Während in der Andenregion Südamerikas schon seit Jahrhunderten zu medizinischen Zwecken an Kokablättern gekaut wurde, machten sich die indigenen Völker auch die stimmungsaufhellende Wirkung, die gesteigerte Leistungsfähigkeit sowie das Verschwinden von Hunger- und Müdigkeitsgefühlen bei der Jagd, bei langen Märschen und der Feldarbeit zunutze. In Europa begeisterten sich Forscher und Mediziner im 19. Jahrhundert an der Wirkung der Kokablätter und durch die Synthetisierung von Kokain im Jahr 1855 gelangte die Droge auf den Weltmarkt. Sie wurde in Apotheken verkauft und diente der Behandlung von Alkoholikern und Morphinabhängigen.
Freud verliebte sich in die physischen und psychischen Wirkungen des Koks und versprach sich vom Kokain-Konsum eine Kräftigung und Verbesserung der Stimmungslage. Mit 28 Jahren, genauer gesagt am 30. April 1884 nahm er zum ersten Mal Kokain. Im Juni 1884 publizierte er seine wissenschaftlichen Untersuchungen zu Kokain, „Über Coca“, und sprach darin eine Empfehlung für Kokain aus: „Wenige Minuten nach der Einnahme stellt sich eine plötzliche Aufheiterung und ein Gefühl von Leichtigkeit her.“ Es sollte gegen Hysterie, Hypochondrie und Depressionen helfen und sich als Ersatzmittel für Morphiumabhängige bewähren. Außerdem sei das Koks ein Heilmittel gegen Appetitlosigkeit und Magenbeschwerden. Freud beendete seine Schrift „Über Coca“ mit den Worten: „Anwendungen, die auf der anästhesirenden Eigenschaft des Cocains beruhen, dürften sich wohl noch mehrere ergeben.“
Auch wenn Kokain in der Behandlung von Suchtkranken nicht die erhofften Erfolge brachte, führten Freuds Untersuchungen in einer anderen medizinischen Sphäre zu Fortschritten: der Lokalanästhesie. Erst durch den Tod eines Freundes, welcher durch Freud die Droge konsumiert hatte, kam Sigmund Freud zu einem Umdenken, und seine Euphorie für die Droge ebbte ab. Noch heute ist unklar, ob er selbst an den Folgen seiner Abhängigkeit starb oder wegen Mundhöhlenkrebs.
Doch was genau ist Kokain?
Kokain ist ein Naturprodukt, nämlich ein Extrakt aus den Blättern von Erythroxylon coca (Cocastrauch). Dieser Strauch wächst in den Tropen und ist die einzige bekannte natürliche Quelle von Kokain. Die Blätter enthalten etwa 1 Prozent Kokain. Durch ein chemisches Verfahren gelang es, daraus Kokainhydrochlorid zu gewinnen, das als weißes, kristallines Pulver bekannt ist. Kokain steht unter internationaler Kontrolle. Es erhöht die Transmitterkonzentrationen in den noradrenergen und dopaminergen Synapsen und wirkt auch als Anästhetikum. Es erzeugt, wie Amphetamin, Euphorie, Tachykardie, Hypertonie und Appetitlosigkeit. Kokain führt schnell in eine psychische Abhängigkeit, vor allem bei Rauchern von Kokainbase, auch als Crack bezeichnet.
Beim Rauchen und intravenösen Spritzen setzt die Wirkung von Kokain schnell und vehement ein, klingt aber genauso schnell auch wieder ab. Bereits nach 10 bis 15 Minuten verschwindet die Euphorie wieder. Die häufigste Konsumform ist das Sniffen. Die Wirkung entfaltet sich nach ein paar Minuten und dauert circa 20 bis 60 Minuten an.
Durch den Konsum von Kokain verbraucht der Körper seine Kraftreserven. Die körperliche Beanspruchung, gar Überbeanspruchung, kann sich auch durch
Verwirrtheit und Bewusstseinsstörungen,
Krampfanfälle,
gesteigertes Aggressionspotenzial,
paranoide Wahnvorstellungen/Halluzinationen,
Lähmung des Atemzentrums und
Herzinfarkt zeigen.
Durch Niedergeschlagenheit, Müdigkeit und Erschöpfung ist das Rauschende geprägt. Ebenso kann es zu Angstzuständen, Schuldgefühlen, Selbstvorwürfen und Suizidgedanken kommen.
Mit seinem „Liebesbrief“ an das Kokain, „Über Coca“, trat Freud 1885 die erste Kokainwelle in Europa los. Noch heute ist Kokain eine der weltweit am häufigsten konsumierten Drogen und hat sich auch als „Droge der Reichen und Schönen“ einen Namen gemacht.
Literatur
1. Kokain. Wikipedia.
2. Kokain – der Mythos des weißen Pulvers. www.focus.de/gesundheit/ratgeber/psychologie/sucht/drogen-serie-was-deutschland-raucht-spritzt-und-schnupft-kokain-der-mythos-des-weissen-pulvers_id_4641880.html (last accessed on 21. Dezember 2022).
3. Scherbaum N, Parnefjord R: 12 Kokain. Das Drogentaschenbuch, Thieme, 2017, DOI: 10.1055/b-003–125768.
4. Freud S: Über Coca. Verlag von Moritz Perles, Wien, 1885 (neu durchgesehener und vermehrter Separat-Abdruck).
Entnommen aus MT im Dialog 4/2023
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