Warum kommt es zu häufig wiederkehrenden Schlaganfällen?
Laut Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe erleiden annähernd 270.000 Menschen jährlich in Deutschland einen Schlaganfall, knapp 200.000 davon sind erstmalige Schlaganfälle. Innerhalb des ersten Jahres versterben demnach bis zu 40 Prozent aller Schlaganfall-Betroffenen. Der Schlaganfall sei damit die dritthäufigste Todesursache, so die Stiftung. Meist wird der Schlaganfall verursacht durch eine Arteriosklerose. Zu diesem Prozess kommt es, wenn Immun- und Entzündungszellen in Fettablagerungen in die Wand von Blutgefäßen einwandern. In den entstehenden „Plaques“ baut sich eine schädliche Entzündungsreaktion auf, die sich verselbstständigt, chronisch wird, zu Verkalkungen und Engstellen führt und die Gefäße verstopft. Aus diesen „Plaques“ können sich auch Gerinnsel lösen, durchs Blut wandern und kleine Gefäße im Gehirn blockieren. Warum es aber bei gut zehn Prozent der Patienten selbst bei bester Versorgung im Krankenhaus binnen Tagen und Wochen zu weiteren Schlaganfällen kommt, blieb lange ungeklärt.
Zellfreie DNA im Blut festgestellt
„Dieses Rätsel haben wir nun weitgehend gelöst“, sagt Prof. Arthur Liesz vom Institut für Schlaganfall- und Demenzforschung. Grundlage dafür sei zunächst die Etablierung eines sogenannten Tiermodells in der Maus gewesen. Bei solchen Modellen wird der Organismus durch gezielte genetische Eingriffe verändert. So lassen sich in diesem Fall wiederkehrende Schlaganfälle aus arteriosklerotischen Plaques wie im Menschen nachstellen, um die daran beteiligten Prozesse zu untersuchen. Es zeigte sich: In der frühen Phase nach einem Schlaganfall kommt es zu einer Entzündungsreaktion im gesamten Körper – obwohl keine Infektion vorliegt. Als Ursache konnten die Forscher zellfreie DNA im Blut feststellen, die aus Zelltrümmern freigesetzt wird. Sie bewirke eine Entzündung, die auch die Arteriosklerose rasant fortschreiten lasse, denn „diese zellfreie DNA aktiviert in bestimmten Immunzellen das AIM2-Inflammasom“, sagt Liesz. Als Inflammasom wird ein ganzer Komplex aus Proteinen in Entzündungszellen bezeichnet, der zur massiven Bildung des Botenstoffs Interleukin-1 führt. Dieser Botenstoff breitet sich durch das Blut im ganzen Körper aus und wirkt insbesondere auf bereits entzündete Gewebe – wie die arteriosklerotisch veränderten Gefäße. Das wiederum destabilisiert Hochrisiko-Plaques, die einreißen und Gerinnsel freisetzen, was zu weiteren Schlaganfällen führt.
Gabe von sogenannten DNasen
Mit ihrem Wissen starteten die Forschenden bei den Mäusen nach dem ersten Schlaganfall eine Therapie: Durch die Gabe von sogenannten DNasen – Enzyme, die DNA zerstören – sofort nach dem ersten Schlaganfall lasse sich der gesamte fatale Prozess stoppen. „Durch diese Behandlung haben wir die Rate wiederkehrender Schlaganfälle in unserem Tiermodell um bis zu 80 Prozent gesenkt“, erläutert Liesz. Die DNA in Zellen bleibe von dieser Behandlung unberührt, weil DNasen nicht in Zellen eindringen können. Wenn sich die Ergebnisse im Menschen bestätigen, könnte dies zu einer verbesserten Schlaganfall-Therapie führen, so die Hoffnung. Der Erfolg im Tierversuch hat die Forschenden motiviert, eine klinische Studie zu planen, die bereits genehmigt wurde. Sie soll, so Liesz, „voraussichtlich 2025 an mehreren Kliniken in Deutschland beginnen.“
Quelle: idw/Klinikum der Universität München
Artikel teilen