Zukunft der Veterinärmedizinischen ­Technologen in Deutschland

Marc Hoferer
Deutschlandkarte
© ImagineWorld/aleciccotelli/stock.adobe.com/CVUA Freiburg
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Wir befinden uns im Jahre 2024 n. Chr. In ganz Deutschland gibt es keine Ausbildungsstellen mehr für die Veterinärmedizinische Technologie ... In ganz Deutschland? Nein! Eine von unbeugsamen Baden-Württembergern geleitete Schule in Freiburg hört nicht auf, dem Verschwinden dieses wichtigen Berufes Widerstand zu leisten. Im Folgenden wird die Situation der Veterinärmedizinischen Technologie aus der Sicht einer der zwei letzten in Deutschland verbliebenen Schulen beschrieben.

Unsere ehemalige Staatliche Lehranstalt für Veterinärmedizinisch-technische Assistenten in Freiburg wurde bereits 1952 gegründet und hat somit eine sehr lange Tradition. Damals wurde die Schule durch den bestehenden Fachkräftemangel nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet und hat seine ursprüngliche Notwendigkeit bis heute nicht verloren, sodass hier mittlerweile über 800 VMTA ausgebildet werden konnten. Das Schulteam besteht seit dieser Zeit aus gerade einmal drei Personen, die für Planung, Management, Koordination und den praktischen Unterricht verantwortlich sind. Der theoretische Unterricht wird neben dem eigentlichen Schulteam durch über 20 Fachspezialisten sichergestellt (unter anderem VMTA, Tierärzte, Lebensmittelchemiker, Biologen), die uns als hausinterne und externe Dozenten zur Verfügung stehen.

Notwendige Kompetenzen

Neben den zahlreichen mit dem MTL-Beruf vergleichbaren Kompetenzen werden unseren Auszubildenden auch weitere Kompetenzen zur Untersuchung tierischer Lebensmittel vermittelt, die unter anderem in den Chemischen- und Veterinäruntersuchungsämtern aller Bundesländer benötigt werden.

Als im August 2020 die ersten Referentenentwürfe zum MTA-Reformgesetz zur Stellungnahme auf dem Tisch lagen, wurde plötzlich klar, dass die Finanzierung der zukünftigen Berufsausbildungen für die Medizinische-Technologie-Berufe lediglich für die drei human­medizinischen Berufsgruppen im Vorfeld geklärt und dort zumindest teilweise gesichert wurde:

Die praktische Ausbildung der Medizinischen Technologinnen und Technologen in den humanmedizinischen Fachrichtungen wird wie bisher die Ausbildung nach dem MTA-Gesetz über die Ausgleichsfonds nach § 17a des Krankenhausfinanzierungsgesetzes finanziert. Für die gesetzliche Krankenversicherung entstehen durch die Erhöhung des Praxisanteils der Ausbildungen nach diesem Gesetz gegenüber den Ausbildungen nach dem MTA-Gesetz ab dem ersten Jahr der vollen Wirksamkeit des Gesetzes jährliche Mehrausgaben in Höhe von rund 1,5 Millionen Euro.

Zur Gegenfinanzierung der Ausbildung hinsichtlich Ausbildungsvergütung und Personalqualifikation im veterinärmedizinischen Bereich war leider nur folgender Satz zu finden (siehe Teil B des ­MTA-Reform-Gesetzes [Besonderer Teil/Begründung zu § 74]): „Ausbildungen zur Veterinärmedizinischen Technologin und zum Veterinärmedizinischen Technologen sind von dieser Finanzierungsregelung nicht umfasst.“

Dies stellte alle noch bestehenden Ausbildungsschulen für diese Berufsgruppe in Deutschland vor große Herausforderungen. Durch intensiven Austausch zwischen den veterinärmedizinischen Ausbildungsstellen in Deutschland wurde zunächst versucht, Lösungsmöglichkeiten zu finden und das Gesetz entsprechend ändern zu lassen, was aber letztendlich nicht zum Erfolg führte. Für einige Schulen mit zum Teil langer Tradition bedeutete dies das Aus, sodass momentan nur noch zwei Ausbildungsschulen in ganz Deutschland übrig geblieben sind.

In Baden-Württemberg fanden in der Folge erste Sondierungs­gespräche mit dem zuständigen Ministerium, den Regierungspräsidien sowie den Untersuchungsämtern statt, um auszuloten, ob und wie wir die Herausforderung bewältigen können. Noch im Jahr 2020 fiel dann die Entscheidung, trotz der schwierigen Situation an der Ausbildung festzuhalten und alle Hebel im Land in Bewegung zu setzen, damit die geforderten Voraussetzungen erfüllt werden können. Die Ausbildungsvergütung für eine begrenzte Zahl an Auszubildenden seitens des Landes wurde ebenfalls zugesagt.

Gleichzeitig liefen erste Überlegungen, die Ausbildung im Zuge der bevorstehenden Änderungen zu einer dualen Ausbildung in Kooperation mit den Untersuchungsämtern an mehreren Standorten in Baden-Württemberg umzubauen, um auch in diesen Häusern Nachwuchskräfte für die Zukunft auszubilden.

Seit 2021 bis heute gab und gibt es regelmäßige Besprechungen mit allen politischen und fachlichen Ebenen (Ministerium, Regierungspräsidien, Untersuchungsämter), um die neue Ausbildung so gut wie möglich vorzubereiten und weiterzuentwickeln. In den ­Jahren 2021 und 2022 hatten wir dann das Glück, bei der Erarbeitung der Rahmenlehr- und Ausbildungspläne als Mitglieder der nationalen Lehrplankommission teilnehmen zu können. Vor allem mit den ­Kolleginnen und Kollegen aus dem MTL-Bereich bestand ein sehr guter Austausch mit vielen fachlichen, didaktischen und pädagogischen Impulsen, der bis heute anhält.

Unsere Praxisanleitenden Personen konnten rechtzeitig bis zum 31. Dezember 2022 in den kooperierenden Untersuchungsämtern benannt werden. Allerdings wurde hierbei offensichtlich, dass das MTA-Reform-Gesetz in der jetzigen Form den Einsatz von MTL als ­Praxisanleitungen für die Ausbildung von Veterinärmedizinischen Technologen (und vice versa) nicht zulässt, was im Hinblick auf die Ausnahmeregelung von § 6 (3) des MTA-Reformgesetzes (Ausnahmen von den vorbehaltenen Tätigkeiten) überhaupt nicht nachvollziehbar ist. Dies muss dringend geändert werden, wenn man den veterinärmedizinischen Berufszweig zukünftig noch erhalten möchte! Da momentan nur noch wenige VMTA in den Untersuchungsämtern und anderen Laboratorien zu finden sind, hätten Institutionen ohne diese Berufsgruppe als Praxisanleitung auch zukünftig keine Chance mehr, wieder in die Ausbildung einzusteigen.

In den Jahren 2022 und 2023 gelang es unserem kleinen Team, die notwendigen Anpassungen und Ergänzungen des Mustercurriculums MTL an die Anforderungen der Veterinärmedizin und Lebensmitteluntersuchung umzusetzen und das MTV-Curriculum Baden-Württemberg seitdem stets weiterzuentwickeln. Auch viele bis dahin noch nicht im Land vorliegende Dokumente wie Arbeitsverträge, Kooperationsvereinbarungen und Ausbildungspläne konnten in kurzer Zeit erstellt werden.

Im Sommer 2024 haben wir die letzte VMTA-Prüfung nach der alten APrV durchgeführt und begannen Anfang September 2024 mit der Ausbildung für Veterinärmedizinische Technologie, in der nun erstmals Auszubildende aus drei verschiedenen Standorten zusammenkommen.

Falls wir im Jahr 2025 die dringend benötigte personelle Unterstützung bekommen, soll in Freiburg ab September 2025 ein zweiter Kurs parallel ausgebildet werden. Durch die Bereitstellung von Tablets für all unsere Azubis, unsere neue Ausbildungsplattform, die Mischung von Präsenz- und Onlineunterricht sowie die Einführung eines digitalen Berichtshefts treiben wir die Digitalisierung der Ausbildung weiter voran.

Um die Fortbildungen für die Praxisanleiterinnen und Praxisanleiter noch besser auf die Ausbildung der Veterinärmedizinischen Technologen zuschneiden zu können, möchten wir zukünftig in Zusammenarbeit mit der Pädagogischen Hochschule ein eigenes Konzept erarbeiten.

Unser dringendster Wunsch an Politik und Verband

Um das Überleben der Ausbildung für die Veterinärmedizinische Technologie auch für die Zukunft zu sichern, muss es möglich sein, dass in der praktischen Ausbildung auch Medizinische Technologinnen und Technologen für Laboratoriumsdiagnostik als Praxisanleitung eingesetzt werden können. Momentan stehen auf dem Arbeitsmarkt nur noch wenige VMTA/MTV zur Verfügung, sodass Institutionen ohne diese Berufsgruppe zukünftig keine Chance mehr hätten, wieder in die MTV-Ausbildung einzusteigen. Das MTA-Reformgesetz muss deshalb an dieser Stelle unbedingt geändert werden.

 


DR. MARC HOFERER

Fachtierarzt für Mikrobiologie
Leiter Ausbildungszentrum Veterinär­medizinische Technologie
Chemisches und Veterinärunter­suchungsamt (CVUA) Freiburg
Kontakt: marc.hoferer@cvuafr.bwl.de


 

Resümee

Warum wir das MTA-Reformgesetz trotz aller Herausforderungen als sinnvoll und notwendig erachten:

• Die Überarbeitung des alten MTAG und der damit verbundenen Ausbildungsinhalte war längst überfällig. Sowohl die deutlich stärkere Gewichtung von Kompetenzen und weniger von theoretischem Fachwissen als auch die zusätzlichen Kompetenzbereiche werden von vielen unserer Kollegen als sinnvoll und praxisnah empfunden.

• Durch die Ausbildungsvergütung gewinnt die Ausbildung deutlich an Attraktivität auf dem Ausbildungsmarkt

• Durch die duale Ausbildung und Kooperation mit mehreren Untersuchungsämtern in Baden-Württemberg wurde die Chance eröffnet, auch an anderen Standorten gutes Fachpersonal für die Zukunft auszubilden.

• Die deutlich stärkere Forderung und Förderung von didaktischen und pädagogischen Kompetenzen seitens des Ausbildungspersonals wertet die Ausbildung auf.

Was haben wir schon erreicht

• Die Ausbildungsvergütung ist zumindest für eine begrenzte Zahl an Auszubildenden für die nächsten Jahre sichergestellt.

• Die bisherige Ausbildung an einem Standort wurde in eine duale Ausbildung umgebaut und Kooperationen mit mehreren Untersuchungsämtern in Baden-Württemberg organisiert.

• Durch die gute und enge Zusammenarbeit mit unserem Ministerium, unseren Regierungspräsidien sowie den Dienststellenleitunge und Verwaltungen der kooperierenden Untersuchungsämter konnten in kurzer Zeit alle formalen Voraussetzungen für die neue Ausbildung geschaffen werden.

• Das für die Veterinärmedizin spezifische MTV-Curriculum ist trotz unseres kleinen Teams mit seinen begrenzten Zeit- und Personalressourcen rechtzeitig fertig geworden.

• Die Etablierung einer geeigneten Lehr- und Lernplattform für die Ausbildung an verschiedenen Standorten ist abgeschlossen.

• Im Rahmen eines gemeinsamen Workshops von Untersuchungsämtern und Ausbildungszentrum konnte Klarheit bezüglich der zukünftigen Aufgaben der Praxisanleiter gebracht werden.

Zukünftige Herausforderungen

→ Es muss zukünftig möglich sein, auch MTL als Praxisanleiter für die MTV-Ausbildung einzusetzen!

→ Die Finanzierung der Praxisanleiter Aus- und Fortbildungen muss sichergestellt werden.

→ In Zusammenarbeit mit der pädagogischen Hochschule soll für die Praxisanleiter Aus- und Fortbildung ein eigenes Konzept mit veterinärmedizinischem Fokus erarbeitet werden.

→ Es muss geklärt werden, wie der zusätzliche zeitliche Aufwand der Praxisanleiter für ihre neue Aufgabe, aber auch für die dafür notwendigen Aus- und Fortbildungen kompensiert werden kann.

→ Für die Anforderungen an die zukünftigen hauptberuflichen Lehrkräfte muss ein realistischer Weg sowie eine Finanzierungsmöglichkeit zum Beispiel im Rahmen eines berufsbegleitenden Stipendiums gefunden werden.

→ Ein digitales Berichtsheft soll in den nächsten Wochen etabliert werden.

→ Durch die geänderte Ausbildung und neue Zuständigkeiten ist dringend zusätzliches Personal im Bereich des Ausbildungszentrums notwendig. Ohne dieses wäre das neue Ausbildungskonzept auf Dauer nicht durchführbar.

→ Es sollen Möglichkeiten gefunden werden, die neuen Aufgabe der Praxisanleiter auch finanziell zu berücksichtigen.

→ Durch die duale Ausbildung müssen dringend planbare und verlässliche Wohnunterkünfte für unsere Azubis gefunden werden.

→ Die Digitalisierung unter Einbindung der Hard- und Softwaresysteme verschiedener Häuser muss noch optimiert werden.

→ Weitere Workshops von Untersuchungsämtern und Ausbildungszentrum zum Beispiel zu den Themen Kompetenzvermittlung, elektronisches Berichtsheft und Leistungsbeurteilung sind geplant.


 

Entnommen aus MT im Dialog 11/2024

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