Wenn man die Diagnose Multiple Sklerose in einem Alter erhält, in der auch die eigene Familienplanung ein Thema ist, folgen direkt eine Reihe weiterer Ungewissheiten. Wie wirkt sich die Krankheit auf eine Schwangerschaft und ein Baby aus? Wie steht es um Medikamente und mögliche Nebenwirkungen für eine Schwangerschaft? Forschende der Ruhr-Universität Bochum untersuchten daher Patientinnendaten von 2006 bis 2023 – mit Daten von 2885 Schwangeren eine der größten Kohorten der Welt.
Große Kohorte
Die Daten stammen aus dem Deutschsprachigen Multiple Sklerose und Kinderwunschregister. 887 Schwangere hatten keine Medikamente gegen die MS erhalten, der Rest erhielt eine krankheitsmodifizierende Therapie (DTM für Disease Modifying Therapy). Diese bestand unter anderem aus Interferonen, Glatirameractat, Dimethylfumarat, Terifllunomid, S1P-Modulatoren, Alemtuzumab, Natalizumab, Anti-CD20-Antikörpern (Rituximab, Ocrelizumab, Ofatumumab) und Cladribin. Die meisten Frauen hatten diese Medikamente jedoch nur im ersten Trimenon erhalten.
Untersucht wurde, wie häufig es zu Spontanaborten kam, Infektionen in der Schwangerschaft, Frühgeburten oder Fehlbildungen auftraten. Auch das Geburtsgewicht wurde in die Auswertung einbezogen. Bei den meisten DTM kam ein positives Ergebnis heraus: Es zeigten sich keine statistisch signifikanten Anstiege in Fehlgeburten, Spontanaborten, Infektionen oder Fehlbildungen. Für die Therapie mit Cladribin, Teriflunomid und Alemtuzumab können jedoch keine klaren Ergebnisse präsentiert werden, da die Fallzahlen hier zu niedrig waren.
Risiko für geringeres Geburstgewicht
In Bezug auf das Geburstgewicht hingegen zeigen die Medikamente eine statistisch feststellbare Auswirkung. Im Verhältnis zur Dauer der Schwangerschaft steigt das Risiko für ein geringes Geburtsgewicht. Betroffen waren 18,8 Prozent der Babys, bei einer Behandlung der Schwangeren mit Fumarat oder Alemtuzumab war das Geburtsgewicht des Babys etwas häufiger beeinflusst (9,1 Prozent gegenüber 2,8 Prozent). Bei Schwangeren, die Natalizzumab im letzten Trimenon einnahmen und mit S1P-Modulatoren behandelt wurden, kam es häufiger zu schweren Infektionen, jedoch nicht statistisch signifikant gegenüber der Kontrollgruppe.
„Bei der Interpretation der Ergebnisse bleibt als Limitation zu bedenken, dass etwa 300 Schwangerschaften gebraucht werden, um eine Verdreifachung eines Risikos großer Fehlbildungen nachzuweisen, und rund 1.000, um eine Verdopplung zu zeigen“, so Prof. Dr. Kerstin Hellwig, Leiterin der Forschungsgruppe. Insgesamt zeigte sich, dass die Exposition mit S1P-Modulatoren, Natalizumab und Anti-CD20-Antikörpern die Wahrscheinlichkeit auf ein geringes Geburtsgewicht und ein verlangsamtes intrauterines Kindswachstum steigert. Damit ist das Risiko auf zahlreiche Krankheiten im späteren Leben erhöht, darunter Diabetes mellitus Typ-2 oder auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Quelle: idw
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