"Die meisten resistenten Keime bringen die Patienten bereits in die Klinik mit. Bei planbaren Operationen sollten die Patienten deshalb vor dem Krankenhausaufenthalt getestet und die Keime beseitigt werden", sagt Anneliese Bodemar, Leiterin der TK-Landesvertretung. "Die Kliniken müssen die multiresistenten Erreger bekämpfen, bevor sie den Betroffenen und weitere Patienten infiziert haben. Wir dürfen damit nicht erst nach der Operation beginnen, wenn die Erreger in den Körper eingedrungen sind und die Wunde nicht heilt oder der Patient einen Abszess oder eine Sepsis bekommt."
Nachweis per Nasenabstrich
Laut einer aktuellen Auswertung des Nationalen Referenzzentrums für Surveillance von nosokomialen Infektionen waren neun von zehn festgestellten MRSA-Fällen (Methicillin resistenter Staphylococcus aureus) "mitgebrachte Fälle", berichtet die TK. Berücksichtigt wurden Daten von 475 Krankenhäusern. Von etwa jedem Dritten der gut sieben Millionen Patienten waren Nasenabstriche genommen worden. Von Januar bis Dezember 2015 wurden hierbei mehr als 70.000 MRSA-Fälle erfasst. Somit war bei jedem hundertsten Patienten ein MRSA-Befall nachweisbar.
Patienten bei Bedarf isolieren
Zu den Risikogruppen für die Besiedlung mit Multiresistenten Erregern (MRE) zählen beispielsweise Menschen mit einem Krankenhausaufenthalt im Lauf der vergangenen zwölf Monate. Außerdem Menschen mit Kontakten zu Schweinemast-Betrieben, mit chronischer Pflegebedürftigkeit oder Kathetern sowie Dialysepatienten. Bei Notfällen müssen diese Patienten noch in der Notaufnahme auf die Keime kontrolliert und bei Bedarf isoliert werden, fordert die TK in Rheinland-Pfalz. "Einige Kliniken haben bereits eindrucksvoll bewiesen, dass sie die MRSA-Verbreitung damit wirkungsvoll eindämmen konnten", so Bodemar. Nicht zu vergessen seien auch Besucher von Patienten. Auch sie könnten Keime mit in die Klinik bringen oder wieder mit hinaus nehmen. Deshalb sei auch für Besucher Händehygiene beim Betreten und Verlassen des Krankenhauses eine wichtige Maßnahme, betonte Bodemar.
Sorge wegen gramnegativer Erreger
Kopfzerbrechen bereitet heutzutage den Wissenschaftlern und Krankenhaushygienikern eine Reihe von Keimen, die gegen drei oder sogar vier Antibiotikagruppen resistent sind, wie beispielsweise der Acinetobacter baumannii, dessen Verbreitung laut Robert Koch-Institut in den vergangenen Jahren zugenommen hat. Diese sogenannten Multiresistenten gramnegativen Erreger (MRGN) kommen beispielsweise im Darm oder auf der Haut vor und sind beim Auftreten einer Infektion teilweise mit gängigen Antibiotika nicht mehr zu behandeln. Auch MRGN werden in fast drei von vier Fällen von außen ins Krankenhaus eingeschleppt, so das Ergebnis der Datensammlung durch das Nationale Referenzzentrum.
Große Dunkelziffer
Über die Zahl der Infektionen mit MRE streiten sich die Experten angesichts einer enormen Dunkelziffer. Das Bundesgesundheitsministerium geht davon aus, dass in Deutschland jährlich etwa 400.000 bis 600.000 Patienten an Infektionen erkranken, die im Zusammenhang mit einer medizinischen Maßnahme stehen, und bis zu 15.000 Menschen daran sterben. Bodemar: "Wir brauchen dringend mehr Transparenz und eine genauere Dokumentation von solchen Infektionen." Unter anderem müssten die Kliniken die Fälle in Zukunft zuverlässig und einheitlich melden. Bisher gebe es dabei einen zu großen Ermessensspielraum.
Die Ergebnisse der beschriebenen Dokumentationspflicht müssten als gesonderter Teil in die Qualitätsberichte der Krankenhäuser einfließen, so eine Forderung der TK. Dadurch werde ihre Bedeutung herausgestellt und die Informationen könnten einfacher aufgefunden werden. Zudem sollten die gewonnenen Informationen auch den Patienten zugänglich gemacht werden. So könnten sie sich ein objektives Bild über die Situation im jeweiligen Krankenhaus verschaffen. Zurzeit können sich Patienten lediglich hilfsweise über die Teilnahme der Krankenhäuser an der "Aktion Saubere Hände" informieren, einer nationale Kampagne zur Verbesserung der Compliance der Händedesinfektion.
Maßvoller Umgang mit Antibiotika
"Um die Entstehung von resistenten Erregern zu verhindern, müssen wir noch viel früher ansetzen. Wichtig ist ein maßvoller Umgang mit Antibiotika. Sie sollten nur verabreicht werden, wenn sie wirklich notwendig sind und auch helfen. Dies ist beispielsweise bei einer Virusinfektion nicht der Fall", erklärt Anneliese Bodemar. Zu kritisieren sei auch der massenhafte Einsatz von Antibiotika in der Tiermast. Dass sogar vermehrt Reserveantibiotika dort eingesetzt würden, die bedeutsam in der Therapie von Infektionen mit Multiresistenten Erregern seien, sei unverantwortlich, so Bodemar. Hier sei der Gesetzgeber gefragt. (TK, red)
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