Nun schreibt ein Forschungsteam des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC), dass die Präeklampsie nicht einheitlich und allein genetisch bedingt ist. Wie Untersuchungen an Plazentaproben zeigen, spielen dabei zusätzliche epigenetisch angeschaltete Gene eine entscheidende Rolle. Die Berliner Forscher haben zudem ein In-vitro-Modell der Erkrankung entwickelt. Es zeigt die Bedeutung der Fehlregulation eines Transkriptionsfaktors.
DLX5-Gen als bedeutsamer Transkriptionsfaktor identifiziert
Das Forschungsteam verglich Plazenta-Gewebeproben von Patientinnen mit Präeklampsie und deren genetische Ausstattung mit Proben von gesunden Wöchnerinnen. Im gesamten Erbgut wurden jene Gene bestimmt, die in beiden Patientinnengruppen unterschiedlich aktiv sind. Zudem wurde die genomische Prägung der DNA (sog. Imprinting) überprüft, bei der Gene auf den Chromosomen väterlicher oder mütterlicher Herkunft abgeschaltet werden. So konnte unter anderem das DLX5-Gen als bedeutsamer Transkriptionsfaktor, der bei Präeklampsie andere Gene steuert, identifiziert werden. Auf dem vom Vater stammenden Chromosom ist dieses Gen normalerweise deaktiviert, also epigenetisch „geprägt“. Damit wird die korrekte Dosierung der Genaktivität sichergestellt. Diese Prägung war jedoch in etwa 70 Prozent der untersuchten Präeklampsie-Plazentaproben verloren gegangen; das Gen war angeschaltet worden. Die Studie zeigte zum ersten Mal, dass die Veränderungen der epigenetischen Prägung und die damit veränderte Steuerung von Genaktivität zur Präeklampsie beitragen. Die Wissenschaftler fanden zudem drei Typen Präeklampsie – was auf eine komplexe Erkrankung hinweist.
Die Studie ist in enger Zusammenarbeit zwischen Klinikern und Grundlagenforschern entstanden. Beteiligt war die Forschungsgruppen der Molekularbiologin Dr. Zsuzsanna Izsvak vom MDC und von Dr. Ralf Dechend vom Helios-Klinikum und dem Experimental and Clinical Research Center (ECRC), einer gemeinsamen Einrichtung von MDC und Charité – Universitätsmedizin Berlin. Dem interdisziplinären Team gehörten zudem Forscherinnen und Forscher des Berliner Institut für Gesundheitsforschung (BIH) und der Evolutionsbiologe Prof. Laurence Hurst von der University of Bath, UK, an.
In-vitro-Zellmodell für Präeklampsie entwickelt
An der Präeklampsie leiden etwa fünf Prozent aller Schwangeren. Hauptsymptome des Syndroms sind Bluthochdruck und Eiweiß im Urin. Werden die Symptome bedrohlich, muss die Geburt frühzeitig eingeleitet werden. Die Präeklampsie ist die häufigste Ursache für mütterliche und kindliche Sterblichkeit während der Schwangerschaft. In Deutschland führt sie jährlich zu bis zu 20.000 Frühgeburten. Die Erkrankung tritt nur beim Menschen auf; es gibt bislang kein gut funktionierendes Tiermodell.
Der Berliner Forschungsgruppe ist nun gelungen, ein In-vitro-Modell zu entwickeln. In der Petrischale erhöhten die Forscher die Aktivität des DLX5-Gens in den Zellen des Trophoblasten, der embryonalen Zellschicht, aus der sich später die Plazenta entwickelt. Die Zellen wechselten in einen Stresszustand, der auch bei Präeklampsie-Patientinnen beobachtet wird. Mithilfe des Zellsystems können die verschiedenen Typen der Präeklampsie nun weiter untersucht und nach neuen Medikamenten und Wirkstoffen gefahndet werden.
Warum tritt die Erkrankung nur beim Menschen auf?
Izsvak und Dechend planen bereits die nächsten Schritte: „Wir wollen erforschen, warum die Krankheit nur beim Menschen auftritt“, sagt die Molekularbiologin. Ralf Dechend fügt hinzu: „Außerdem ist es unser Ziel, nach Biomarkern für die drei von uns identifizierten Präeklampsie-Typen suchen. Sie sollen uns helfen, die Erkrankung zu diagnostizieren oder vorherzusagen, bevor es zu dem eigentlichen Krankheitsbild kommt.“ (idw, red)
Julianna Zadora, Manvendra Singh, Florian Herse, et al.: Disturbed Placental Imprinting in Preeclampsia Leads to Altered Expression of DLX5, a Human-Specific Early Trophoblast Marker. Circulation. 2017, DOI: 10.1161/CIRCULATIONAHA.117.028110.
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