Wissenschaftler des europäischen Forschungsprojekts "Solutions" und des Forschungsnetzwerks "Norman" haben sich die Schwächen der europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) genauer angeschaut und Empfehlungen für ein verbessertes Schadstoffmonitoring abgeleitet. Denn bis 2027 sollen Flüsse, Seen, Küstengewässer und das Grundwasser in einem „guten Zustand" sein, so die Vorgabe der seit dem Jahr 2000 in Kraft getretenen Richtlinie. Diese soll nun bis 2019 überarbeitet werden, um das vorgegebene Ziel erreichen zu können. Dabei liefert insbesondere die Wissenschaft wichtigen Input.
Schadstoff-Monitoring und Gewässermanagement
Unter der Federführung des Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) arbeiten Forschergruppen an verschiedenen Vorschlägen zur Verbesserung der Gewässerstruktur und der Ergänzung der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie. Das Besondere der WRRL ist, dass die Gewässer länderübergreifend betrachtet werden - bei Flüssen demnach von der Quelle bis zur Mündung. „Das ist in dieser Form weltweit einmalig. Von vielen Ländern wird die Europäische Wasserrahmenrichtlinie deshalb als Vorbild angesehen", sagt Umweltchemiker Dr. Werner Brack vom UFZ.
Bisher sei man jedoch weit davon entfernt, die vorgegebenen Ziele zu erreichen. Konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Gewässerstruktur, zur Wiederherstellung der Durchgängigkeit von Oberflächengewässern sowie zur Reduzierung des Eintrags von Nähr- und Schadstoffen müssten vielerorts wesentlich konsequenter umgesetzt werden, als es bisher der Fall ist. „Aber auch das Regelwerk selbst hat Schwächen und soll deshalb bis 2019 überarbeitet werden", ergänzt Dr. Brack. Unter seiner Leitung arbeiteten die Gruppen "Solutions" und "Norman" und leiteten Empfehlungen für ein verbessertes Schadstoff-Monitoring und Gewässermanagement ab.
Verbesserte Überwachung
In der Wasserrahmenrichtlinie sind derzeit 45 Schadstoffe aufgelistet, die in einem Gewässer von gutem Zustand nicht oder nur in geringem Maß vorkommen dürfen. Dem gegenüber stehen jedoch rund 100.000 verschiedene chemische Substanzen, die täglich genutzt werden und so in die Umwelt und Gewässer gelangen. Derzeit werden demnach die meisten Schadstoffe bei der Bewertung der Wasserqualität gar nicht berücksichtigt. „Das auf einzelne Schadstoffe orientierte Monitoring ist teuer, ignoriert den größten Teil der Schadstoffe und läuft den eigentlichen Problemen hinterher", kritisiert Brack. „Neue Stoffe auf die Liste zu bekommen, ist ein langwieriger politischer Prozess."
Die Beschränkung auf die Prüfung einzelner Schadstoffe muss umgestellt werden auf effektbasierte Methoden, wie biologische Wirkungstests. Denn selten wirken Schadstoffe in der Umwelt alleine, sondern verstärken eher ihre Wirkung gegenseitig. Bei effektbasierten Methoden würden auch Stoffgemische erfasst und die teure chemische Analytik wäre nur noch bei der Überschreitung bestimmter Wirkschwellen erforderlich.
Bewertung verbessern
Auch die Bewertung der Gewässerqualität ist verbesserungsbedürftig. Bislang war immer die schlechteste Komponente ausschlaggebend für die Bewertung eines Gewässers, selbst wenn diese durch das eigentliche Gewässermanagement kaum zu beeinflussen ist, wie bei Schadstoffen aus Verbrennungsprozessen. So können auch bei signifikanten Verbesserungen die Bewirtschaftungsziele nicht erreicht werden. „Die derzeitige Regelung gibt zu wenig Anreize, Probleme zu beheben und führt in vielen Fällen zu Untätigkeit", bemerkt Brack. Es müssen Belohnungen geschaffen werden, auch für gutes Monitoring.
Bisher scheitern viele Staaten schon an vorgeschriebenen Messungen, Analysen und Überwachungen. Dabei werden sie für seltenes Messen noch belohnt, da das abgeleitete Risiko dadurch geringer ausfällt und der Handlungsbedarf für Reduzierungsmaßnahmen wegfällt. Daher wird eine umgekehrte Beweisführung seitens der Wissenschaftler vorgeschlagen. Dort, wo keine Daten erhoben werden, werden Modellwerte für die Bewertung herangezogen. Die "Säumigen" müssen dann mit Messungen nachweisen, dass der Gewässerzustand besser ist als der Vorhergesagte.
Verbessertes Management
Nur verbesserte und regelmäßige Messungen reichen hier jedoch nicht aus. Es müssen entsprechende Maßnahmen aus dem Monitoring abgeleitet werden. „In unserer aktuellen Studie geben wir Empfehlungen für ein stärker lösungsorientiertes Gewässermanagement, bei dem Überwachung, Bewertung, und mögliche Maßnahmen von Anfang an viel enger miteinander verzahnt sein sollten, als dies heute der Fall ist", erläutert Dr. Brack. Vorhersagbare Schadquellen wie beispielsweise Kläranlagen sind ein Risiko, welches direkt in der Abwasserbehandlung der Kläranlage verbessert werden kann zur Erreichung der Ziele. Der Schwerpunkt sollte auf möglichen Alternativen zur Verbesserung der Qualität liegen anstatt bereits bei der Festlegung des Gewässerstatus zu stoppen.
„Dies hilft auch, Lösungsansätze zu finden, mit denen man mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen kann", führt Brack aus. „So können ausreichend breite und mit Büschen bestandene Randstreifen nicht nur dazu beitragen, den Eintrag an Pflanzenschutzmitteln ins Gewässer zu reduzieren, sondern auch dabei helfen, eine Überdüngung oder zu hohe Temperaturen im Gewässer zu vermeiden. Und sie bieten obendrein ein wertvolles Habitat für viele Tiere und Pflanzen." (idw, red)
Literatur:
Brack W, Dulio V, Ågerstrand M, et al. (2017): Towards the review of the European Union Water Framework Directive: Recommendations for more efficient assessment and management of chemical contamination in European surface water resources. Science of The Total Environment, Volume 576, 15 January 2017, Pages 720–737.
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