Das Thema Antibiotikaresistenzen nimmt weltweit an Bedeutung zu. Es wird geschätzt, dass etwa 1,3 Millionen Todesfälle pro Jahr weltweit direkt auf antimikrobielle Resistenz zurückzuführen sind, in Deutschland sollen es laut RKI bis zu 9.700 Todesfälle sein. Entsprechend veröffentlichte die WHO Anfang des Jahres eine Liste mit zwölf der weltweit gefährlichsten Krankheitserreger, die gegen eine Vielzahl von Antibiotika resistent sind. Darunter befindet sich auch das Bakterium Pseudomonas aeruginosa. Es ruft lebensbedrohliche Lungenentzündungen hervor und ist besonders in Krankenhäusern als nosokomialer Keim gefürchtet. Vor allem Menschen mit einem geschwächten Immunsystem sind gefährdet. Bei Patientinnen und Patienten, die künstlich beatmet werden, verlaufen Infektionen mit diesem Keim oftmals tödlich. Die Sterblichkeitsrate beträgt bis zu 50 Prozent.
Pseudomas durchbricht Zellschicht
Die Erreger haben vielfältige Strategien entwickelt, um die Lunge und den Körper zu infizieren. Forschende um Prof. Dr. Urs Jenal vom Biozentrum der Universität Basel haben nun mithilfe von Mini-Lungen, welche sie im Labor aus menschlichen Stammzellen entwickelt haben, neue Erkenntnisse über das Infektionsgeschehen gewonnen. Sie beschreiben, wie es Pseudomonas gelingt, die oberste Schicht des Lungengewebes zu durchbrechen und in tieferliegende Bereiche vorzudringen. Die Arbeit entstand im Rahmen des Nationalen Forschungsschwerpunktes NCCR „AntiResist“. Unsere Lungen sind mit einer dünnen, dicht gepackten Zellschicht ausgekleidet, welche das tieferliegende Lungengewebe schützt. Zudem ist dieses Gewebe von Schleim bedeckt, welcher Fremdstoffe wie Mikroorganismen abfängt und der durch spezialisierte Zellen aus den Atemwegen entfernt wird. Für eindringende Keime ist diese Zellschicht deshalb eine nahezu undurchdringliche Barriere. Pseudomonas hat jedoch einen Weg gefunden diese zu überwinden. Wie dies dem Keim gelingt, war lange Zeit ein Rätsel.
Becherzellen als Trojanische Pferde
„Wir haben Mini-Lungen gezüchtet, die den Infektionsverlauf in Patientinnen und Patienten ziemlich realitätsnah abbilden“, erklärt Jenal. „So sind wir dem Erreger auf die Spur gekommen. Er nutzt die Becherzellen, die den Schleim produzieren, als Eintrittspforte, als Trojanische Pferde. Obwohl diese Becherzellen nur einen kleinen Teil der Lungenschleimhaut ausmachen, gelangen die Keime durch sie hinter die Abwehrlinie und öffnen die Tore.“ Mit einem ganzen Waffenarsenal, sogenannten Sekretionssystemen, dringen die Keime gezielt in die Becherzellen ein, vermehren sich dort und töten die Zellen schließlich. Weil die Zellen platzen, entsteht eine Lücke im Zellverband – die Barriere wird undicht. Diese Schwachstelle nutzen die Erreger sofort aus: Sie rücken in die Lücke vor und breiten sich in tiefere Gewebeschichten aus. Dort sind Bakterien nur schwer für Abwehrzellen oder Antibiotika zu erreichen.
Wie passen Erreger ihr Verhalten an?
Mithilfe der Mini-Lungen gelang es den Forschenden die raffinierte Taktik von Pseudomonas aufzuklären. Unklar ist allerdings, wie die Erreger ihr Verhalten im Verlauf der Infektion anpassen. Sie müssen beispielsweise erst mobil sein, sich bei Kontakt mit Zellen dann schnell festheften können und später ihr Waffenarsenal hochfahren. Man weiß, dass die Keime ihr Verhalten dank kleiner Signalmoleküle rasch ändern können. Bislang fehlten jedoch technische Hilfsmittel, um die genauen Zusammenhänge zu untersuchen. Jenals Team hat einen Sensor entwickelt, mit dem sie ein bestimmtes Signalmolekül namens c-di-GMP in einzelnen Bakterien messen und verfolgen können. „Dies ist ein technologischer Durchbruch“, so Jenal. „Jetzt können wir in Echtzeit und mit höchster Auflösung sehen, wie dieses Signalmolekül im Verlauf der Infektion reguliert wird und wie es die Virulenz des Erregers steuert. Wir können jetzt also beobachten, wann einzelne Erreger bestimmte Programme anschalten, sich zum Beispiel erst ans Gewebe festsetzen und es später angreifen. Mit der Methode können wir Lungeninfektionen noch genauer auf den Grund gehen.“
Modelle helfen bei der Suche nach Strategien zur Bekämpfung
„Dank der Mini-Lungen verstehen wir nun viel besser, wie sich die Krankheitserreger im Gewebe und vermutlich auch in Patientinnen und Patienten verhalten“, sagt Jenal. „Damit sind wir dem Ziel unseres Forschungsnetzwerks NCCRs AntiResist, Strategien zur Bekämpfung antibiotikaresistenter Keime zu finden, ein ganzes Stück nähergekommen.“ Mit diesen Lungenmodellen lasse sich auch die Wirkung von Antibiotika im Gewebe erforschen, etwa wo die Bakterien während der Behandlung überleben. Solche Organmodelle würden in Zukunft unverzichtbar sein, wenn es darum gehe, neue und effektive Strategien zur Bekämpfung von Krankheitserregern zu entwickeln, so die Forscher.
Quelle: Uni Basel
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