Proteom von Neutrophilen mit nur 1.000 Zellen analysieren
Die Analyse des Neutrophilen Proteoms (der Mehrheit aller exprimierten Proteine) kann wertvolle Einblicke in die funktionelle Dynamik der Neutrophilen unter Krankheitsbedingungen liefern. Doch obwohl Neutrophilen bei gesunden Menschen etwa 60 Prozent der Leukozyten ausmachen, sind es in Entzündungsherden oft weniger als 1.000 Zellen. Die Verfügbarkeit von Probenmaterial kann daher zu einem Problem werden, insbesondere bei seltenen Populationen von Neutrophilen, wie in Tumoren. Bislang mussten Forschende deshalb Zellen von mehreren Menschen oder Tieren zusammenführen. Mit dem innovativen Ansatz eines Teams von ISAS, des Universitätsklinikums Essen und der Universität Münster sollen nun neue Möglichkeiten zur Evaluierung von Immunreaktionen innerhalb einzelner Entzündungsherde eröffnet werden. „Mit unserem Ansatz können wir das Proteom von Neutrophilen mit nur 1.000 Zellen aus einem einzigen Entzündungsherd bei einer Person oder einem Versuchstier analysieren. Dies ermöglicht nicht nur spezifischere Neutrophilen-Analysen, sondern schont auch die Probenressourcen, was insbesondere für eine niedrige Zahl von Tierversuchen von Vorteil ist“, berichtet Susmita Ghosh, Erstautorin der Studie und Doktorandin am ISAS.
Spektralbibliotheken und Neutrophilen-Proteom-Webservice öffentlich zugänglich
Um die Anzahl der für die Proteomanalyse mittels Flüssigchromatografie-Massenspektrometrie (Liquid Chromatography Mass Spectrometry, LC-MS) benötigten Zellen zu reduzieren, optimierten die ISAS-Forscherinnen und -Forscher den Proteinverdau während der Probenvorbereitung sowie die Methode der LC-MS-Datenakquise. Auf diese Weise entstanden umfangreiche, speziesspezifische Spektralbibliotheken mit Neutrophilen aus dem Blut von fünf gesunden Menschen und fünf gesunden Mäusen. Die Datensammlungen umfassen jeweils ca. 5.300 menschliche bzw. ca. 6.200 Mausproteine und liefern wertvolle Erkenntnisse über die proteomischen Unterschiede zwischen humanen und murinen Neutrophilen. Die Spektralbibliotheken und der Neutrophilen-Proteom-Webservice sind öffentlich zugänglich, sodass die wissenschaftliche Gemeinschaft sie als Referenzwerte für ihre eigenen Neutrophilen-Analysen nutzen kann.
Erfolgreicher Test
Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler validierten ihre Methode, indem sie die Neutrophilen in zwei verschiedenen Szenarien untersuchten. Zunächst analysierten sie Neutrophilen aus den Gehirnen von Mäusen nach einem Schlaganfall. Die Zellen hatten auf die glukosearme Umgebung reagiert, indem sie ihre mitochondriale Aktivität erhöhten und mehr reaktive Sauerstoffspezies produzierten. Darüber hinaus untersuchten sie menschliche Neutrophilen. Um eine vom Nervensystem ausgelöste kurzfristige Entzündung in der Mundhöhle zu simulieren, spülten sieben Versuchspersonen beim Projektpartner in Münster ihren Mund mit einer Tabasco-haltigen Lösung. Dies führte dazu, dass Neutrophilen aus der Blutbahn in das entzündete Gewebe einwanderten. Es habe sich gezeigt, dass diese transmigrierten Zellen nach der Wanderung ebenfalls funktionelle Veränderungen durchliefen, die die Forscher auch mittels Durchflusszytometrie bestätigten. Das Forschungsteam betont, dass diese beiden unterschiedlichen Szenarien zeigten, dass die Methode inklusive der Spektralbibliothek für verschiedene Entzündungsmodelle geeignet sei.
Die Wissenschaftler/-innen arbeiten bereits daran, ihre Methode weiter zu verbessern, berichtet Ghosh: „Langfristig wollen wir proteomische Analysen für eine Handvoll von Neutrophilen ermöglichen, zum Beispiel für besonders kleine Subpopulationen oder sogar einzelne Zellen. Erste Ergebnisse mit nur fünf Zellen sind bereits vielversprechend.“
Quelle: idw/Leibniz-Institut für Analytische Wissenschaften - ISAS - e. V.
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