Überwindung sprachlicher Barrieren

Die Integration von Flüchtlingen und Asylbewerbern
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Überwindung von Barrieren
Die mangelnden Sprachkenntnisse sind häufig ein großes Problem. Fotolia/Mila Supynska
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Neben der Überwindung der sprachlichen Barrieren sind auch die Anerkennung ausländischer Abschlüsse und Qualifikationen und die medizinische Versorgung der Flüchtlinge weiterhin wichtige Aufgaben.

Samaneh Zahedi absolviert ein Praktikum im Krankenhaus der „Barmherzigen Brüder“ in Regensburg. Die studierte Labortechnikerin möchte in Deutschland gern als Medizinisch-technische Assistentin arbeiten. „Die Arbeit ist nicht für mich schwierig, weil ich die Arbeit kenne. Aber die deutsche Sprache ist manchmal schwierig, besonders wenn ich am Telefon sprechen will. Das ist mir noch schwierig,“ sagte die Asylbewerberin aus dem Iran vor kurzem in der ARD-Sendung Plusminus.

Die mangelnden Sprachkenntnisse sind häufig ein großes Problem bei der Integration von Flüchtlingen und Asylbewerbern. Das wurde auch bei der diesjährigen Fachberufekonferenz in Berlin deutlich. „Unter der Integration der Flüchtlinge in die Arbeitswelt darf die Qualität nicht leiden,“ betonte Dr. med. Max Kaplan, Vorsitzender Fachberufekonferenz und Vizepräsident der Bundesärztekammer. Anspruch auf einen Sprachkurs haben Asylbewerber und Geduldete in der Regel nicht. Oft bleiben sie Jahre im Land, ohne Deutsch zu lernen – das verschlechtert auch ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt und erschwert die Integration.

Um Flüchtlingen zu helfen, Sprachgrenzen zu überwinden, bekommt Deutschland 7,49 Milliarden Euro für die Förderperiode 2014 bis 2020 aus dem Europäischen Sozialfonds für Deutschland (ESF). Die ESF-Mittel werden zu etwa einem Drittel vom Bund und zu zwei Dritteln von den Ländern verwaltet. Voraussetzung für eine Förderung durch den ESF ist eine anteilige Kofinanzierung durch Bund und Länder, die je nach Projekt und Zielsetzung variieren kann. „Im Bereich der Gesundheitsfachberufe, das heißt von der Alten- oder Krankenpflegerin bis hin zu den approbierten Ärzten haben, wir in Rheinland-Pfalz einen hohen Fachkräftebedarf. Ebenso bei sozialen Berufen, Lehrern, Ingenieuren im Bauwesen und Handwerksberufen. Daher bieten wir besonders für diese Berufsgruppen Qualifizierungsmaßnahmen an“, berichtet Hans-Peter Frühauf, Leiter des Landesnetzwerks „Integration durch Qualifizierung“ (IQ) Rheinland-Pfalz. Das Förderprogramm „Integration durch Qualifizierung“ arbeitet seit 2005 an der Zielsetzung, die Arbeitsmarktchancen für Menschen mit Migrationshintergrund zu verbessern.

Das Programm „ESF-Qualifizierung im Kontext Anerkennungsgesetz“ hat die Zielsetzung, Menschen mit ausländischen Berufsabschlüssen auf den deutschen Arbeitsmarkt vorzubereiten. Dieses Förderprogramm besteht aus drei Schwerpunkten:

•    Anerkennungs- und Qualifizierungsberatung,
•    Qualifizierungsmaßnahmen im Kontext des Anerkennungsgesetzes,
•    interkulturelle Kompetenzentwicklung.

In jedem Bundesland gibt es ein Landesnetzwerk, das für die regionale Umsetzung des Förderprogramms verantwortlich ist. Weitere EU-Hilfen für Flüchtlinge sind unter anderem der Europäische Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds und der Fonds für Innere Sicherheit.

Gerade bei hochqualifizierten Flüchtlingen ist auch die Anerkennung ausländischer Abschlüsse und Qualifikationen eine wichtige Frage. Viele Asylbewerber haben die entsprechenden Dokumente auf der Flucht verloren; bei anderen entsprechen die Abschlüsse nicht den deutschen Abschlüssen. Bereits 2012 hat die Bundesregierung ein Gesetz verabschiedet, das die Anerkennung ausländischer Abschlüsse in Deutschland erleichtern soll. Insgesamt sind also noch zahlreiche Hürden zu überwinden, bis Flüchtlinge und Zuwanderer bisher unbesetzte Stellen ausfüllen können.

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Medizinische Versorgung von Flüchtlingen

„Derzeit existiert viel anekdotische Erfahrung, aber wenig systematische Information – der Föderalismus ist dabei ein großes Problem“, betonte Dr. med. Anne Bunte, Leiterin des Gesundheitsamts der Stadt Köln vor kurzem bei einer Veranstaltung des Arbeitskreises „Ärzte und Juristen“ der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften in Würzburg. Mehr als 12.000 Flüchtlinge brachte die Stadt Köln bis Februar 2016 in Wohnheime, Notunterkünfte und Hotels unter. „Das Bild nach der Erstaufnahme ist sehr bunt – einige Menschen sehen aus wie Touristen, anderen sind die Strapazen einer beschwerlichen Flucht deutlich anzusehen“, so Bunte. Rund 70 Prozent seien jedoch gesund. Wenn nicht, litten sie öfter an Magen-Darm-Infektionen durch Noroviren oder Campylobacter, die heute auch in Deutschland nicht selten Auslöser dieser Erkrankung sind. Zwar haben die Fallzahlen an Tuberkulose (TB), Hepatitis B und C mit dem Flüchtlingsstrom zugenommen. Die Kölner Experten gehen jedoch zuversichtlich davon aus, dass die weitere Verbreitung der Krankheit durch Basishygiene und Impfungen vermieden werden kann.

Beunruhigend ist allerdings die hohe Anpassungsfähigkeit der Tuberkulose-Erreger. So werden zurzeit große Hoffnungen in die neuen Medikamente Bedaquilin (Sirturo®, Janssen-Cilag, USA) und Delamanid (Deltyba®, Otsuka Novel Products, Japan) gesetzt, die im Jahr 2014 zur Therapie zugelassen wurden und auch gegen MDR-Tuberkulose-Erreger wirken. Die Antibiotika wurden wegen des riesigen Bedarfs und des Fehlens alternativer Substanzen in einem beschleunigten Verfahren zur Zulassung gebracht. Doch bereits sechs Monate später berichteten Forscher der Universität Zürich über Bedaquilin-resistente Tuberkulose-Bakterien bei einem jungen Flüchtling aus Tibet, der das Mittel im Rahmen einer MDR-TB-Behandlung in der Schweiz bekommen hatte.

Der schwerkranke Patient wurde aufgrund des Versagens der Bedaquilin-Therapie mit Delamanid und sechs weiteren Antibiotika behandelt. Obwohl es ihm zunächst rasch besser ging, brach die TB zwei Monate später erneut aus. Daraufhin führte das Referenzlabor der Weltgesundheitsorganisation in Gauting bei München weitere spezielle Antibiotika-Resistenztests durch. Aufgrund solcher Vorkommnisse empfiehlt das Robert Koch-Institut: „Ein MRE-Screening bei Aufnahme in ein Krankenhaus ist geboten bei Patienten aus Hochendemiegebieten, die Kontakt zum Gesundheitssystem in ihrem Heimatland oder im Verlauf ihrer Flucht hatten beziehungsweise bei diesbezüglich unklarer Anamnese. Ein Screening sollte MRSA und carbapenemresistente Erreger umfassen.“

Nach der Erstaufnahme verläuft der Weg in eine medizinische Behandlung oft alles andere als geradlinig, meint Dr. med. Amand Führer von der Universität Halle. Er bezeichnete in Würzburg die aktuelle Situation als „Stresstest für unser Gesundheitswesen“. Um ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen zu dürfen, benötigten Flüchtlinge einen Behandlungsschein vom Sozialamt. „Die Scheine bedeuten nicht nur bürokratischen Aufwand – je länger die Patienten auf eine Behandlung warten, desto weiter schreitet die Erkrankung fort.“ Oft schickten Praxen und Kliniken die Patienten auf Irrwege durch die Institutionen, weil Strukturen fehlen – zumal eine Diagnose nicht immer auch zur notwendigen Therapie führt. „Das ist ethisch durchaus fragwürdig“, sagte Bunte. An den Schnittstellen gehen zudem viele Informationen verloren.

Der 119. Deutsche Ärztetag in Hamburg sprach sich Ende Mai dafür aus, allen Geflüchteten – unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus – bundesweit und zeitnah eine vollwertige Krankenversicherungskarte auszuhändigen. Darüber hinaus müsse der zusätzliche Aufwand für einen stark traumatisierten und mit erheblichen Sprachproblemen behafteten Personenkreis besser abgebildet werden. Die zuständigen Behörden müssten ausreichend fachlich und interkulturell qualifizierte Dolmetscher für eine adäquate gesundheitliche Versorgung zur Verfügung stellen. Für die Übernahme der entstehenden Kosten müssten die gesetzlichen Voraussetzungen geschaffen werden.

Entnommen aus MTA Dialog 08/2016

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