Sepsis: Extrem hohe Sterberaten in Deutschland
Laut Sepsis Stiftung seien die meisten der jährlich mehr als 100.000 Todesfälle durch Sepsis in Deutschland durchaus vermeidbar. Dies belege erneut eine australische Qualitätsverbesserungsinitiative mit der Devise „An Sepsis denken und schnell handeln“ im Bundesstaat Victoria. Dort sei es innerhalb eines Jahres gelungen, die Krankenhaussterblichkeit bei Sepsis von 17,5% auf 11,3% zu senken. Die Behandlungskosten reduzierten sich dabei um 11,7 Millionen Dollar bei Kosten von 1,8 Millionen für die Durchführung der Kampagne [1]. Für Deutschland habe sich im Rahmen einer aktuellen Krankenakten-basierten Erhebung in 10 Krankenhäusern, bei Sepsis mit gleichem Schweregrad, eine Sterberate von 27,8% [2] gezeigt.
Priorisierung von Sepsis gefordert
Aufgrund der inakzeptabel hohen Anzahl von vermeidbaren Sepsis-bedingten Todesfällen in Deutschland fordert die Sepsis Stiftung die Priorisierung von Sepsis in allen relevanten Bereichen Gesundheitssystems, eine konsequente Umsetzung der Krankenhausreform und gesetzgeberische Maßnahmen zur Umsetzung von Qualitätssicherungsmaßnahmen, die anderswo Standard seien. Dazu gehören:
- Die verpflichtende Vorhaltung fachübergreifender medizinischer Notfallteams in den Akutkrankenhäusern in Kombination mit der regelmäßigen krankenhausweiten Schulung des medizinischen Personals in der Früherkennung von Sepsis und akut lebensbedrohlich Erkrankter
- Verordnungen zur Gewährleistung der effektiven Nutzung vorhandener, aber derzeit ungenügend „Critical Incidence Reporting Systeme“ (CIRS) zur Identifizierung von potenziell tödlichen Lücken im Gesundheitssystem.
„Allein die für alle Krankenhäuser in Australien verpflichtende Einführung von Qualitätssicherungsmaßnahmen hat zwischen 2000 und 2012 zu einer Reduzierung der Sepsissterblichkeit im Krankenhaus von 35% auf 18% geführt“, betont der Vorsitzende der Sepsis Stiftung, Professor Konrad Reinhart. Fehlende Spezialisierung, mangelnde Transparenz zu den Behandlungsergebnissen, das Fehlen einer unabhängigen externen Qualitätskontrolle der Krankenhäuser und mangelhafte und gesundheitliche Aufklärung, trügen erheblich zu den insgesamt jährlich in Deutschland mehr als 200.000 vermeidbaren Todesfällen bei und erklärten, dass im EU Ländervergleich Deutschland einen Mittelplatz bei der Qualität des Gesundheitssystems einnehme [3]. Eine Reduzierung der Todesfälle durch Sepsis erfordere eine konsequente Reform des Gesundheitswesens mit:
- einer konsequenten Stärkung der Notfall- und Infektionsmedizin sowie des Öffentlichen Gesundheitsdienstes
- der gezielten Spezialisierung mit der Durchsetzung der Mindestmengenvorgaben für komplexe medizinische Eingriffe
- der Abschaffung von Fehlanreizen, bei der Vergütung zur Übertherapie führe und schlechte Behandlungsqualität indirekt belohnt werde
Unkenntnis hoch, Impfraten niedrig
Dass die Unkenntnis von Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland über die Warnsymptome für eine Sepsis und die Präventionsmöglichkeiten von Sepsis hoch und die Impfraten im internationalen Vergleich niedrig seien, erfordere laut Sepsis Stiftung zudem die Stärkung der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung durch breite Aufklärung über:
- die Frühsymptome und die Notwendigkeit der Behandlung einer Sepsis als Notfall
- das Potenzial von Impfungen, der Beachtung der Hygieneregeln und einer konsequenten Behandlung von Infektionen zur Vermeidung Sepsis.
Die sehr erfolgreiche flächendeckende Aufklärung über AIDS und andere sexuell übertragbare Krankheiten könnte hier ein Vorbild sein. Joachim Greuner, dessen hochschwangere Frau in einem Universitätsklinikum aufgrund einer als „Frühjahrsgrippe“ verkannten Sepsis innerhalb von 36 Stunden nach Krankenhausaufnahme zusammen mit ihrem noch ungeborenen Sohn verstarb, erklärt: „Für mich ist es immer noch unfassbar, dass drei Ärzte nicht in der Lage waren, die richtige Diagnose bei meiner Frau zu stellen. Hätte ich damals mehr über Sepsis Bescheid gewusst, hätte ich diese fatale ärztliche Inkompetenz nicht hingenommen und gefragt: ‚Könnte es Sepsis sein‘.“
„Bisherige Maßnahmen greifen zu kurz“
Die Unterstützung der Bundesregierung durch die Finanzierung der Kampagne „Deutschland erkennt Sepsis“ und die Aufnahme von Sepsis in die Deutschen Antibiotika-Resistenzstrategie DART 2030, sei sehr begrüßenswert. „Angesichts der Dimension und des Problems greifen die bisherigen Maßnahmen der Politik zu kurz“, betont der Vorsitzende des Kuratoriums der Sepsis Stiftung, Professor Dr. Tobias Welte von der MH Hannover. „Das Beispiel der immensen Einsparmöglichkeiten im Rahmen der Aufklärungsmaßnahmen in Victoria zeigt, dass Qualität bei der Versorgung nicht nur zahlreiche Menschenleben rettet, sondern auch mit einer erheblichen Kostensenkung einhergeht“, schlussfolgert Welte.
Quelle: idw/Sepsis-Stiftung
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