Laborfleisch wird als Alternative zur klassischen Tierzucht propagiert. Das Zellfleisch soll sowohl ohne Tierschlachtung als auch ohne Tierleid auskommen. Grundlage der der Forschungsgruppe „Cellzero Meat“ sollte ein patentiertes Verfahren des Forschungsinstituts für Nutztierbiologie sein. Es ermöglicht die Entnahme von Stammzellen aus dem Nabelschnurblut von Ferkeln – als schmerzfreie Alternative zur Stammzellen-Entnahme von lebenden Tieren. „Wir wollten den Prozess insgesamt so nachhaltig wie möglich gestalten“, erklärt Prof. Dr. Wolfram Schnäckel von der Hochschule Anhalt den innovativen Ansatz. Deshalb setzte „Cellzero Meat“ mit zwei weiteren Projektpartnern auch auf diese Alternativen: Ein Nährmedium aus Algen statt eines Serums von geschlachteten Tieren, das die Zellen im Bioreaktor wachsen lässt. Kaltes Plasma anstatt von Antibiotika, um die Herstellung steril zu halten. Ein völlig neuer Weg zum Laborfleisch, der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung aus Hochrisiko-Mitteln gefördert wurde.
Vergleichbares Produkt entsteht
Nach rund zwei Jahren Forschung betonen die Verantwortlichen, dass es funktioniere. Die Stammzellen aus dem Nabelschnurblut bildeten in dem Nährmedium aus Algen Muskel-, Fett- und Bindegewebszellen. Aus ihnen lasse sich über ein 3-D-Druck-Verfahren fleischtypisches Gewebe herstellen – für Produkte vom Burger-Patty bis zum Schnitzel. „Selbst der fleischtypische Geschmack, der erst während der Lagerung heranreift, wird von unserem Laborfleisch gebildet“, sagt Schnäckel, der an der Hochschule Anhalt seit mehr als 30 Jahren zu tierischen Lebensmitteln forscht.
Spezielle Mikromethoden entwickelt
Für das Projektergebnis waren die Analysen der Anhalter Lebensmitteltechnologinnen und Lebensmitteltechnologen essenziell. Gab es in den Rostocker Laboren des Projektpartners neue Zellhaufen oder Gewebe, kamen die Proben nach Bernburg. Wie ist die Farbe des Laborfleischs? Wie seine Struktur? Wie müssen Nährmedium und 3-D-Druck angepasst werden, damit sich das künstliche so wenig wie möglich von natürlichem Fleisch unterscheidet? „Solche Fragen gehören bei uns zum Laboralltag. Die Herausforderung lag anfangs darin, sie für wenige Gramm zu beantworten“, erklärt Sandra Warmuth, die es normalerweise mit industrienaher Forschung zu tun hat, bei der Proben von 3 bis 5 Kilogramm anfallen. Für Cellzero Meat musste sie zunächst spezielle Mikromethoden entwickeln.
Großer Zukunftsmarkt?
Hätte man nicht auf grundlegende Erkenntnisse anderer Forschungsgruppen zurückgreifen können? Immerhin ist Laborfleisch in einigen Ländern bereits auf dem Markt oder steht vor der Zulassung. „Abgesehen davon, dass wir einen ganz neuen Ansatz gewählt haben, wird in diesem Bereich vieles geheim gehalten“, sagt Schnäckel. Künstlich hergestelltes Fleisch gilt weltweit als eine Säule, um die Ernährung innerhalb planetarer Grenzen zu sichern. Deshalb investieren immer mehr Unternehmen und Kapitalgeber in diese Proteinquelle. Mehr als 100 Start-ups forschen an neuen Produkten aus Zellfleisch.
Produktion ohne Tierleid
Einer der größten Kritikpunkte an Laborfleisch waren bislang die tierischen Ressourcen entlang des Herstellungsprozesses. Dafür hat Cellzero Meat eine Lösung gefunden. Null Schlachtung, null Tierleid. „Zudem wäre der Verkauf von Nabelschnurblut eine zusätzliche Einnahmequelle für die Landwirtschaft, wenn sich Laborfleisch auch auf europäischen Märkten durchgesetzt hat“, blickt Schnäckel auf die nächsten 30 bis 40 Jahre. Bis dahin will seine Forschungsgruppe das Cellzero-Fleisch weiterentwickeln, um über passende Versuchsanlagen Mengen im industriellen Maßstab zu gewinnen. Folgeprojekte für dieses Scale-up sind bereits in Planung.
Vier Partnereinrichtungen aus unterschiedlichen Disziplinen waren an dem Forschungsprojekt „Cellzero Meat“ beteiligt: das Forschungsinstitut für Nutztierbiologie (FBN) in Dummerstorf (bei Rostock), das Leibnitz-Institut für Plasmaforschung und Technologie e.V. in Greifswald, die PAN-Biotech GmbH in Aidenbach sowie die Hochschule Anhalt mit dem Fachbereich Landwirtschaft, Ökotrophologie und Landschaftsentwicklung. Das Konsortium wurde bis Juni 2024 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) nach der Nationalen Forschungsstrategie BioÖkonomie 2030 und der Nationalen Politikstrategie Bioökonomie offiziell gefördert.
Quelle: idw/HS Anhalt
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