Zehn Jahre „Zentrum für Seltene Erkrankungen Nordbayern“
In Bayern leiden rund 600.000 Menschen an Seltenen Erkrankungen. Für Nordbayern ist das „Zentrum für Seltene Erkrankungen“ am Universitätsklinikum Würzburg (UKW) die überregionale Anlaufstelle für viele Patienten. Neben der Versorgung der betroffenen Patienten steht dabei auch die Forschung im Mittelpunkt. Am 29. Februar, dem offiziellen Tag der Seltenen Erkrankungen, feiert die Einrichtung am Universitätsklinikum Würzburg ihr zehnjähriges Bestehen.
Eine Erkrankung, von der nicht mehr als fünf von 10.000 Menschen betroffen sind, gilt als selten. Bislang sind etwa 8.000 verschiedene Seltene Erkrankungen bekannt – Tendenz steigend. „Es kommen jährlich etwa 200 neue Krankheitsbilder dazu. Das zeigt, wie relevant solche Zentren sind. Sie sind nicht nur eine wichtige Anlaufstelle für Patientinnen und Patienten, die oft lange nach einer passenden Behandlung suchen, sondern sie sind untereinander vernetzt und koordinieren Forschungsprojekte“, erklärt Prof. Dr. Helge Hebestreit, Direktor des Zentrums an der Würzburger Uniklinik und stellvertretender Direktor der Kinderklinik am UKW. An der Würzburger Uniklinik werden jährlich mehr als 9.000 Patienten mit einer Seltenen Erkrankung stationär behandelt.
Enger Austausch mit Patientenorganisationen
Mit einer Podiumsdiskussion und Fachvorträgen feiert das Zentrum das zehnjährige Bestehen am 29. Februar. Dann wird das Gebäude des Zentrums wieder bunt beleuchtet. „Und wir wollen noch weitere Gebäude in Würzburg anstrahlen, um auf das Thema aufmerksam zu machen“, so Hebestreit. An dem Tag wird auch Eva Luise Köhler das Universitätsklinikum Würzburg besuchen. Die Ehefrau des ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler ist Schirmherrin der „Allianz chronischer Seltene Erkrankungen“ (ACHSE). Die ACHSE ist das bundesweite Netzwerk von und für Menschen mit chronischen Seltenen Erkrankungen, deren Angehörige sowie dem Dachverband von mehr als 130 Patientenorganisationen. „Die enge Zusammenarbeit mit den Erkrankten und der Selbsthilfe ist gerade auch hier in Würzburg enorm ausgeprägt. Es gibt zum Beispiel den Würzburger Arbeitskreis für Seltene Erkrankungen (WAKSE), der auch durch das Aktivbüro der Stadt unterstützt wird“, erklärt Hebestreit.
Starke Vernetzung der Universitätsmedizin in Bayern
Ebenso wichtig sei aber auch die Vernetzung innerhalb der Universitätsmedizin. So koordiniert Prof. Hebestreit mit seinem Team zum Beispiel auch das BASE-Netz in Bayern (Bayerischer Arbeitskreis für Seltene Erkrankungen). Das BASE-Netz ist ein Zusammenschluss der Zentren für seltene Erkrankungen der sechs bayerischen Unikliniken in Würzburg, Regensburg, Erlangen, München (TU und LMU) und Augsburg.
In diesem Netzwerk werden bayernweit Kompetenzen gebündelt und datenschutzkonform eine Patientenakte zusammengestellt, die von behandelnden Fachärzten in den Zentren genutzt werden kann. „Das hat sicher Vorbildcharakter für das Gesundheitswesen, denn gerade bei einer Seltenen Erkrankung ist es wichtig, dass alle Daten für die behandelnden Mediziner schnell verfügbar sind“, betont Hebestreit. Das BASE-Netz wird durch das Wissenschaftsministerium des Freistaates Bayern gefördert.
Versorgung während verschiedener Altersphasen
Eine große Herausforderung in der Versorgung sieht der Würzburger Medizinexperte aktuell vor allem darin, eine altersgruppenübergreifende Versorgung für die Patientinnen und Patienten sicherzustellen. „Aktuell sind circa 60 Prozent der Patienten im Erwachsenenalter. Allerdings gibt es große Probleme, wenn aus Kindern beziehungsweise jugendlichen Patienten Erwachsene werden und sich dann alle Ansprechpartner ändern oder gar keine Erwachsenenversorgung existiert. In den universitären Zentren gibt es zwar eine große personelle Kontinuität in der Versorgung, aber wenn anstelle des langjährigen Teams in der Kinderklinik dann im Erwachsenenalter ein neuer Arzt mit einem ganz anderen multiprofessionellen Team die Betreuung übernimmt, kann dies eine große Herausforderung sein. Gerade bei Seltenen Erkrankungen ist aber eine Kontinuität wichtig in der Behandlung. Hier müssen neben der klassischen Transition neue Versorgungskonzepte entwickelt werden“, so Hebestreit.
Quelle: idw/UKW
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