Strahlenschutz: Jahresbericht 2020 erschienen

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Jahresbericht zum Strahlenschutz
Jahresbericht zum Strahlenschutz erschienen MQ-Illustrations, stock.adobe.com
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Um das hohe Niveau des Strahlenschutzes bei Strahlenanwendungen in der Medizin zu gewährleisten und kontinuierlich zu verbessern, werden in Europa unbeabsichtigte oder unfallbedingte Vorkommnisse in der Medizin erfasst und ausgewertet.

Dafür hat das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) 2019 ein webbasiertes System eingerichtet. Jetzt ist der Jahresbericht 2020 erschienen. Insgesamt seien medizinische Strahlenanwendungen in Deutschland sehr sicher, so das BfS. Dennoch könne es in Diagnostik und Therapie – sehr selten – zu Fehlern kommen, wodurch eine Person unbeabsichtigt vermehrt ionisierender Strahlung ausgesetzt werde. Dazu gehöre auch Röntgenstrahlung.

Das BfS arbeitet die Meldungen dazu wissenschaftlich auf , um vergleichbare Vorkommnisse zukünftig in anderen Einrichtungen möglichst zu vermeiden. Die Ergebnisse und daraus abgeleitete Empfehlungen für den Strahlenschutz werden regelmäßig in einem Jahresbericht veröffentlicht.

Das Bundesamt für Strahlenschutz appelliert an die Strahlenschutzverantwortlichen aus dem ambulanten wie dem stationären Sektor, eine entsprechende Fehlerkultur in ihren Einrichtungen zu fördern und  bedeutsame Vorkommnisse stets unverzüglich an die jeweils zuständige Aufsichtsbehörde zu melden. Das erfordere die Mitwirkung aller, die an der Anwendung von Strahlung zu medizinischen Zwecken am  Menschen beteiligt sind, angefangen von technischen Assistenten/-innen über Mediziner/-innen bis hin zu Medizinphysiker/-innen. Nur so könne ein gemeinsamer Lernprozess über alle Hierarchieebenen hinweg in Gang kommen und im Sinne des Patientenschutzes zu Verbesserungen von medizinischen Strahlenanwendungen führen.

Im aktuellen Jahresbericht wurden wieder einige Fälle aufgeführt, die teils gravierende Auswirkungen hatten. Für das Jahr 2020 ergeben sich laut BfS Informationen zu 102 abgeschlossenen Meldungen über bedeutsame Vorkommnisse, welche im Bericht berücksichtigt wurden. Die noch nicht abgeschlossenen Meldungen werden in den nächsten Jahresbericht einbezogen. Alle bislang vorliegenden Meldungen beziehen sich ausschließlich auf medizinische Expositionen. Zu Expositionen von untersuchten Personen bei nichtmedizinischen Anwendungen erfolgten laut BfS keine Meldungen.

Auf die Strahlentherapie entfielen im vergangenen Jahr 47 Vorkommnisse (Vorjahr: 53), auf die Röntgendiagnostik 35 (8), auf Interventionen 13 (1) und zur Nuklearmedizin 7 (11). Laut BfS wurden die häufigsten Meldungen im Bereich der Röntgendiagnostik und Strahlentherapie aus Krankenhäusern der Maximalversorgung berichtet, gefolgt von der Strahlentherapie in medizinischen Versorgungszentren. Wie bisher schon entfielen die meisten Meldungen auf die Strahlentherapie, wobei das Gros hiervon wiederum Personen (19)- und Bestrahlungsplanverwechslungen (14) betrafen. Bei der Katgeorie IV (Behandlungen mit offenen radioaktiven Stoffen) kam es immerhin einmal zu einer Pharmakonverwechslung und einem Paravasat nach Injektion.

Besonders aufschlussreich sind immer die Beispiele für bedeutsame Vorkommnisse, die im Bericht geschildert werden. Hierzu zählt z.B. folgender Fall aus der Strahlentherapie:

Bei einem Patienten sei laut BfS eine fraktionierte Strahlentherapie mit zwei verschiedenen Zielvolumina verschrieben worden, bei der es zu einer Verwechslung der Bestrahlungspläne gekommen sei. Vorgesehen waren eigentlich Zielvolumen A (ZV A): Lungentumor, Gesamtreferenzdosis 35 Gy à 3,5 Gy und Zielvolumen B (ZV B): Ganzhirn, Gesamtreferenzdosis 30 Gy à 2,5 Gy mit simultan integrierter Dosisaufsättigung einer Hirnmetastase auf insgesamt 51 Gy à 4,25 Gy. In einer Sitzung sei der Patient nach erfolgreicher Identifikation mit einem Bar-Code-System durch zwei MTRA mit seiner individuellen Kopf-Maske zur Bestrahlung im ZV B auf dem Lagerungstisch eingestellt, im Beschleunigersteuersystem jedoch die Bestrahlungsfelder der Lungenbestrahlung (ZV A) ausgewählt worden. Die longitudinalen Tischwerte seien vom System jedoch als nicht korrekt angezeigt worden. Daraufhin hätten die MTRA den Patienten so auf dem Tisch umgelagert, dass die Tischwerte übereinstimmten und das System die Bestrahlung freigab. Ein visueller Abgleich zwischen den Systemvorgaben und der tatsächlichen Lagerung des Patienten im Sinne einer Plausibilitätskontrolle sei dabei nicht erfolgt. Der Patient sei daraufhin am Kopf (ZV B) mit dem Bestrahlungsplan des Lungentumors (ZV A) bestrahlt worden. Beim Umlagern auf das andere Zielvolumen (ZV A) sei den MTRA die Verwechslung der Bestrahlungspläne aufgefallen. Der behandelnde Facharzt sowie der Medizinphysik-Experte (MPE) seien sofort benachrichtigt und der Ereignisablauf recherchiert worden. Die Bestrahlung des weiteren Zielvolumens sei am Tag des Vorkommnisses ausgesetzt worden. In Folge dieses Vorkommnisses sei das an der Bestrahlungseinrichtung tätige Personal für die Wichtigkeit der eindeutigen gemeinsamen Identifikation der zu bestrahlenden Person sowie der zugehörigen zu behandelnden Bestrahlungszielvolumina sensibilisiert worden. Die entsprechende Arbeitsanweisung sei ergänzt worden. Erfolge die Identifikation von zu bestrahlender Person und Zielvolumen nicht automatisch und zweifelsfrei durch technische Hilfsmittel, sei zukünftig die zusätzliche Freigabe eines/einer fachkundigen Arztes/Ärztin erforderlich. Zusätzlich sei bei Unklarheiten oder Fehlermeldungen ein/e Facharzt/Fachärztin und/oder ein/e MPE hinzuzuziehen.

Radiopharmakon-Verwechslung

Bei einer Radiopharmakon-Verwechslung in der nuklearmedizinischen Therapie sollte einem Patienten mit Somatostatinrezeptor(SSR)-positiven Metastasen eigentlich ein mit Lu-177 markiertes Octreotid-Derivat zur Behandlung verabreicht werden. Stattdessen sei jedoch eine therapeutische Dosis eines Lu-177 markierten prostataspezifischen Membran-Antigen-(PSMA)-Liganden verabreicht worden, der zur Behandlung von Prostatakarzinomen eingesetzt wird. Der Fehler sei bei den anschließenden Dosimetrie-Messungen festgestellt worden.

Die Bewertung aus Sicht des BfS:„Auf Grund der in der nuklearmedizinischen Therapie auf einmal applizierten Dosis – sowohl im Zielvolumen als auch in den Risikoorganen – ist eine Radiopharmakon-Verwechslung trotz geringer Eintrittswahrscheinlichkeit mit einem hohen Gefährdungspotential verbunden. Daher ist durch redundante Maßnahmen dafür zu sorgen, dass ein Fehler, wie die falsche Umsetzung der Radiopharmakon-Bestellung, auffällt und korrigiert wird.“

Dosisüberschreitungen bei CT-Untersuchung

Ein Fall aus dem Bereich der bedeutsamen Dosisüberschreitungen bei CT-Untersuchungen des Gehirns soll noch geschildert werden. Bei 102 Betroffenen sei im Rahmen von CT-Untersuchungen des Gehirns die Meldeschwelle gemäß Kriterium I.1 Anlage 14 StrlSchV und Kriterium I.2.a Anlage 14 StrlSchV überschritten worden. In einer Klinik sie ein neues CT-System angeschafft worden. Den MTRA seien nach Inbetriebnahme die hohen Dosiswerte bei Untersuchungen des Gehirns aufgefallen. Nach Rücksprache sei jedoch keine Änderung durch den Hersteller erfolgt, um die Bildqualität nicht zu verschlechtern. Die Einrichtung habe dem zuständigen, seit Jahresbeginn vertraglich mit ihr verbundenen MPE auf Grund datenschutzrechtlicher Bedenken keinen Zugriff auf die betrieblichen Systeme gewährt. Ein Dosismanagementsystem habe sich in noch in der Beschaffung befunden, sei jedoch noch nicht installiert gewesen. Als der MPE nach knapp drei Monaten Zugriff erhalten habe, habe er die Dosisüberschreitungen bemerkt, den Strahlenschutzbeauftragten über die Vorkommnisse informiert und eine Optimierung des entsprechenden Untersuchungsprotokolls durchgeführt. Durch weitere Mängel sei allerdings der/die Strahlenschutzverantwortliche erst über einen Monat später bezüglich der bedeutsamen Vorkommnisse in Kenntnis gesetzt worden. Die Meldung an die zuständige Behörde sei zudem über weitere zwei Wochen später erfolgt.

Die Bewertung aus Sicht des BfS:„CT-Untersuchungen des Hirnschädels sollten bei Standardpatienten die diagnostischen Referenzwerte von CTDIvol = 60 mGy und DLP = 850 mGy∙cm nicht überschreiten. Zwar kann hiervon im Einzelfall im Rahmen einer rechtfertigenden Indikation (z. B. bei einer Untersuchung zur Beurteilung der Gehirnperfusion) abgewichen werden, die am Gerät herstellerseitig eingestellten Protokolle sollten sich jedoch an den DRW orientieren und keinesfalls zu einer systematischen Überschreitung des Meldekriteriums nach Nummer I.2.a Anlage 14 StrlSchV führen. Des Weiteren müssen die Betriebsabläufe einer Einrichtung darauf ausgerichtet sein, Vorkommnisse zu vermeiden, zu erkennen und ihre nachteiligen Folgen zu minimieren (vergleiche § 105 StrlSchV). Die entsprechende Meldung an die zuständige Behörde hat gemäß § 108 Absatz 1 StrlSchV unverzüglich zu erfolgen. Generalisierte Schlussfolgerungen sind in Abschnitt 4.2.3 zu finden.“


Quelle: BfS

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