Typ-1-Diabetes nach SARS-CoV-2-Infektion bei Kindern

Studie soll Zusammenhang aufklären
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Kind spritzt sich Insulin
© S.Kobold/stock.adobe.com
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Noch wenig beachtet ist die Tatsache, dass Kinder mit einem erhöhten Risiko für Typ-1-Diabetes nach einer durchgemachten Infektion mit SARS-CoV-2 häufiger Inselautoantikörper entwickeln. Diese dienen als Biomarker für den Autoimmunprozess, der später zu Typ-1-Diabetes führt.

Vier von 1.000 Kindern in Deutschland erkranken an Typ-1-Diabetes, einer Stoffwechselerkrankung, die durch eine Autoimmunreaktion ausgelöst wird. Bei Personen mit Typ-1-Diabetes zerstört das Immunsystem die insulinproduzierenden Zellen in den sogenannten Langerhans-Inseln der Bauchspeicheldrüse. Betroffene müssen ein Leben lang mit Insulin behandelt werden. Rund 90 Prozent der betroffenen Kinder und Jugendlichen haben keinen nahen Verwandten mit der Autoimmunkrankheit, weshalb die Diagnose oft überraschend kommt. Forschende können den zugrundeliegende Autoimmunprozess, lange bevor Beschwerden auftreten, anhand sogenannter Inselautoantikörper im Blut erkennen.

Kann die Impfung vor Typ-1-Diabetes schützen?

Das Zentrum für Regenerative Therapien Dresden (CRTD) der TU Dresden arbeitet im Rahmen der Globalen Plattform zur Prävention des Autoimmunen Diabetes (GPPAD) mit verschiedenen anderen akademischen Forschungseinrichtungen und Krankenhäusern in Europa zusammen, um neue Präventionsmethoden für die bislang unheilbare Erkrankung zu entwickeln. In der dritten Interventionsstudie von GPPAD untersuchen die Forschenden, ob eine Impfung gegen SARS-CoV-2 im ersten Lebensjahr Kinder mit einem erhöhten genetischen Risiko für Typ-1-Diabetes vor der Entwicklung von Typ-1-Diabetes schützen kann.

Risiko steigt nach Infektion deutlich

Die genauen Ursachen der zugrundeliegenden Autoimmunreaktion sind bis heute unklar. In groß angelegten Langzeitstudien konnten Forschende von Helmholtz Munich frühkindliche Virusinfektionen bei Kleinkindern als entscheidenden Umweltfaktor für die Entstehung von Typ-1-Diabetes identifizieren. „COVID-19 erhöht das Risiko für die Autoimmunerkrankung. Wir haben beobachtet, dass die Wahrscheinlichkeit, Inselautoantikörper zu entwickeln, um das Fünffache erhöht war, wenn Kinder mit einem erhöhten Risiko für Typ-1-Diabetes vor ihrem 18. Lebensmonat COVID-19 hatten“, berichtet Prof. Ezio Bonifacio, GPPAD-Wissenschaftler am Zentrum für Regenerative Therapien Dresden (CRTD).

Randomisierte, Placebo-kontrollierte Studie

In einer neuen Studie soll der Zusammenhang nun genauer untersucht werden. Die AVAnT1A-Studie – kurz für „Antiviral Action against Type 1 Autoimmunity“ – untersucht, ob eine Impfung gegen COVID-19 im Alter von sechs Monaten die Entstehung von Inselautoantikörpern verhindern und damit das Risiko für Typ-1-Diabetes senken kann. Dazu wird ein als sicher eingestufter und für Kinder ab dem Alter von sechs Monaten zugelassener Impfstoff eingesetzt, den das Zentrum für Pandemieimpfstoffe- und Therapeutika (ZEPAI) am Paul-Ehrlich-Institut bereitstellt. Da es sich um eine randomisierte, Placebo-kontrollierte Studie handelt, werden die teilnehmenden Kinder vorab zufällig in zwei Gruppen eingeteilt. Eine Gruppe erhält den wirksamen Impfstoff, die andere erhält als Kontrolle eine sogenannte Placebo-Impfung ohne Wirkstoff. Zudem ist die Studie doppelt verblindet. Weder die Forschenden, das Studienpersonal, noch die Familien selbst erfahren also vor Abschluss der Studie, welcher Gruppe ein Kind angehört.

Speichel- und Stuhlproben regelmäßig untersucht

„Da viele Infekte bei jungen Kindern fast ohne Krankheitszeichen stattfinden, bitten wir die teilnehmenden Familien außerdem darum, in regelmäßigen Abständen Speichel- und Stuhlproben ihrer Kinder einzusammeln“, erklärt Prof. Anette-Gabriele Ziegler, Direktorin des Instituts für Diabetesforschung bei Helmholtz Munich und von GPPAD, sowie Lehrstuhlinhaberin für Diabetes und Gestationsdiabetes am Klinikum rechts der Isar, Technische Universität München (TUM). Im Labor können die Forschenden in diesen Proben nachweisen, mit welchen Viren die Kinder Kontakt hatten. Das ermöglicht es, weitere Zusammenhänge zwischen Typ-1-Diabetes und Virusinfektionen im frühen Kindesalter aufzuklären. „Mit einer geplanten Anzahl von 2.252 Teilnehmenden ist die AVAnT1A-Studie die bisher größte Interventionsstudie zum Zusammenhang zwischen Typ-1-Diabetes und frühkindlichen Virusinfektionen. Die Erkenntnisse aus dieser Studie werden uns dabei helfen, dem Ziel einer Welt ohne Typ-1-Diabetes näher zu kommen“, sagt Prof. Sandra Hummel, leitende Wissenschaftlerin in der AVAnT1A-Studie bei Helmholtz Munich.

Neugeborenen-Screening als Grundlage

Zur Teilnahme an der AVAnT1A-Studie werden Kinder eingeladen, die ein erhöhtes genetisches Risiko für die Entwicklung von Typ-1-Diabetes haben. Das Risiko wird in einem Neugeborenen-Screening namens Freder1k getestet, an dem Säuglinge entweder direkt in der Geburtsklinik oder in der Kinderarztpraxis bis zur sechsten Lebenswoche teilnehmen können. Ein winziger Tropfen Blut aus Nabelschnur oder Ferse reicht hierfür aus. In Deutschland wird das Freder1k-Screening in Bayern, Niedersachsen, Sachsen sowie Thüringen angeboten. „Mit der AVAnT1A-Studie kommen wir dem Ziel, Typ-1-Diabetes zu verhindern, hoffentlich einen Schritt näher und können Kindern mit einem erhöhten Risiko zusätzlich eine engmaschige Überwachung anbieten", sagt Dr. med. Gita Gemulla, Kinderdiabetologin an der Universitätskinderklinik und GPPAD-Forscherin an der TU Dresden.

Früherkennung von Diabetes

Kinder, die an AVAnT1A teilnehmen, sollen maximal bis zu ihrem sechsten Geburtstag zu regelmäßigen Kontrolluntersuchungen eingeladen werden. Die Familien sollen so von der Teilnahme an einem Früherkennungsprogramm für Typ-1-Diabetes profitieren. Sollte ein Kind erste Anzeichen für die Autoimmunerkrankung entwickeln, könne dies im Rahmen der Studie frühzeitig erkannt und die Familie optimal betreut werden. Nach der POInT-Studie (kurz für: Primary Oral Insulin Trial) und der SINT1A-Studie (kurz für: Supplementation with B. INfantis for Mitigation of Type 1 Diabetes Autoimmunity) ist AVAnT1A nun die dritte Interventionsstudie der Forschungsplattform GPPAD, die neue Präventionsmöglichkeiten für Typ-1-Diabetes hervorbringen soll. Die POInT-Studie untersucht, ob die Gabe von Insulinpulver in den ersten drei Lebensjahren eine schützende Wirkung auf das Immunsystem hat und wird 2024 abgeschlossen. Teilnehmende der SINT1A-Studie erhalten im ersten Lebensjahr ein Probiotikum, das die Darmflora positiv beeinflussen und so eine Autoimmunreaktion vorbeugen soll. Seit März 2024 sind die Teilnehmenden der SINT1A-Studie vollständig, es können also keine weiteren Kinder eingeschlossen werden. Finanziert wird die Forschungsplattform GPPAD sowie sämtliche Studien durch den amerikanischen Leona M. and Harry B. Helmsley Charitable Trust.

Quelle: TU Dresden

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