Die Zellen, aus denen der menschliche Körper besteht, sind sehr unterschiedlich. Eine Leberzelle sieht anders aus als eine Muskelzelle, beide erfüllen völlig verschiedene Aufgaben, und dementsprechend stellen Leberzellen Proteine her, die charakteristisch für Leberzellen sind und Muskelzellen solche, die typisch für Muskelzellen sind. Der Bauplan dieser Proteine ist in den Genen gespeichert; diese sind jedoch in allen Zellen identisch.
Damit unterschiedliche Zellen aus der gleichen Erbinformation verschiedene Proteine herstellen können, benötigen sie spezielle Helfer. Verantwortlich dafür ist eine Gruppe von Molekülen, die man Transkriptionsfaktoren nennt. Transkriptionsfaktoren sorgen dafür, dass in jeder Zelle genau die Gene abgelesen und zur Proteinherstellung verwendet werden, die dort benötigt werden.
Wie funktionieren Transkriptionsfaktoren?
Die Frage, wie Transkriptionsfaktoren funktionieren, untersucht Dr. Elmar Wolf, Forschungsgruppenleiter am Biozentrum der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, mit seinem Team. Dabei haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor kurzem eine überraschende Beobachtung gemacht.
Was Elmar Wolfs Doktorand Apoorva Baluapuri beobachtet hat, erklärt er anhand einer Analogie: „Das Ablesen eines Gens kann man sich wie eine Zugfahrt vorstellen. Der zelluläre Apparat, der die Information des Gens abliest, ‚fährt‘ wie ein Zug am Anfang des Gens los. Nur wenn der Zug erfolgreich an seinem Ziel, dem Gen-Ende, ankommt, führt dies zur Herstellung des entsprechenden Proteins.“
Tankwarte und Signalgeber
Bislang gingen die Wissenschaftler davon aus, dass Transkriptionsfaktoren steuern, wie viele solcher „Züge“ am Anfang des Gens losfahren, also gewissermaßen als Signalgeber fungieren. Die Forscher in der Arbeitsgruppe Wolf haben jedoch jetzt die Beobachtung gemacht, dass Transkriptionsfaktoren nicht unbedingt die Anzahl an losfahrenden Zügen regeln, sondern vielmehr dafür sorgen, dass alle Züge am Ende ankommen und nicht auf halber Strecke liegenbleiben. Wie sie das machen, hat die Doktorandin Julia Hofstetter untersucht. Sie konnte zeigen, dass Transkriptionsfaktoren dafür sorgen, dass nur Züge losfahren, die tatsächlich alles dabei haben, was sie für ihre Reise benötigen. „Vereinfacht könnte man sagen, dass Transkriptionsfaktoren die Aufgabe von Tankwarten übernehmen“, sagt Wolf.
Warum ist es interessant, dass Transkriptionsfaktoren eher als „Tankwart“ und nicht als „Signalgeber“ arbeiten? „Zum einen ist dieses mechanistische Wissen wichtig, um zu verstehen, wie die verschiedenen Zellen des menschlichen Körpers entstehen“, erklärt Wolf. Zum anderen benötigen nicht nur normale Zellen, wie Leberzellen und Muskelzellen die Transkriptionsfaktoren. Vielmehr arbeiten auch Krebszellen mit ihnen, um die Proteine herzustellen, die sie für ihr Wachstum brauchen. So trägt der Transkriptionsfaktor Myc, an dem die beiden Nachwuchswissenschaftler forschen, zur Entstehung der meisten Krebserkrankungen entscheidend bei.
Das Wachstum von Krebszellen bremsen?
Elmar Wolf und sein Team hoffen nun, dass ein besseres Verständnis der Wirkungsweise von Transkriptionsfaktoren auch Wege aufzeigt, wie man diese in bösartigen Erkrankungen hemmen kann. Oder, wie es Wolf formuliert: „Wäre es nicht gut, wenn man dafür sorgen könnte, dass Krebszellen nicht mehr wachsen können, weil in ihnen die Züge aus Mangel an Treibstoff liegenbleiben?“ (idw, red)
Baluapuri A, Hofstetter J, Dudvarski Stankovic N, et al.: MYC recruits SPT5 to RNA polymerase II to promote processive transcription elongation. Molecular Cell, online 27.03.2019, DOI: 10.1016/j.molcel.2019.02.031.
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