Bis Ende 2017 wurden 186 neue Wirkstoffe in 277 Verfahren durch den G-BA auf einen Zusatznutzen hin geprüft. Davon waren 57 Prozent neue Wirkstoffe zur Behandlung von Krebserkrankungen – ein Wert, der den Aufwärtstrend der vergangenen Jahre im Bereich der Krebsmedikamente fortsetzt. Insgesamt bei zwei Drittel davon konnte ein konkreter Zusatznutzen auch festgestellt werden. Allerdings kritisieren die Forscher der Universität Bielefeld, die den Report erstellt haben, dass sich der Zusatznutzen bei vielen Medikamenten nur schwer ermitteln lasse – hier gebe es häufig nur unzureichende Daten vonseiten der Pharmahersteller.
"Neue Wirkstoffe sind unabdingbar für die Verbesserung der medizinischen Versorgung. Doch nicht jedes neue Medikament hält auch, was es verspricht", kritisiert Andreas Storm, Vorstandsvorsitzender der DAK-Gesundheit. "Aus diesem Grund ist es besonders wichtig, dass die Pharmahersteller alle nötigen Informationen zur Verfügung stellen. Insbesondere mehr und belastbarere Daten zur Lebensqualität wünschen wir uns."
Oftmals mache eine fehlerhafte Datengrundlage eine umfassende Nutzenbewertung unmöglich, heißt es von der DAK-Gesundheit. Bei 41 Prozent der Fälle habe die schlechte Daten- oder Studiengrundlage den G-BA dazu bewogen, ein negatives Urteil zu fällen – nicht etwa ein widerlegter potenzieller Zusatznutzen. Bei knapp 40 Prozent lagen zwar Studiendaten der Pharmahersteller vor – um einen Zusatznutzen nachzuweisen, seien die laut G-BA aber leider nicht ausreichend gewesen. Häufig fehlen vor allem Daten zur Lebensqualität, die bei der Bewertung von Krebsmedikamenten aus Patientensicht besonders wichtig sind.
Reformbedarf bei der Preisbildung und dem Arztinformationssystem
Der AMNOG-Report geht auch auf einen Reformbedarf im Preisbildungsverfahren ein. Bei Krebsmedikamenten werde besonders die Problematik des Mischpreises deutlich – hier schwanken die Zusatznutzen für einzelne Krebsindikationen besonders drastisch. Während von einzelnen Wirkstoffen sehr viele Patienten profitieren können, ist es bei anderen nur eine sehr begrenzte Anzahl. Für fast ein Drittel aller bewerteten Wirkstoffe musste daher ein Mischpreis vereinbart werden. Hier gebe es noch großen Klärungs- und Anpassungsbedarf: „Der Mischpreis in der gegenwärtigen Verfahrenspraxis ist eine Behelfs- beziehungsweise Kompromisslösung aufgrund einer fehlenden gesetzlichen Systematik“, erklärt Prof. Dr. Wolfgang Greiner, Gesundheitsökonom an der Universität Bielefeld und Autor des AMNOG-Reports. „Eine zeitnahe Lösung der Mischpreisproblematik ist auch deshalb erforderlich, weil knapp 57 Prozent aller verordneten neuen Arzneimittel einen solchen Mischpreis haben und damit potenziell zur Disposition stehen. Eine Weiterentwicklung des ‚klassischen‘ Mischpreises über Preis-Mengen-Vereinbarungen könnte hier eine vergleichsweise einfache und transaktionskostenarme Lösung sein.“
Auch beim Arztinformationssystem sehen die Forscher Handlungsbedarf. Analysen des AMNOG-Reportes zeigen, dass ein Arzt im Durchschnitt knapp vier verschiedene neue Arzneimittel innerhalb eines Jahres verschreibt. Bei Fachärzten sind es im Durchschnitt sogar weniger als drei. „Wir wollen die Versorgung der Patienten verbessern. Das aber geht nur, wenn die Ärzte auch alle nötigen Informationen bekommen, die sie für eine Therapieentscheidung brauchen“, erklärt Andreas Storm. „Das Arztinformationssystem muss deshalb genau das tun, was es im Namen trägt: den Arzt informieren – gezielt und objektiv.“
Quelle: DAK-Gesundheit (6.6.2018)
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