Krankenhausinfektionen mit multiresistenten Erregern sind weltweit zunehmend eine Herausforderung: Jährlich erkranken rund 500.000 Patientinnen und Patienten allein in Deutschland daran, etwa 10.000 bis 15.000 von ihnen sterben. Doch wie können solche Infektionen verhindert werden? Und kann eine neue Raumplanung die Übertragung der Erreger verringern? Dazu forscht ein interdisziplinäres Team im Verbundprojekt KARMIN. Architektinnen und Architekten der Technischen Universität Braunschweig, Medizinerinnen und Mediziner des Instituts für Hygiene und Umweltmedizin der Charité – Universitätsmedizin Berlin sowie Molekularbiologinnen und Molekularbiologen des Universitätsklinikums Jena entwickelten gemeinsam mit Unternehmenspartnern ein infektionspräventives Patientenzimmer.
Die Expertinnen und Experten des KARMIN-Projekts haben sich sowohl mit hygienischen als auch mit den architektonischen Herausforderungen bei der Planung von Patientenzimmern beschäftigt. In zwei Studien hat das Team um Prof. Dr. Petra Gastmeier und Dr. Rasmus Leistner vom Institut für Hygiene und Umweltmedizin der Charité zunächst untersucht, wie sich das Mikrobiom, also die Gesamtheit der Mikroorganismen, auf den Oberflächen im Krankenhaus aufbaut und wie verschiedene Reinigungsmaßnahmen Einfluss auf das Mikrobiom im Krankenhaus nehmen können. „Wir freuen uns, dass wir im Rahmen dieses gemeinsamen Projektes einen weiteren Beitrag zur Infektionsprävention leisten können. Das Krankenhaus soll auch zukünftig ein sicherer Ort für Patientinnen und Patienten sein. Mit diesem Projekt wollen wir eine Alternative darstellen“, erklärt Prof. Gastmeier, Direktorin des Instituts für Hygiene und Umweltmedizin der Charité.
Leicht zu reinigende Materialien und Oberflächen
Eine kluge Raumplanung kann hier helfen, die Übertragung gefährlicher Keime in Krankenhäusern zu verhindern. Das konnte das Team aus Architektinnen und Architekten um KARMIN-Projektleiter Dr. Wolfgang Sunder vom Institut für Konstruktives Entwerfen, Industrie- und Gesundheitsbau (IKE) der TU Braunschweig zeigen. Gemeinsam mit Industriepartnern haben sie einen Prototypen für ein neuartiges Patientenzimmer gebaut. Grundlage für den Entwurf des infektionspräventiven Zweibettzimmers bildeten unter anderem Workshops mit Pflegepersonal und Reinigungskräften. „Die Expertise von Fachexperten und einzelnen Nutzern des Patientenzimmers wurde gezielt abgefragt und dokumentiert. Auf Grundlage der Erkenntnisse dieser Analysen wurden dann Anforderungen erstellt, die als Grundlage für den Entwurf des infektionssicheren Patientenzimmers dienten“, beschreibt Dr. Sunder die methodische Herangehensweise.
Einer der Hauptübertragungsfaktoren von multiresistenten Erregern ist das Bad. Deshalb sind im KARMIN-Prototypen zwei Nasszellen im Zwei-Bett-Zimmer vorgesehen. Wichtig war es den Planerinnen und Planern, leicht zu reinigende Materialien und Oberflächen zu wählen. Außerdem sollten hohe Hygienestandards und sinnvolle Pflegeabläufe besser miteinander verbunden werden.
Vier Desinfektionsmittelspender
So verfügt das KARMIN-Patientenzimmer beispielsweise über einen Eingangsbereich mit Bedienpanel zur Raumbeleuchtung und Pflege-Arbeitsbereiche in der Nähe der Patientenbetten. Der Prototyp hat insgesamt vier Desinfektionsmittelspender entlang der Arbeitsrouten und in der Nähe der Patientenbetten mobile und fugenlos aufgebaute Nachttische. Ein spezielles Lichtsystem führt Patientinnen und Patienten auch in der Nacht sicher zu ihrer Nasszelle. „Das KARMIN-Patientenzimmer zeigt, dass sich die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit von Architekten, Designern und Medizinern unter der Einbindung von Praxispartnern lohnt. Dadurch konnte eine Reihe von innovativen Lösungen vom Detail bis zum Raum entstehen“, berichtet Dr. Sunder.
Aufbauend auf den KARMIN-Empfehlungen soll im Rahmen eines Folgeprojekts an der Charité ein infektionspräventives Patientenzimmer unter Berücksichtigung der dortigen baulichen Gegebenheiten entwickelt werden. Die Ergebnisse sollen in konkrete Bauvorhaben, wie beispielsweise das Deutsche Herzzentrum der Charité, einfließen.
Quelle: Charité, 26.10.2020
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