Wie kommunizieren Blutgefäße?

Lassen sich Erkrankungen aktiv beeinflussen?
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Blutgefäße
© Design Cells/stock.adobe.com
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Ein Forschungsteam hat einen neuen Signalweg entdeckt, mit dessen Hilfe Nervenzellen im zentralen Nervensystem mit Blutgefäßen kommunizieren.

Veraltet ist die Vorstellung, wonach Blutgefäße schlicht Röhren gleichen, die „nur“ Sauerstoff und Nährstoffe transportieren. Vielmehr sind sie Teil eines umfangreichen Signalnetzwerks im Gewebe und zwischen Organen. Die Marburger Forschenden um Julian Malchow und Prof. Dr. Christian Helker vom Fachbereich Biologie der Philipps-Universität Marburg haben nun im Tierversuch einen neuen Signalweg entdeckt, mit dessen Hilfe Nervenzellen im zentralen Nervensystem mit Blutgefäßen kommunizieren. Diese Kommunikation sei entscheidend für gesundes Gewebe- und Organwachstum. Die Ergebnisse seien auch außerhalb des zentralen Nervensystems interessant für Therapien – nach Herzinfarkten oder bei Krebserkrankungen –, bei denen aufzubauende oder zu eliminierende Gefäße entscheidend sind. „Die Forschung zeigt, dass Zellen nicht isoliert voneinander zu betrachten sind, sondern in komplexen Netzwerken im Gewebe miteinander kommunizieren. In diesem Fall wird das Wachstum von Blutgefäßen entscheidend von der Kommunikation mit den Nervenzellen geprägt“, erläutert Prof. Dr. Gert Bange, Vizepräsident für Forschung der Uni Marburg.

Forschung an Larven des Zebrafischs

Die Wissenschaftler/-innen haben in ihren Experimenten insbesondere untersucht, wie Nervenzellen den Signalstoff Apelin produzieren, der das Wachstum von Blutgefäßen steuert. Die Gefäße sprießen aus und wandern dann Richtung Nervenzelle. Damit das gelingt, verfügen die Gefäßzellen über bestimmte Rezeptoren auf ihrer Zellmembran. Diese für Apelin spezifischen Rezeptoren gehören in eine große Rezeptorenklasse namens G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (GPCR), die zur erfolgreichsten Klasse medikamentöser Ziele im menschlichen Genom zählen und in der Medizinforschung gut bekannt sind. Als Modellsystem betrachten die Forschenden Larven des Zebrafischs. „Die eignen sich gut für die Forschung an Organen und Zellen, da sich die Organe schnell entwickeln und viele Entwicklungsschritte dem Menschen ähnlich, wenn nicht gar identisch sind“, sagt Christian Helker.

Beobachtung unter dem Laserscanning-Mikroskop

Unter dem Laserscanning-Mikroskop können die Forschenden das Wachstum von Gefäßen ins sogenannte Neuralrohr (das sich zum Zentralen Nervensystem entwickelt) detailliert beobachten. „Wir sehen live, wie die Signale in den Zellen eingeschaltet werden und die Zelle auf das Signal reagiert“, sagt Helker. Dazu müssen die Forschenden bestimmte Bestandteile in den Zellen genetisch und farblich markieren. Sie sprechen von sogenannten Biosensoren, die dann rot, grün oder gelb aufleuchten, wann immer ein Signalweg in der Zelle angeschaltet wird. „Wir können am Monitor verfolgen, wie die Gefäße in das Neuralrohr einwandern und welche Signalwege dafür erforderlich sind“, erläutert Helker. Mit gentechnischen Methoden können die Biologen die Signalwege manipulieren. Ist beispielsweise ein Rezeptor defekt oder blockiert, so kommt das Wachstum ins Stocken. „Wenn ein Schritt fehlt, geht alles schief“, kommentiert Helker.

Lassen sich Erkrankungen aktiv beeinflussen?

Für die therapeutische Anwendung bedeutet dies, dass sich über das Verständnis der Signalwege des Gefäß-Organ-Wachstums Erkrankungen womöglich beeinflussen lassen. Ist Gewebe etwa nach einem Herzinfarkt geschädigt, so könnte medikamentös der Neuaufbau unterstützt werden. Im sogenannten Tissue Engineering, bei dem Ersatzgewebe oder -organe im Labor gezüchtet werden, wäre das Einleiten und Steuern von Gefäßwachstum ein wichtiger Schritt nach vorn. Andererseits ist es bei der Tumortherapie wünschenswert, die Gefäßbildung zum Tumor zu stören, etwa indem Signalkaskaden unterbunden werden. „Das grundlegende Verständnis der Kommunikation zwischen Gefäßen und Organen gibt uns viele Ansatzpunkte und Ideen für therapeutische Interventionen“, erklärt Helker.

Literatur:
Malchow J, Eberlein J, Li W, Hogan BM, Okuda KS, Helker CSM: Neural progenitor–derived Apelin controls tip cell behavior and vascular patterning. Science Advances, 5 Jul 2024, Vol 10, Issue 27, DOI: 10.1126/sciadv.adk1174.

Quelle: idw/Uni Marburg

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