WHO wollte 2016 die Poliomyelitis besiegen

Weltpoliotag 2016
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Poliovirus
Poliovirus gemeinfrei, Wikimedia
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Mit dem Weltpoliotag, der Ende Oktober begangen wird, ehren Weltgesundheitsorganisation (WHO) und UNICEF (das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen) den US-Mediziner Jonas Salk (1914 – 1995). Er entwickelte 1955 den ersten Impfstoff gegen Polio (inaktivierte Vakzine, IPV).

Im Jahr 1988 startete die WHO ein globales Programm zur Eradikation der Poliomyelitis (GPEI). Maßgeblich finanziert wird es von Rotary International, der Bill & Melinda Gates Stiftung, den US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prevention (CDC) und einzelnen Staaten. Es handelt sich um eine Erfolgsstory. Denn durch die umfangreichen Impfungen mit den beiden zur Verfügung stehenden Impfstoffen (oraler Lebendimpfstoff [OPV] und IPV) konnte seither die Zahl der Poliofälle weltweit – ausgehend von etwa 350.000 Fällen – um über 99,9 % reduziert werden.

Vier von sechs WHO-Regionen poliofrei

Das Poliowildvirus (WPV) Typ 2 gilt seit September 2015 als ausgerottet, so das RKI. In den letzten zwei Jahren erreichte die Zahl der registrierten Erkrankungsfälle durch WPV Typ 1 denn auch ein historisches Tief: Im Jahr 2016 wurden laut RKI bisher nur 27 Fälle registriert (Stand: 14. Oktober 2016); 2015 seien es 74 Fälle gewesen. Eigentlich war es aber das erklärte Ziel der WHO, in diesem Jahr die endgültige Polioeradikation ausrufen zu können. Es gab einige ermutigende Zeichen. Beispielsweise erfolgte die Eindämmung von Ausbrüchen in Syrien, Irak und Somalia in den Jahren 2013/2014. Immerhin vier der insgesamt sechs WHO-Regionen sind inzwischen als poliofrei zertifiziert (Amerika, Westpazifik, Europa und Südostasien).

Rückschlag in Afrika durch islamistischen Terror

In Afrika gab es jedoch im Juli 2016 einen Rückschlag bei der Ausrottung der Polio. Während Nigeria zwischenzeitlich formal von der Liste der Endemieländer gestrichen werden konnte, traten zum ersten Mal seit über zwei Jahren in Nigeria erneut drei Fälle von Poliomyelitis auf. Noch vor 20 Jahren wurden dort allerdings über 1.000 Poliofälle pro Jahr registriert. Betroffen waren zuletzt Kinder aus dem krisengeplagten Nordosten des Landes, wo die Gesundheitsversorgung auf Grund der Kämpfe mit der islamistischen Terrororganisation Boko Haram komplett zusammengebrochen war. Die menschenverachtenden Islamisten wenden sich dort, wie auch in anderen Regionen, gegen (Polio)impfungen. Eine großangelegte Impfkampagne wurde angekündigt und soll gegensteuern: Rund um den Tschad-See sollen 41 Millionen Kinder geimpft werden. Dafür sind knapp 39.000 Helfer in Nigeria, Kamerun, Tschad und Niger unterwegs. Doch der Erfolg ist noch unsicher, da auch die Lage vor Ort nicht sicher einzuschätzen ist. Überfälle können nicht ausgeschlossen werden, heißt es.

WPV Typ 1 in Nigeria

Laboruntersuchungen (Sequenzvergleich) haben inzwischen laut RKI gezeigt, dass die aktuellen Neuerkrankungen in Nigeria durch ein WPV Typ 1 verursacht wurden, das bereits seit fünf Jahren unerkannt in dieser Region zirkuliere. Erschwerend komme auch der Nachweis von Vakzine-abgeleiteten Polioviren Typ 2 in Nigeria hinzu. Diese cVDPVs (circulating vaccine derived polioviruses) seien ein Zeichen für eine unzureichende Immunität der Bevölkerung. Auch zwei weitere, schwer zugängliche, Regionen leiden unter Polio: In Pakistan und Afghanistan konnte die WPV-Übertragung bisher nicht gestoppt werden. ###more###

Auch in diesen beiden Ländern verhindern Islamisten immer wieder wirksame Impfungen. In Pakistan sei zwar die Zahl der Poliofälle in 2016 auf 14 gesunken, jedoch werde in Umweltproben kontinuierlich und landesweit WPV nachgewiesen. Dies bestätige, dass die Virusübertragung dort nach wie vor weit verbreitet sei, beklagt das RKI. Unter strengen Sicherheitsvorkehrungen sollten im Oktober in Pakistan binnen weniger Tage 37 Millionen Kinder eine Polioimpfung erhalten. An der afghanisch-pakistanischen Grenze, wo die Mehrzahl der Poliofälle registriert wird, erhöhte das pakistanische Gesundheitsministerium die Altersgrenze für die Polioimpfung bei Kindern von fünf auf zehn Jahre. Um den Erfolg sicherzustellen, sollen Sicherheitsbeamte die etwa 100.000 Impfteams während der Aktion beschützen. In der jüngeren Vergangenheit wurden bereits mehr als 100 Krankenschwestern, Impfhelfer und Polizisten bei Angriffen durch Islamisten getötet.

Polio auch in Europa

Allerdings spiele auch in einigen Teilen Europas die Poliomyelitis noch immer eine Rolle. Trotz erfolgreicher Eindämmung des Polioausbruchs in der Ukraine 2015 stellen die beträchtlichen Impflücken der Bevölkerung nach wie vor ein Risiko für weitere Ausbrüche dar. Erschwerend komme die mangelhafte epidemiologische Überwachung hinzu, berichtet das RKI. Als weitere gefährdete Länder gelten derzeit auch Rumänien und Bosnien und Herzegowina. Die auf Grund der erhöhten Migrationsbewegungen und der damit verbundenen Gefahr der internationalen Verschleppung von Polioviren von der WHO im Mai 2014 ausgerufene gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite (PHEIC – public health emergency of international concern) werde noch immer aufrechterhalten.

Mögliche Einschleppung in Deutschland durch Migration?

Da in Deutschland ausreichend hohe Polioimpfquoten und Seroprävalenzen vorhanden sind, sei eine Poliovirus-Verbreitung nach möglicher Einschleppung eher unwahrscheinlich, beruhigt das RKI. Für die Endphase der Polioeradikation habe die WHO einen neuen Strategieplan für den Zeitraum 2013 – 2018 erarbeitet. Wesentliche Ziele, welche parallel verfolgt werden, seien: die Beendigung der WPV-Übertragung, die Einstellung der Verwendung von OPV, um sowohl Fälle von Vakzine-assoziierter paralytischer Poliomyelitis (VAPP) als auch Ausbrüche durch cVDPV zu verhindern sowie die Einführung des Laborcontainments für Polioviren. Dies beinhalte laut RKI alle notwendigen Maßnahmen zur sicheren Nutzung und Lagerung von Polioviren in mikrobiologischen und anderen Laboren.

Deutschland habe sich mit dem Beitritt zur GPEI verpflichtet, die entsprechenden Empfehlungen der WHO durch geeignete Maßnahmen national umzusetzen, so das RKI. Daher seien bereits jetzt alle Tätigkeiten im Labor mit Poliovirus Typ 2 unzulässig. Die Schaffung einer neuen gesetzlichen Grundlage zum Containment-Verfahren in Deutschland sei derzeit in Vorbereitung. (RKI, red)

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