Laut Charité sind in Deutschland derzeit etwa 250.000 Menschen von Morbus Crohn betroffen. In Europa wird die Zahl der Betroffenen auf ca. 300/100.000 Einwohner geschätzt. Bei der chronisch-entzündlichen Darmerkrankung Morbus Crohn ist die Konzentration von Immunzellen an den entzündeten Stellen erhöht. Auch sogenannte regulatorische T-Zellen (Tregs) reichern sich dort an, doch tragen sie hier, anders als üblich, nicht zur Bekämpfung der Entzündung bei. Nun haben Forscherinnen und Forscher des Bosch Health Campus und der Mayo Clinic in Rochester (USA) eine Erklärung dafür: Sie fanden eine Untergruppe der Tregs, deren Zellidentität dahingehend verändert ist, dass sie Entzündungen befördern statt hemmen.
Verfeinerung der Einzelzell-Sequenzierung
Für die Studie „The FOXP3+ Pro-inflammatory T cell: A Potential Therapeutic Target in Crohn’s Disease“ hat die Forschungsgruppe um PD Dr. Robyn Laura Kosinsky vom Robert Bosch Centrum für Tumorerkrankungen (RBCT) am Bosch Health Campus die Methode der Einzelzell-Sequenzierung verfeinert. Bei der Methode werden Gewebeproben in Einzelzellen zerlegt, sodass diese individuell bestimmt und identifiziert werden können.
Üblicherweise enthalten solche Gewebeproben sehr viele verschiedene Zelltypen, sodass der Anteil der regulatorischen T-Zellen zu gering ist, um differenzierte Aussagen über sie zu treffen. Deshalb haben die Wissenschaftler/-innen das Gewebe von 13 Morbus-Crohn-Patientinnen und -Patienten mithilfe des Oberflächenmarkers CD4 so aufgereinigt, dass ausschließlich spezifische Zelltypen, unter anderem Treg-Zellen, übrig blieben. Bei der Untersuchung dieser Proben fanden die Forscherinnen und Forscher die neuartige Untergruppe von Tregs. „Wir konnten beobachten, dass bei ihnen diverse inflammations-assoziierte Signalwege hochreguliert sind, wodurch ihr entzündungsförderndes Profil entsteht“, erklärt die Molekularbiologin und Krebsforscherin PD Dr. Robyn Laura Kosinsky.
Erfolgreiche Behandlung der Zellen mit Vorinostat
Um diese Signale einzudämmen, behandelten Kosinsky und ihre Kolleginnen und Kollegen die Zellen in Kulturen mit dem in den USA zugelassenen epigenetisch wirkenden Medikament Vorinostat, das die pro-inflammatorische Funktion unterdrückt. Mit Erfolg: Dem Forschungsteam gelang es, die entzündungsfördernden Tregs durch die Hemmung bestimmter Enzyme, sogenannter Histon-Deacetylasen, umzuprogrammieren, sodass sich die Funktion der Zellen wieder normalisierte.
Darüber hinaus kultivierte das Forschungsteam die entzündlichen Treg-Zellen mit sogenannten humanen Colon-Organoiden, künstlich erzeugten organähnlichen Mikrostrukturen. Ohne Behandlung war das Gewebe durchlässiger als üblich. Ein Phänomen, das den Wissenschaftlern bekannt ist: Auch bei Morbus-Crohn-Patienten wurde bereits ein durchlässiges Darmepithel beschrieben. Die Lücken entstehen durch einen Verlust der sogenannten Tight Junctions, also der engen Zellverbindungen. So können Bakterien leichter eindringen und Entzündungsprozesse fördern. Auch hier zeigte das Medikament Wirkung: Hatte das Team die Treg-Zellen mit Vorinostat behandelt, verschwanden die Lücken.
Zielgerichtetere Behandlung der Morbus-Crohn-Patienten?
„Durch unsere Entdeckung der entzündungsfördernden Treg-Population und die Möglichkeit, diese pharmakologisch umzuprogrammieren, könnten sich neue Möglichkeiten ergeben, Patientinnen/Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen zielgerichteter zu behandeln und ihre Krankheitslast zu mindern“, sagt Kosinsky. Aus ihrer Sicht sei es lohnend zu überprüfen, ob die entdeckte Treg-Zell-Population auch bei anderen Erkrankungen des Darms vorhanden ist und ob sie bei der Entstehung von Darmkrebs eine Rolle spiele.
Quelle: idw/Bosch Health Campus
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