Vitamin D ist eigentlich ein Hormon, das unter dem Einfluss von Sonnenlicht in der Haut gebildet wird und das an zahlreichen Prozessen im Körper beteiligt ist. Unter anderem ist es unverzichtbar für gesunde Knochen. Manche Studien lieferten Hinweise, dass Vitamin D möglicherweise respiratorischen Erkrankungen wie Lungenentzündungen vorbeugt und auch wichtig für die Herz-Kreislauf-Gesundheit ist. Ebenso gab es Anzeichen, dass es das Risiko für Diabetes und einige Krebsarten senken könnte. In den bisherigen Behandlungsstudien waren diese Effekte im Vergleich zu einem Placebo jedoch nicht eindeutig zu belegen.
„Da die Datenlage nicht eindeutig ist, können bislang auch keine klaren Empfehlungen im Hinblick auf eine Vitamin-D-Behandlung für diese Einsatzgebiete gegeben werden“, fasst Prof. Dr. med. Matthias M. Weber, Mediensprecher der Deutschen Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) zusammen. Hinzu komme ein von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlicher Stoffwechselweg von Vitamin D im Körper: „Dieser Umstand könnte auch die teils widersprüchlichen Studienergebnisse erklären“, so Weber, der Leiter des Schwerpunkts Endokrinologie und Stoffwechselerkrankungen der Universitätsmedizin Mainz ist.
Die klinischen Studien sind hauptsächlich Beobachtungsstudien
Verschärft wurde diese Diskussion zuletzt durch die Corona-Pandemie. Zahlreiche Studien zeigen niedrige Vitamin-D-Spiegel bei schwereren Verläufen von COVID-19. „Dies lässt die Rufe nach einer vorsorglichen Vitamin-D-Einnahme immer lauter werden“, so Weber. Doch die klinischen Studien zum Einfluss von Vitamin D bei COVID-19 sind hauptsächlich Beobachtungsstudien und damit aus wissenschaftlicher Sicht nicht ausreichend beweiskräftig. „Sie zeigen lediglich, dass zwei Ereignisse zusammen auftreten, aber nicht, dass das eine die Ursache des anderen ist“, sagt Weber.
So weisen auch häufig Patienten, die an anderen Krankheiten leiden, einen niedrigen Vitamin-D-Spiegel auf. „Es gibt viele plausible Erklärungen dafür, dass eine schwere Krankheit niedrige Vitamin-D-Spiegel zur Folge haben kann“, so Weber. Damit sei auch erklärt, warum die Gabe von Vitamin D keinen Erfolg bei der Behandlung dieser Krankheit mit sich bringt, meint er. Um eine Empfehlung zur Vitamin-D-Gabe abzuleiten, brauche es daher weitere große Placebo-kontrollierte, klinische Studien.
Ein Zuviel an Vitamin D kann schaden
Denn ein Zuviel an Vitamin D könne auch schaden. „Es gehört zur kleinen Gruppe der fettlöslichen Vitamine. Diese werden nicht mit dem Urin ausgeschieden, wenn ein Zuviel vorhanden ist. Vielmehr sammeln sie sich im Körper an“, erklärt Prof. Dr. med. Helmut Schatz, ehemaliger Direktor der Medizinischen Klinik am Universitätsklinikum Bergmannsheil der Ruhr-Universität Bochum und Vorstandsmitglied der DGE. Ein Überschuss an Vitamin D könne neben Übelkeit und Erbrechen auch Nierensteine und Nierenschäden auslösen.
„Gesichert ist jedoch, dass das Vermeiden von Vitamin-D-Mangelzuständen besonders bei Risikopatienten hilfreich ist. Dies erreichen wir bereits durch Dosierungen von 400-1000 IU/Tag“, so Prof. Dr. med. Günter Stalla, Präsident der DGE vom Medizinischen Versorgungszentrum Medicover Neuroendokrinologie in München. Weiterhin gelte: Zur Stärkung der Abwehrkräfte und der allgemeinen Gesundheit sind eine vollwertige und nicht zu üppige Ernährung und vor allem regelmäßige Bewegung im Freien wirksam. “So lassen sich - insbesondere in den Sommermonaten - auch nebenbei die Vitamin-D-Spiegel auf natürliche Weise auffüllen“, fügt Stalla hinzu.
„Die bisherige Datenlage rechtfertigt bis auf Weiteres keine hochdosierte Gabe von Vitamin D als Prophylaxe von COVID-19 bei der Allgemeinbevölkerung außerhalb der wissenschaftlich gesicherten Einsatzgebiete“, fasst Stalla zusammen. Darunter falle auch die routinemäßige Bestimmung der Vitamin-D-Spiegel auf Kosten der Krankenkassen.
Die vollständige Stellungnahme der DGE zur Rolle von Vitamin D in der Corona-Pandemie ist auf der Website der DGE abrufbar.
Appel L, Michos ED, Christine M. Mitchell CM et al. The Effects of Four Doses of Vitamin D Supplements on Falls in Older Adults. A Response-Adaptive, Randomized Clinical Trial Ann Intern Med. 2021 doi:10.7326/M20-3812
Quelle:DGE, 12.02.2021
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