 1 bezeichne den Fall, dass Arbeit von Schichtarbeitern über die im Schichtplan festgelegten täglichen Arbeitsstunden hinaus (und damit ungeplant) geleistet werde. Diese Voraussetzung habe der Kläger erfüllt. Eine Ausgleichsmöglichkeit bestehe hinsichtlich solcher Arbeitsstunden nicht, diese Möglichkeit gebe es nur für den Fall der „geplanten“ Überstunden nach Alt. 2, wenn der Schichtplan bereits mehr Stunden vorsehe als der Arbeitnehmer wöchentlich schulde. Alt. 1 habe nicht zum Ziel, Arbeitszeit kostenneutral zu flexibilisieren. Ziel ist es, dass Arbeitnehmern im Schichtdienst neben der Schichtzulage auch Überstundenzuschläge gezahlt werden, da diese Arbeitnehmer durch eine ungeplante Verlängerung ihrer ohnehin schon unregelmäßigen Arbeitszeit einer doppelten Belastung unterlägen, die der Belastung bei kurzfristigen geplanten Überstunden nicht gleichzusetzen sind. Teilzeitbeschäftigte sind von den nach § 7 VIII TVöD-K entstehenden Überstundenzuschlägen bei bloßem Überschreiten ihrer Teilzeitquote nicht ausgeschlossen, da sie gegenüber Vollzeitbeschäftigten nicht diskriminiert werden dürfen. Der Überstundenzuschlag solle allein belohnen, dass ein Arbeitnehmer ohne Freizeitausgleich mehr als vertraglich vereinbart arbeite und dadurch planwidrig die Möglichkeit einbüße, über seine Zeit frei zu verfügen. Teilzeitbeschäftigte sind daher aus Gleichbehandlungsgründen bereits dann zu bezahlen, wenn diese die erste über ihre individuelle Arbeitszeit hinausgehende Überstunde leisteten.
Was heißt das für Sie?
Sofern Ihr Arbeitgeber die Überstundenzuschläge erst bei Überschreiten der Arbeitszeit von Vollbeschäftigten bezahlen will, können Sie mit dieser Entscheidung in Zukunft als Teilzeitbeschäftigte ab der ersten Arbeitsstunde, die über Ihre individuelle Arbeitszeit hinausgeht, Überstundenzuschläge in einem vergleichbaren Fall geltend machen.
Was war passiert?
Die Klägerin begehrt die Eingruppierung in die EG 13 da sie Diplom-Psychologin ist und fordert die sich daraus ergebenden Entgeltansprüche.
Die Beklagte war als Diplom-Psychologin eingestellt worden. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestimmt sich sowohl aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung als auch beiderseitiger Tarifbindung (§§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 S. 1 TVG) nach dem DRK-Reformtarifvertrag (im Folgenden: DRK-RTV). Die beklagte Arbeitgeberin lehnte diese Eingruppierung und die darauf gestützten Entgeltansprüche ab. Die Klägerin klagte daraufhin.
Wie entschied das Gericht?
Das LAG Rheinland-Pfalz hielt mit Urteil vom 2. März 2017 (7 Sa 410/16) fest, dass die Klägerin in der Entgeltgruppe eingruppiert ist, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihr nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht (sogenannte Tarifautomatik). Das ist dann der Fall, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen. Für die Eingruppierung der Klägerin ist somit die Tätigkeit der Klägerin maßgeblich und nicht die Einschätzung der Parteien.
Die Klägerin sei nicht in der Entgeltgruppe 13 der Anlage 6 a zum DRK-RTV einzugruppieren, da sie nicht die Voraussetzungen der allein in Betracht kommenden Ziffer 4 dieser Entgeltgruppe „Diplom-Psychologen mit entsprechender Tätigkeit. [… ]“ erfülle.
Im Eingruppierungsprozess hat der Arbeitnehmer die Tatsachen darzulegen, aus denen das Gericht die Bestimmung von Arbeitsvorgängen vornehmen kann. Der Arbeitnehmer hat darzulegen, welche Arbeitsergebnisse zu erarbeiten sind und wie die einzelnen Aufgaben ausgeführt werden, welche Zusammenhangstätigkeiten gegeben sind, welche Verwaltungsübungen zur Zusammenfassung bestehen und wie die Zusammenarbeit und Aufgaben der einzelnen Bediensteten geregelt sind. Darzulegen ist des Weiteren, inwieweit die Aufgaben tatsächlich voneinander abgegrenzt werden können und ob sie auch jeweils für sich selbstständig zu bewerten sind. Schließlich muss die Zeit angegeben werden, die zur Erledigung eines Arbeitsvorgangs benötigt wird. Diese Voraussetzungen hat die Klägerin weder durch ihren Vortrag noch durch die Stellenbeschreibung erfüllt. Die Stellenbeschreibung dient lediglich der Dokumentation der Tätigkeit des Stelleninhabers. Als Grundlage für eine Tätigkeitsbeschreibung kommt sie allenfalls dann in Betracht, wenn sie die tatsächlich auszuübende Tätigkeit sowie die Gesamt- oder Teiltätigkeiten ausreichend wiedergibt (BAG, Urteil vom 24. August 2016 – 4 AZR 251/15 – NZA 2016, 1472, 1475 Rz. 30). Ohne entsprechende weitere Feststellungen kann aus der Stellenbeschreibung nicht zwingend der Arbeitsvorgang im tariflichen Sinn ermittelt werden. Die Stellenbeschreibung vermag also die notwendige rechtliche Bewertung zur Bestimmung von Arbeitsvorgängen entsprechend den tariflichen Vorgaben nicht zu ersetzen (BAG, Urteil vom 18. März 2015 – 4 AZR 59/13 – Rz. 20 m. w. N.).
Ungeachtet dessen hat die Klägerin eine Tätigkeit auszuüben, die ihrer konkreten wissenschaftlichen Hochschulausbildung als Diplom-Psychologin entspricht. Die für das Vorliegen des tariflichen Merkmals „mit entsprechender Tätigkeit“ darlegungs- und beweispflichtige Klägerin (ständige Rechtsprechung, BAG, Urteil vom 20. März 2013 – 4 AZR 486/11 – NZA-RR 2013, 582, 585 Rz. 36; vom 18. April 2012 – 4 AZR 441/10 – Rz. 24 m. w. N.) hat all diejenigen Tatsachen vorzutragen, die für den Schluss auf das Vorliegen der beanspruchten Tätigkeitsmerkmale erforderlich sind. Ob eine Mitarbeiterin eine ihrer Ausbildung entsprechende Tätigkeit ausübt, ist nur feststellbar, wenn im Einzelnen dargelegt ist, welche Kenntnisse und Fertigkeiten ihr die Ausbildung vermittelt hat und aus welchen Gründen sie ihre Aufgabe ohne diese Kenntnisse und Fertigkeiten nicht ordnungsgemäß erledigen könnte. Die erworbenen Kenntnisse dürfen nicht bloß nützlich und erwünscht sein, sondern sie müssen notwendig sein, um die auszuübende Tätigkeit ordnungsgemäß erledigen zu können (ständige Rechtsprechung, BAG, Urteil vom 14. September 2016 – 4 AZR 964/13 – BeckRS 2016, 115176 Rz. 16, 20; vom 20. März 2013 – 4 AZR 486/11 – NZA-RR 2013, 582, 585 Rz. 37; vom 18. April 2012 – 4 AZR 441/10 – Rz. 24, jeweils m. w. N.). Das Wort „entsprechend“, mit dem die Tarifvertragsparteien den Kenntnisstand des Angestellten mit der ihm übertragenen Tätigkeit in ein funktionales Verhältnis stellen, verbietet es, aus der fachlichen Qualifikation des Angestellten auf die Ausübung einer entsprechenden Tätigkeit zu schließen (BAG, Urteil vom 5. November 2003 – 4 AZR 632/02 – NZA-RR 2004, 442, 445).
Reichte der Abschluss als Diplom-Psychologe/Diplom-Psychologin aus, um in der Entgeltgruppe 13 Ziffer 4 eingruppiert zu sein, wäre der Zusatz „mit entsprechender Tätigkeit“ überflüssig. Es ist jedoch nicht anzunehmen, dass die Tarifvertragsparteien ein Tätigkeitsmerkmal mit Begriffen ausgestalten, denen keine rechtliche Bedeutung zukommt (vgl. BAG, Urteil vom 5. November 2003 – 4 AZR 632/02 – NZA-RR 2004, 442, 445). Der mit „der entsprechenden Tätigkeit“ geforderte psychologische Zuschnitt der Tätigkeit ist deshalb nur gegeben, wenn die arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit zwingend verlangt, dass der Angestellte sein psychologisches Wissen einsetzt. Die Klägerin hat nicht diejenigen Tatsachen vorgetragen und bewiesen, aus denen der rechtliche Schluss möglich ist, die Fachkenntnisse des wissenschaftlichen Hochschulabschlusses als Diplom-Psychologin seien für die Tätigkeit erforderlich. Sie hat nicht in ausreichendem Maß dargelegt, welche Fertigkeiten und Kenntnisse sie in ihrem wissenschaftlichen Hochschulstudium erworben hat und dass gerade diese für die ihr übertragene Tätigkeit im beschriebenen Sinn erforderlich sind. Die bloße Behauptung, eine bestimmte Ausbildung sei für die auszuübenden Tätigkeiten erforderlich, genügt nicht. Es kommt nicht auf die seitens der Klägerin eingebrachten (gegebenenfalls für den Arbeitgeber auch nützlichen) Fähigkeiten an, sondern darauf, inwieweit sie dieser für die übertragene Tätigkeit tatsächlich bedarf.
Was heißt das für Sie?
Das Urteil arbeitet hervorragend heraus, welchen Vortrag Sie im Falle einer Eingruppierungsklage auf jeden Fall bringen müssen und nimmt klar Bezug, was unter dem tariflichen Merkmal „mit entsprechender Tätigkeit“ zu verstehen sowie vorzutragen und zu beweisen ist. Dies ist insbesondere für diejenigen relevant, die eine Lehrtätigkeit zum Beispiel mit einem Medizinpädagogikabschluss ausüben. Hier ist klar vorzutragen, welche Fertigkeiten und Kenntnisse Sie in Ihrem wissenschaftlichen Hochschulstudium erworben haben und dass gerade diese für die übertragene Tätigkeit im beschriebenen Sinn erforderlich sind. Dies dürfte, anders als im obigen Fall, bei der Lehrtätigkeit an MTA-Schulen als Medizinpädagoge gelingen.
Gerne unterstützt Sie die Rechtsabteilung bei Ihrem Vortrag.
Entnommen aus MTA Dialog 9/2017
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