„Als ich das erste Mal beim Lungenfacharzt war, sagte er mit direkt: In drei bis fünf Jahren brauchen Sie eine neue Lunge. Und der gute Mann hatte recht.“ Seit einem Jahr hat Michael Bieschke nun diese neue Lunge. Das Datum weiß er genau: am 6. Mai 2017 wird er transplantiert. An diesem Tag fing das Leben für ihn ein Stück weit neu an.
2014 bekommt der 56-Jährige die Schock-Diagnose: eine fortgeschrittene COPD (Chronic Obstructive Pulmonary Disease), die Krankheit, die von den Betroffenen selbst häufig als Raucherhusten abgetan wird. Genau daher rührt die Krankheit - der angeblich harmlose Husten ist tatsächlich eine ständige Entzündung der Bronchien, die zur unwiderruflichen Zerstörung von Lungengewebe führt. Lungenbläschen, die den Sauerstoff in den Körper geben, gehen kaputt und engen zusätzlich die gesunden Bereiche der Lunge ein. Die Luft wird knapp. Michael Bieschke merkt das schon Jahre vor seiner Diagnose und sorgt damals für den nötigen Rauchstopp: „Beim Wandern war ich irgendwann immer der Letzte, weil ich keine Luft mehr hatte. Da habe ich gedacht, hörst du mal besser auf zu rauchen.“ Gesagt, getan – doch die 30 Raucherjahre hatten seiner Lunge bereits zu viel Schaden zugefügt.
Als er ständig Nasenbluten bekommt, weiß er, dass etwas nicht stimmt. Zunächst folgen viele verschiedene Diagnosen und eine Reha. Erst sein Lungenfacharzt klärt ihn über seine COPD und die absehbare Notwendigkeit einer Transplantation auf. Er wird zur Universitätsmedizin Essen in die Ruhrlandklinik geschickt, zum Westdeutschen Zentrum für Lungentransplantation. Als drittgrößtes Zentrum in Deutschland werden dort mittlerweile rund 50 Lungentransplantationen im Jahr durchgeführt, 2018 sind es bereits 23.
Widerspruchslösung gefordert
Neben dem anspruchsvollen chirurgischen Eingriff der Transplantation kommt es aber auch noch auf viele andere Aspekte an, die für den Erfolg wichtig sind. „Die gespendeten Organe werden vorher genau auf ihre Qualität untersucht und nur ein wirklich passendes und leistungsfähiges Organ wird in Betracht gezogen“, erklärt Prof. Clemens Aigner, Direktor der Klinik für Thoraxchirurgie und thorakale Endoskopie der Ruhrlandklinik.
„Auch die Vor- und Nachsorge der Transplantation ist enorm wichtig. Wir arbeiten deshalb mit den anderen Fachabteilungen so eng wie möglich zusammen.“ Neben der Thoraxchirurgie sind deshalb auch noch die Klinik für Pneumologie der Ruhrlandklinik sowie die Abteilung für Thorakale Organtransplantation des Universitätsklinikums Essen an jeder Transplantation beteiligt.
Zwei Jahre nach der Diagnose geht es Michael Bieschke so schlecht, dass er auf die Transplantationsliste kommt. Er kann längst nicht mehr arbeiten, braucht über einen großen Tank 15 Liter Sauerstoff am Tag – das Maximum, mit dem die Lunge unterstützt werden kann. „Zu Hause hatte ich nach jeder Treppe einen Stuhl stehen, weil ich sofort eine Pause machen musste. Ich kam überhaupt nicht mehr von A nach B“, erzählt er. Die Transplantation ist seine Hoffnung auf einen Neuanfang, und er sieht ihr positiv entgegen. Doch manchmal meldet sich die Sorge über die geringe Spenderbereitschaft: Ist auch rechtzeitig ein Organ zur Verfügung?
Er selbst hat lange vor seiner Diagnose einen Spenderausweis ausgefüllt. Noch immer machen das viel zu wenige Menschen. Im Gegensatz zur notwendigen Einwilligung, wie sie in Deutschland durch den Spenderausweis gegeben wird, haben viele andere Länder eine Widerspruchslösung, das heißt jeder muss seinen Widerspruch formulieren, wenn er gegen eine Organspende ist, andernfalls gilt er als Spender. „In Österreich gibt es diese Regelung schon seit Jahren und führt dort zu einem funktionierenden System. Um mehr Leben retten zu können, kann ich diese Lösung für Deutschland nur empfehlen“, so Thoraxchirurg Aigner. Auch der Deutsche Ärztetag in Erfurt hat im Mai in einer gemeinsamen Entschließung den Gesetzgeber zur Einführung dieser Regelung aufgefordert.
Dankbarkeit für den Spender
Vor einem Jahr kommt der Anruf für Michael Bieschke – es gibt eine Lunge für ihn. Seine Lungentransplantation verlief sehr gut und auch mögliche Infekte blieben bislang aus. Er weiß, dass das nicht immer so ist und passt auf seine neue Lunge auf. Mundschutz und Handschuhe gehören beim Einkaufen oder Arztbesuch dazu, von den vielen wichtigen Medikamenten mal abgesehen.
Doch diese Einschränkungen nimmt er gerne auf sich. „Ich kann wieder 10 bis 15 Kilometer wandern und soll auch wieder arbeiten. Meine Frau sagt, ich wäre jetzt hyperaktiv, weil ich immer etwas machen muss“, sagt er und lacht. Er will es ausnutzen und genießen, so lange er kann und trägt ein Gefühl immer mit sich: „Ich bin meinem Spender äußert dankbar dafür, dass er rechtzeitig diesen Ausweis ausgefüllt hat.“
Quelle: Universitätsmedizin Essen, 1.6.2018
Artikel teilen