Optisches Cochlea-Implantat: Weitere Förderung der vorklinischen Entwicklung

Start der klinischen Studie 2027 geplant
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Optogenetisches Cochlea-Implantat
Designstudie: Optogenetisches Cochlea-Implantat als Kombination aus Medizinprodukt und Gentherapeutikum. © umg/Keppeler/Moser
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Mit der Förderung durch das Land Niedersachsen und der VolkswagenStiftung soll die Entwicklung des optischen Cochlea-Implantats weiter vorangetrieben werden.

Laut WHO leiden weltweit 466 Millionen Menschen (davon 34 Millionen Kinder) an einer behandlungsbedürftigen Schwerhörigkeit. Ursächlich für die häufigste Form der Schwerhörigkeit sind defekte oder abgestorbene Hörsinneszellen. Bisher ist es nicht möglich, diese Sinneszellen zu reparieren oder wiederherzustellen. Die klinische Versorgung beruht daher auf Hörgeräten bei leicht- bis mittelgradiger Schwerhörigkeit und Cochlea-Implantaten (CI) bei hochgradiger Schwerhörigkeit und Taubheit. Das elektrische Cochlear-Implantat blickt schon auf eine lange Geschichte zurück. Nachdem im Jahr 1950 die erste direkte Stimulation des menschlichen Hörnervs durch Ludenberg erfolgte, entwickelten die Physiker André Djourno und der Otologe Charles Eyriès 1957 das erste funktionierende Cochlea-Implantat. Derzeit werden die CIs weltweit von mehr als einer Million Menschen genutzt. Die Innenohr-Implantate ermöglichen den Betroffenen ein Sprachverstehen in ruhiger Umgebung. Doch Nutzerinnen und Nutzer haben Schwierigkeiten, Sprache bei Hintergrundgeräuschen zu verstehen, den emotionalen Tonfall von Sprache zu interpretieren oder Melodien in Musik zu genießen. Daher bestehe ein großer klinischer Bedarf, das Hören mit CI zu verbessern. Im Fokus der Forschung stehe deshalb das „Hören mit Licht“ mit einem optischen CI, so die Projektverantwortlichen. Dieses verspreche Nutzerinnen und Nutzern, Sprache in geräuschreicher Umgebung deutlich besser zu verstehen und auch Sprachmelodien zu erkennen.

Klinische Erprobung und Anwendung vorantreiben

Das Land Niedersachsen unterstützt ein kooperatives Projektvorhaben von Forscherinnen und Forschern sowie Unternehmen in Niedersachsen, um die Entwicklung des optischen Cochlea-Implantats weiter voranzutreiben. „Nicht nur aufgrund ihrer hohen translationalen Relevanz zur Bekämpfung der Schwerhörigkeit, sondern auch aufgrund der vielfältig dokumentierten wissenschaftlichen Exzellenz in hochkompetitiven Wettbewerben auf europäischer und Bundesebene zählt die Hörforschung zu den Aushängeschildern von Forschung Made in Niedersachsen“, betonte Falko Mohrs, Niedersächsischer Minister für Wissenschaft und Kultur. „Es freut mich daher besonders, dass wir mit dieser Förderung weitere Impulse dafür setzen können, dass die klinische Erprobung und Anwendung dieser herausragenden Forschung einen wichtigen Schritt weiter voranschreitet.“

Entwicklung eines hochintegrierten und verlustleistungsarmen Chips

In der Zusammenarbeit von Universitätsmedizin Göttingen (UMG), der Leibniz Universität Hannover (LUH), der Exzellenzcluster Multiscale Bioimaging „Multiscale Bioimaging: Von molekularen Maschinen zu Netzwerken erregbarer Zellen“ (MBExC) und Hearing4all, sowie des Göttinger Start-Up Unternehmens OptoGenTech GmbH und des CI-Herstellers Advanced Bionics GmbH fokussiert das Projektvorhaben nun auf ein Kernstück des optischen Cochlea-Implantats: Für die Elektronik zum Betreiben der Laserdioden soll ein hochintegrierter und verlustleistungsarmer Chip entwickelt und in die Elektronik des optischen CI aufgenommen werden. Das Projekt soll den Weg zur ersten klinischen Prüfung des optischen CI ebnen. Die Beteiligung der beiden Unternehmen sei für das Gelingen des Projekts und dessen spätere wirtschaftliche Verwertung von großer Bedeutung. Der Forschungsansatz erhält eine Förderung in Höhe von rund 0,7 Millionen Euro über das Förderprogramm „Durchbrüche: Unterstützung von Kooperationsprojekten zwischen Wissenschaft und Wirtschaft“ aus Mitteln von zukunft.niedersachsen (früher: Niedersächsisches Vorab).

Kombination eines elektrischen CI mit moderner Optogenetik

Geleitet wird das Forschungsvorhaben von Prof. Dr. Tobias Moser, Direktor des Instituts für Auditorische Neurowissenschaften der UMG und Sprecher des Göttinger Exzellenzclusters MBExC, sowie von Prof. Dr.-Ing. Holger Blume, Institut für Mikroelektronische Systeme der LUH und Vorstandsmitglied des Exzellenzclusters Hearing4all am Standort Hannover. Weiter beteiligt ist Prof. Dr.-Ing. Bernhard Wicht, Institut für Mikroelektronische Systeme, Fachgebiet Mixed-Signal-Schaltungen, von der Leibniz Universität Hannover. Das niedersächsische Kooperations-Projekt baut auf umfangreichen Vorarbeiten der Projektpartner, bereits bestehenden CI-Komponenten und einer bereits etablierten Zusammenarbeit auf. Für ihre Pionierarbeiten zur Entwicklung des optischen CI, die das „Hören mit Licht“ durch Kombination eines herkömmlichen, elektrischen CI mit moderner Optogenetik ermöglichen soll, haben Professor Moser und sein Team bereits weltweit Aufmerksamkeit erhalten.

Ziel der fundamentalen Verbesserung der Frequenzauflösung

Da Licht räumlich wesentlich besser begrenzt werden kann als elektrische Reize, verspricht die optische Stimulation des Hörnervs die Grenzen der derzeitigen elektrischen CIs zu überwinden. Durch die Kombination eines optischen CI mit einer Gentherapie werde eine fundamentale Verbesserung der Frequenzauflösung erreicht. Dabei werde die Gentherapie genutzt, um einen Licht-aktivierbaren Ionenkanal („molekularer Lichtschalter“) in Spiralganglionneuronen der Cochlea einzuschleusen und diese lichtempfindlich zu machen. Was im Tiermodell bereits erfolgreich umgesetzt wurde, gelte es nun für die Anwendung beim Menschen weiterzuentwickeln.

Start der klinischen Studie 2027 geplant

Bis zum geplanten Start der ersten klinischen Studie im Jahr 2027 bestehe jedoch noch ein erheblicher Forschungsbedarf, so die Projektteilnehmer. So soll mit den Mitteln ein verlustleistungsarmer Chip entwickelt werden, der für das Betreiben der Laserdioden des optischen CIs benötigt wird. Dabei werden die Laserdioden entsprechend der Tonfrequenz aktiviert und das Licht der Dioden über Wellenleiter an die der Tonfrequenz entsprechende Stelle der Hörschnecke geleitet. Das dort ausgekoppelte Licht stimuliert dann die lichtempfindlich gemachten Hörnervenzellen.

Quelle: idw/Unimedizin Göttingen - Georg-August-Universität

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