Wie hat sich das menschliche Gehirn im Vergleich zu denen anderer Menschenaffen entwickelt und welche Prozesse sind dafür verantwortlich? Dieser Frage gingen Forscher des Max-Plack-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, vom Institude of Molecular und Clinical Ophthalmology Basel und von der ETH Zürich in einer neuen Studie nach. Sie züchteten zerebrale Organoide aus Stammzellen, die Licht ins Dunkel der Gehirnentwicklung bringen können.
Die Forscher untersuchten für ihre Studie die Entwicklungsprozesse zerebraler Organoide aus menschlichen pluripotenten Stammzellen. Ferner analysierten sie Genexpressionsmuster und die Chromatinzugänglichkeit. Anschließend wurden diese Ergebnisse mit denen aus einer Untersuchung von Schimpansen und Makaken verglichen. Das spannende Ergebnis: Schimpansen- und Makakenorganoide weisen eine ausgeprägtere kortikale Neuronenreifung auf als menschliche Organoide des gleichen Entwicklungsstands. Dies bedeute eine langsamere neuronale Entwicklung beim Menschen im Vergleich zu seinen Vorfahren, so die Wissenschaftler.
Einzigartige Entwicklungsprozesse beim Menschen
Außerdem konnten die Forscher Gene mit humanspezifischer Expression während des Neurogeneseprozesses und dem der neuronalen Reifung feststellen. Dies hänge mit den humanspezifischen Unterschieden bei der Chromatinzugänglichkeit zusammen. Die regulatorischen Regionen weisen Veränderungen in der DNA-Sequenz auf, die typisch für Menschen sind. „Von einigen genetischen Veränderungen glauben wir, dass sie die Bindung von Transkriptionsfaktoren verändern, was möglicherweise erklären könnte, wie die Unterschiede bei der Genexpression zustande kommen“, erklärt Gray Camp. Diese Gene seien auch an der Zellvermehrung oder der Neuronenfunktion beteiligt. Das könnte beim Menschen anders als bei den Menschenaffen zu größeren menschlichen Gehirnen und zu kognitiven und Verhaltensunterschieden geführt haben.
Ferner analysierten sie die spezifische Genexpression des Menschen im präfrontalen Kortex. Dabei stellten sie fest, dass es Genexpressionsunterschiede gibt, die bis ins Erwachsenenalter nachgewiesen werden können. Des Weiteren zellzustandsspezifische Veränderungen, die nur im Gehirn von Erwachsenen auftreten. Die Forscher erhoffen sich von ihren Daten eine bessere Möglichkeit der Erforschung von Mechanismen der Genregulationsdynamik während der frühen Hirnentwicklung, besonders der Unterschied der Entwicklung zwischen Menschen und Schimpansen.
Literatur:
Sabina Kanton, Michael James Boyle, Zhisong He, et al.: Organoid single-cell genomic atlas uncovers human-specific features of brain development. Nature, 16 October 2019, DOI: doi.org/10.1038/s41586-019-1654-9.
Quelle: MPI für evolutionäre Anthropologie
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