Patientenbeauftragte fordert Aufwertung der Gesundheitsberufe
1. Schneller Zugang zu Ärzten und Psychotherapeuten
Patientinnen und Patienten erwarteten zu Recht, dass das Gesundheitssystem ihnen einen zeitnahen Zugang auch zu Fachärzten und Psychotherapeuten bietet. „Hierzu wurden die Terminservicestellen eingerichtet – einige davon waren aber in Stichproben kaum erreichbar. Das muss sich ändern! Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) rechnet mit 190.000 vermittelten Terminen im Jahr 2017. Das sind 190.000 Menschen, die einen dringenden Termin brauchten und ihn anders nicht bekommen haben. Diese Menschen im Regen stehen zu lassen, kann nicht ärztlicher Anspruch sein. Die KBV räumt selbst ein, dass darüber hinaus noch viele Patienten angerufen haben, ohne dass es zu einem Kontakt mit einem Ansprechpartner kam.“
Die Patientenbeauftragte fordert deshalb die betreffenden Kassenärztlichen Vereinigungen auf, hier tätig zu werden, sonst müsse gesetzlich nachgesteuert werden. „Prüfenswert ist auch der Einsatz von Patientenlotsen. Sinnvoll in bestehende Strukturen eingebunden, können sie eine zielgenaue, den individuellen Bedürfnissen der Patienten gerecht werdende Beratung und Unterstützung kosteneffizient leisten.“
2. Gerechtigkeit bei Behandlungsfehlern
Nach einem Behandlungsfehler Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld durchzusetzen, ist, so die Patientenbeauftragte, auch fünf Jahre nach dem Patientenrechtegesetz schwierig. Insbesondere der Nachweis, dass der Fehler in der Behandlung den Gesundheitsschaden verursacht hat, sei häufig eine (zu) große Hürde. „Um für einen gerechten Ausgleich zwischen Patienten und Behandlern zu sorgen, ist das Beweismaß für diesen Ursachenzusammenhang auf die überwiegende Wahrscheinlichkeit abzusenken. So lassen sich die bestehenden Ungerechtigkeiten im Kern beseitigen.“
3. Transparenz über Kassenentscheidungen
Für Patienten sind die Entscheidungen der Kranken- und Pflegekassen oft nicht transparent, sie werden häufig sogar als willkürlich wahrgenommen. So gilt der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) vielen Patienten als der verlängerte Arm der Krankenkassen – nicht zuletzt, weil in seinen Verwaltungsräten Kassenmitarbeiter vertreten sind. Der MDK müsse deshalb mit dem Ziel größerer Unabhängigkeit weiterentwickelt werden. Darüber hinaus müssten die Widerspruchsausschüsse der Kranken- und Pflegekassen transparenter werden sowie zeitnah und unabhängig entscheiden.
Die Einbindung von Patientenvertretern sei hierzu ebenfalls ein wesentliches Kriterium. Und nicht zuletzt müssten die Krankenkassen verpflichtet werden, Transparenz darüber zu schaffen, wie oft Anträge abgelehnt und erst im Widerspruchsverfahren genehmigt werden. Denn vom Wettbewerb zwischen den Krankenkassen könnten Patienten nur dann profitieren, wenn die Unterschiede zwischen den Krankenkassen auch in diesen Punkten sichtbar sind.
4. Gesundheitsfachberufe aufwerten
Pflegefachkräfte und andere Gesundheitsfachberufe sind zusammen mit Abstand die größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen und von erheblicher Bedeutung für die Versorgung von Patienten und Pflegebedürftigen. Fischbach fordert: „Die Attraktivität dieser Berufe muss durch kostenlose und moderne Ausbildungen und durch eine angemessene Vergütung in und nach der Ausbildung gekennzeichnet sein. Stolpersteine für eine tatsächliche Zahlung von Tariflöhnen für alle Beschäftigten müssen vom Gesetzgeber aus dem Weg geräumt werden, unter anderem für Physio- und Ergotherapeuten, Logopäden und Pflegekräfte ambulanter Pflegedienste. Weiterhin muss die Handlungs- und Entscheidungskompetenz erweitert sowie die Anbindung an die elektronische Gesundheitskarte endlich realisiert werden. Nur so kann auf Dauer sichergestellt werden, dass junge Menschen motiviert diese Berufe ergreifen und Fachkräfte langfristig im Beruf verbleiben. Das ist ein wichtiger Baustein für die Weiterentwicklung des Gesundheitssystems.“
5. Qualität sichtbarer machen
Im Gesundheitssystem fehlt es, so Fischbach, für Patienten nach wie vor an ausreichender Transparenz darüber, wo ihnen gute Versorgungsqualität geboten wird. „Deshalb muss die in der letzten Legislaturperiode im Krankenhausbereich begonnene Entwicklung zu mehr Transparenz über die Versorgungsqualität mutig fortgeführt und auf den ambulanten Bereich ausgedehnt werden. Es sind Methoden und Indikatoren zu entwickeln, mit denen Qualität und Patientensicherheit im ambulanten wie im stationären Bereich gemessen und verständlich abgebildet werden können. Die Qualität von Gesundheitseinrichtungen sollte auch daran gemessen werden, wie diese auf Patienten mit eingeschränkter Gesundheitskompetenz eingehen, denn immerhin ist das ein Problem für mehr als die Hälfte der Bevölkerung. Ergänzend müssen große Anstrengungen unternommen werden, die Gesundheitskompetenz der Bürger zu fördern. Nur wenn Patienten in der Lage sind, die Qualität der Versorgungsangebote zu beurteilen, können sie das für sie passende Angebot wählen.“
6. Vollstationäre Reha-Angebote für pflegende Angehörige verbessern
Für Vorsorge- und Reha-Maßnahmen gelte grundsätzlich „ambulant vor stationär“. Durch ambulante Maßnahmen am Wohnort werden pflegende Angehörige jedoch oftmals nicht ausreichend entlastet. Denn sie kehren täglich in das Pflegesetting zurück. Ihnen muss deshalb der Zugang zu vollstationären Reha-Angeboten erleichtert werden. Gleichzeitig müssten Angebote für Kurzzeit- und Verhinderungspflege sowie Tages- und Nachtpflege ausgebaut werden, damit die pflegebedürftigen Personen während der „Auszeit“ ihrer Angehörigen alternativ versorgt werden können.
7. Angebot an Kurzzeitpflegeplätzen ausbauen
Kurzzeitpflege ist eine wichtige Hilfe, wenn aufgrund einer Krisensituation beispielsweise Angehörige die Pflege eine Zeit lang nicht leisten können oder Patienten nach einem Krankenhaus-aufenthalt vorübergehend hilfebedürftig sind. Betroffene finden jedoch häufig keinen Kurzzeitpflegeplatz in ihrer Umgebung. Der Grund liegt oft darin, dass Anbieter Kurzzeitpflegeplätze nicht ausreichend refinanzieren können. Das Angebot an festen Kurzzeitpflegeplätzen muss daher, so die Patientenbeauftragte, weiter ausgebaut und Anbietern die Verhandlung mit den Kassen erleichtert werden. Darüber hinaus sollten Pflegebedürftige für Kurzzeitpflege auch die Mittel der Pflegeversicherung für Tages- und Nachtpflege flexibel einsetzen können.
8. Personaluntergrenzen und bedarfsgerechte Personalbemessung im Krankenhaus
Nach wie vor gibt es in Krankenhäusern häufig nicht genug Pflegepersonal. Fischbach: „Die Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte sind oft belastend und gefährden die Patientensicherheit. Deshalb müssen in einem ersten Schritt verpflichtende Personaluntergrenzen für alle bettenführenden Abteilungen eingeführt werden. In einem zweiten Schritt sollte geprüft werden, ob - wie in der Altenpflege – ein wissenschaftliches Instrument zur Personalbemessung im Krankenhaus entwickelt werden kann. Dies sollte dann unter Beteiligung von Pflegekammer(n) und Berufsverbänden erfolgen“. So könnte künftig der tatsächliche, individuelle Pflegepersonalbedarf zielgerichtet erfasst und ausreichend Personal eingesetzt werden.
Quelle: Die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten sowie der Bevollmächtigten für Pflege, 31.01.2018
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