Viele Politiker hatten ein Ende der Coronapandemie ausgerufen, nachdem die WHO die gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite beendet hatte. Doch die WHO bestätigt dies nicht. So hatte kürzlich Dr. Hans Henri P. Kluge, WHO-Regionaldirektor für Europa, betont: „Auch wenn die gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite wohl vorüber ist, die Pandemie ist es sicher nicht.“ Die Pandemie habe doch noch weltweit erhebliche gesundheitliche Auswirkungen, so die WHO. Im vierten Jahr der Pandemie sei klar geworden, dass das Virus uns wohl noch viele Jahre lang begleiten werde, wenn nicht für immer. Und auch Dr. Catherine Smallwood, Leitende Notlagenbeauftragte bei WHO/Europa, warnt: „Das Ende der globalen Notlage aufgrund von COVID-19 bedeutet nicht, dass wir zusammenpacken und weiterziehen können. Vielmehr ist es ein Appell, diese Zeit sinnvoll zu nutzen und die Fortschritte und Lehren der letzten drei Jahre nicht zu vergeuden, sondern sie zu erhalten und aus ihnen zu lernen, um eine besser vorbereitete und zukunftsfähigere Europäische Region zu schaffen.“ Angesichts der gegenwärtigen Situation und mit Blick auf die Zukunft setzt WHO/Europa seinen Übergangsplan für COVID-19 in Kraft.
Epidemiologische Überwachung angemahnt
Kritisch sieht die WHO den aktuellen Umgang mit dem Virus. Es bestehe immer noch das sehr reale Risiko, dass neue Varianten mit höherer Übertragbarkeit bzw. schwereren Symptomen auftauchen, was die Bereitstellung weiterer Ressourcen für die epidemiologische Überwachung noch wichtiger mache. In der Zwischenzeit seien jedoch die Maßnahmen zur Eindämmung von Infektionen gelockert worden, obwohl die längerfristigen gesundheitlichen Folgen von Infektionen und Reinfektionen auf individueller und Bevölkerungsebene nach wie vor nur unzureichend bekannt seien.
Insgesamt hätten sich in Europa und Zentralasien seit Januar 2020 mehr als 270 Mio. Menschen mit COVID-19 infiziert, und über 2,2 Mio. Menschen seien an der Krankheit gestorben. Obwohl die Zahl der Krankenhauseinweisungen und Todesfälle durch COVID-19 dank der zunehmenden Immunität der Bevölkerung deutlich zurückgegangen sei, sterben aufgrund der anhaltenden Verbreitung des Virus noch immer jede Woche Tausende von besonders gefährdeten Menschen.
Long COVID als Problem
Schätzungen zufolge erkrankten in den ersten beiden Jahren der Pandemie mindestens 17 Mio. Menschen am Post-COVID-Syndrom (Long COVID), und diese Zahl könnte sich bis 2022 auf über 34 Mio. verdoppelt haben, gibt die WHO zu bedenken.
Wenn die Europäische Region nun in diese neue Phase eintrete, werden die Länder auch lernen müssen, mit dem Virus und mit anderen Atemwegserkrankungen zu leben, was bedeute, dass die Bekämpfung von COVID-19 in umfassendere Präventions- und Kontrollprogramme integriert werden müsse. Entsprechend nimmt die WHO/Europa am Konzept zur Bewältigung von COVID-19 nun 13 strategische Veränderungen in den fünf zentralen Subsystemen der Arbeit von WHO im Bereich Notlagen vor.
In dem Übergangsplan wird erläutert, wie Maßnahmen gegen COVID-19 innerhalb der fünf Kernkomponenten der von der WHO geplanten globalen Architektur für die Bereitschaftsplanung für, Reaktion auf und Widerstandsfähigkeit gegenüber gesundheitlichen Notlagen (HEPR) gesteuert und integriert werden sollen:
- kooperative Surveillance, einschließlich Aufbau und Aufrechterhaltung von Laborkapazitäten und Nutzung digitaler Tools zur Erfassung und Analyse von Daten über COVID-19;
- Schutz der Bevölkerung während des gesamten Zyklus von Notlagen, um sie während deren Dauer zu mündigen Entscheidungen in Bezug auf Maßnahmen zum Schutz ihrer Gesundheit zu befähigen;
- klinische Versorgung, von der Ausbildung des an vorderster Linie eingesetzten Gesundheitspersonals und der Stärkung der Grundlagen für eine sichere, skalierbare und qualitativ hochwertige Versorgung bis hin zur Sicherstellung dauerhafter Investitionen in Gesundheitswesen und Notfallversorgungssysteme;
- Gegenmaßnahmen, wie z. B. Lernen aus den Impfkampagnen gegen COVID-19 und Aufrechterhaltung dieser Kampagnen als Teil umfassenderer Anstrengungen im Impfwesen und
- Koordinierung, von gefahrenspezifischen Reaktionsplänen gegen COVID-19- und Influenzapandemien bis zur integrierten Pandemieplanung für Atemwegsviren.
Um dies zu erreichen, müssten die Mitgliedstaaten strategisch und nachhaltig in die Pandemievorsorge investieren und gleichzeitig durch eine zweigleisige Bereitschaft, die auf neue Gesundheitsgefahren reagieren kann, wachsam bleiben. Daneben müsse die Aufrechterhaltung und Krisenfestigkeit unentbehrlicher Gesundheitsleistungen sichergestellt werden.
Quelle: WHO
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