Mit Neutronenstrahlen bessere Impfstoffe entwickeln?
Weltweit suchen Forscherinnen und Forscher nach neuen Therapieansätzen gegen die resistenten Erreger. Vor zwei Jahren identifizierte z.B. ein internationales Team in Grenoble einen Wirkstoff, der sich eignen soll, um ein Vakzin gegen multiresistente Bakterien der Gattung Pseudomonas aeruginosa herzustellen. Der Impfstoff wurde mittlerweile an Mäusen erfolgreich getestet. „Wie bei vielen neuen Impfstoffen ist auch in diesem Fall der Wirkstoff eingebettet in Liposome. Diese nanoskopischen Biomoleküle genau zu charakterisieren und zu verstehen ist ein Schlüsselfaktor bei der Entwicklung und Optimierung künftiger Vakzine“, erklärt Dr. Marco Maccarini, Biophysiker am Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS). Zusammen mit Expertinnen und Experten am TIMC laboratory an der Université Grenoble-Alpes und am FRM II ist es ihm jetzt gelungen, die Struktur des Impfstoffkandidaten gegen Pseudomonas aeruginosa zu analysieren.
Aufbau der Biomoleküle entscheidend
Das Vakzin besteht aus etwa 100 Nanometer großen Biomolekülen. Diese werden überwiegend aus fettähnlichen Substanzen gebildet, den Lipiden. Diese Lipide formieren sich aufgrund ihrer biochemischen Eigenschaften zu Bläschen, Liposome genannt, in denen die eigentlichen Wirkstoffe geschützt sind und transportiert werden. Im Fall des Vakzins gegen Pseudomonas aeruginosa ist dieser Wirkstoff das Protein OprF. „Grundsätzlich kann der Wirkstoff an verschiedenen Positionen des Liposoms andocken – beispielsweise außen oder innen“, erklärt Maccarini. „Er wird besser vom Immunsystem erkannt, wenn er in die doppelte Lipidschicht eingebunden ist. Der Aufbau der Biomoleküle ist daher entscheidend für die Wirkung eines Vakzins.“
Neutronenstrahlen zur Untersuchung
Das Problem: Mit bloßem Auge lassen sich solche Details nicht erkennen. Auch Lichtmikroskope haben eine zu geringe Auflösung für die Untersuchung von Liposomen. Röntgenstrahlung ist zwar kurzwelliger, für die Struktur-Analyse jedoch nicht geeignet, weil die Bestrahlung unter bestimmten Umständen die Biomoleküle schädigt. „Neutronenstrahlen hingegen sind ideal: Sie interagieren nur mit den Atomkernen, was zu keinen Schäden oder strukturellen Veränderungen führt. So lassen sich die Proben in ihrem ursprünglichen Zustand untersuchen“, erläutert Maccarini.
Proteine und Lipide in der Probe unterscheiden
Am FRM II in Garching bei München fand der Forscher alles, was er für die Analyse des neuen Impfstoffkandidaten brauchte: einen hohen Neutronenfluss, ein gut ausgestattetes Labor und Dr. Aurel Radulescu, einen Experten für die Messung von Kleinwinkelstreuung, mit der sich Moleküle, die einige Nanometer groß sind, detailliert untersuchen lassen. „Die Herausforderung lag in diesem Fall darin, mit Hilfe des Diffraktometers, das die Streuung der Neutronen durch die Atomkerne misst, die Proteine und die Lipide in der Probe zu unterscheiden“, erinnert sich Radulescu, der für das Forschungszentrum Jülich in Garching die Neutronenkleinwinkelanlage KWS-2 betreut. Diese Differenzierung sei schließlich durch einen Trick gelungen: „Wir haben die Messungen mit unterschiedlichen Lösungsmittelkombinationen durchgeführt – normalem Wasser und deuteriumhaltigem, schwerem Wasser, in unterschiedlichen Mischverhältnissen.“ Da Neutronen normalen Wasserstoff und Deuterium unterschiedlich „sehen“, entstanden Bilder der Probe mit unterschiedlichen Kontrasten, die unterschiedliche Informationen enthalten.
Computermodell hilft
Für die Auswertung entwickelte das Forschungsteam ein Computermodell, das die Struktur des Vakzin-Kandidaten darstellen soll. „Wir konnten auf diese Weise nicht nur die zweilagige Struktur der Lipide sichtbar machen, sondern auch die durchschnittliche Position und Menge des OprF -Wirkstoffs ermitteln, der eingebettet ist zwischen die beiden Lipidschichten.“ Das neue Modell lasse sich auch nutzen, um die Struktur neuer, liposombasierter Impfstoffe zu erforschen und deren Entwicklung zu optimieren.
Quelle: TUM
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