Über die Beweggründe berichten Dr. Thorsten Kehe, Vorsitzender der Geschäftsführung der Märkischen Kliniken in Lüdenscheid, und der für die MTRA-Schule zuständige Geschäftsführer Matthias Germer.
Herr Dr. Kehe, Sie rufen eine neue MTRA-Schule ins Leben. Wann soll das Angebot starten und was waren die ausschlaggebenden Gründe für diese Entscheidung?
Der Ausbildungsstart ist für den 1. August 2020 vorgesehen, das Antragsverfahren bei der Bezirksregierung in Arnsberg läuft derzeit. Der Hauptgrund für die Etablierung einer eigenen MTRA-Schule ist der Fachkräftemangel in ländlichen Regionen, hier speziell im Märkischen Kreis und im Sauerland. Bislang haben wir über die MTRA-Schule in Dortmund junge Fachkräfte gewonnen. Das gelang allerdings zumeist nur dann, wenn die Schülerinnen und Schüler in unserer Region beheimatet waren und sich deshalb auch für die praktische Ausbildung am Klinikum Lüdenscheid entschieden haben. Das war in den vergangenen Jahren immer eine Art Lotteriespiel: Sind es genug Absolventen, die wir an unsere Häuser binden und so unseren Personalbedarf ausgleichen können oder nicht? Anderen Häusern in der Region erging es da nicht anders. Ohne Anbindung an eine MTRA-Schule und verbindliche Ausbildungszahlen hat man quasi keine Chance, zeitnah Fachkräfte zu finden.
Unser Ziel ist es zudem, nicht nur für die Märkischen Kliniken auszubilden, sondern möglichst die ganze Region mit MTRA-Fachkräften zu versorgen, um damit auch in Zukunft die Patientenversorgung sicherzustellen. Als Maximalversorger und größtes Krankenhaus in Südwestfalen sehen wir uns da in der Verantwortung.
Mit einem besonderen Angebot sind wir übrigens bereits Anfang August 2019 an den Start gegangen: Unsere MTRA-Schule bietet Anpassungslehrgänge für ausländische MTRA an. Diese richten sich an Menschen, die im Ausland schon eine Ausbildung in der Radiologie absolviert haben und nun zur Erlangung der Berufserlaubnis in Deutschland noch zusätzliche Inhalte, meist aus den Bereichen Strahlentherapie, Nuklearmedizin oder Strahlenschutz, nachholen müssen. Aktuell befinden sich 30 Personen im Lehrgang, der je nach Vorqualifikation zwischen drei und zwölf Monaten dauert. Am Ende erhalten alle erfolgreichen Teilnehmer die Berufserlaubnis und sind dann schon gut in den deutschen Arbeitsmarkt integriert.
Es wird in der Öffentlichkeit viel über den Ärztemangel oder den Mangel an Pflegepersonal gesprochen. Wie groß ist der aktuelle Mangel an MTRA in Ihrem Bereich und wie groß ist der künftige Bedarf?
Zum Unternehmensverbund der Märkischen Kliniken gehört neben dem Klinikum Lüdenscheid unter anderem auch die Stadtklinik Werdohl. Für diesen Standort fehlen uns aktuell MTRA, speziell auch in den Nachtdiensten. Hinzu kommen weitere Fluktuationsraten durch Elternzeit oder den Eintritt in den Ruhestand von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Wir rechnen auf jeden Fall mit zwei bis drei Stellen jährlich. Und wie erwähnt sehen wir uns verantwortlich für die gesamte Region.
In NRW gibt es bislang 18 MTRA-Schulen. Und trotzdem finden Sie (Stand 23. September 2019) in einem Jobportal im Umkreis von 100 Kilometern, der dem Einzugsgebiet einer MTRA-Schule ungefähr entspricht, 217 offene MTRA-Stellen. Wohlgemerkt im September, also in einem Monat, in dem die meisten Absolventen ihren Abschluss gemacht haben und sozusagen gerade auf den Markt gekommen sind. Die bestehenden Schulen können demnach den Bedarf nicht decken, insbesondere hier im ländlichen Raum. Und viele Häuser schreiben schon gar nicht mehr in großen Portalen aus, sondern hoffen auf den „Buschfunk“. Sie sehen also, der Bedarf ist da und wird sich in den nächsten Jahren sicher noch verschärfen, wenn die geburtenstarken Jahrgänge der 1960er-Jahre in Rente gehen. Da werden noch große Lücken in vielen Kliniken entstehen.
Welche Auswirkungen hat der bestehende Mangel an MTRA aus betriebswirtschaftlicher Sicht?
Die Berufsgruppe der MTRA ist eine kleine, aber systemrelevante Gruppe. Der Slogan des Berufsverbandes DVTA „Ohne MTRA keine Diagnostik und ohne Diagnostik keine Therapie“ trifft den Kern: Wenn Sie in einer Klinik keine Radiologie mehr betreiben können, werden Sie von Rettungsdiensten nicht angefahren und Zuweiser berücksichtigen Sie weniger. Die Folge: Die Belegungszahlen reduzieren sich dramatisch. Was dies für die wirtschaftliche Situation eines Krankenhauses bedeuten würde, muss an dieser Stelle sicherlich nicht weiter ausgeführt werden.
Herr Germer, Sie sind ja für die konkrete Planung der Schule zuständig. Wie viele MTRA-Schüler sollen zum Start der Schule ihre Ausbildung beginnen? Wie sehen die konkreten Planungen aus und denken Sie, dass Sie alle angedachten Plätze auch besetzen können?
Beantragt haben wir bei der zuständigen Bezirksregierung in Arnsberg 30 Plätze pro Ausbildungsjahr. Entsprechend wollen wir in den nächsten drei Jahren eine Gesamtausbildungszahl von 90 Auszubildenden erreichen. Wie bereits erwähnt, bilden wir ja nicht allein, sondern gemeinsam mit Partnern aus der Region aus. Schon jetzt, vor Schulstart, sind die Nachfragen größer als die benannte Kapazität. Auch das verdeutlicht den Druck, unter dem Häuser in Sachen MTRA-Mangel stehen.
Wir möchten es unseren Ausbildungspartnern ermöglichen, dass sie selbst ihre Auszubildenden auswählen und an die Schule entsenden. Daraus erhoffen wir uns mehrere Vorteile: Zum einen entsteht damit eine größere Bindung an das „Heimathaus“ und damit auch eine größere Chance, den Nachwuchs zu übernehmen. Zum zweiten ist damit für Auszubildende sichergestellt, dass sie vom ersten Tag an wissen, wo sie ihre praktische Ausbildung absolvieren können. Damit haben die Auszubildenden selbst einen größeren Einfluss auf die Wahl ihres Arbeitgebers. Und nicht zuletzt teilen wir uns alle damit auch die Bewerberakquise in einer Region und sind uns damit sicher, dass wir alle Plätze besetzen können. Durch ein großes „Ausbildungsportfolio“ können wir Bewerber mit unterschiedlichen Interessen ansprechen.
Und wir sind davon überzeugt, dass auch unser schulisches Ausbildungskonzept nach dem Lernfeldsystem und einem hohen Theorie-Praxis-Transfer dazu beitragen wird. Die Schulleiterin Tina Hartmann ist bundesweit als Bildungsexpertin für die MTRA-Ausbildung anerkannt und wird ihre Erfahrungen an unserer Schule einsetzen.
Herr Germer, wie wollen Sie Ihr Ausbildungskonzept in der Praxis sicherstellen, wenn Sie mehrere unabhängige Kooperationspartner haben?
Zunächst verbleibt ja die Gesamtverantwortung der Ausbildung bei der MTRA-Schule, das sieht das MTA-Gesetz so vor und wird in den Kooperationen entsprechend gelebt werden.
Zudem besteht bei uns die Möglichkeit, an der Weiterbildung zum Praxisanleiter teilzunehmen, einer 200-stündigen pädagogischen Zusatzqualifikation speziell für „Ausbilder im Betrieb“ im Bereich der medizinisch-technischen Gesundheitsberufe. Die Praxisanleiter begleiten und unterstützen dann die Schüler in der praktischen Ausbildung in den Betrieben und stellen sowohl das Erreichen der Lehrziele als auch den Kontakt zur Schule sicher. Dies alles werden wir in Kooperationsverträgen regeln, genau wie wir das im Bereich der Altenpflegeausbildung seit Langem tun, wo die Ausbildung ja analog organisiert ist. Da kooperieren wir derzeit mit mehr als 150 stationären und ambulanten Pflegeanbietern und werden als Bildungsanbieter regelmäßig nach DIN ISO zertifiziert. Sie sehen also: Wir können aktive und qualitätsgesicherte Partnerschaften aufbauen und leben.
Herr Germer, wie wird die Bezahlung der MTRA-Schüler aussehen? Können Sie uns konkrete Zahlen nennen?
Wir sind ein kommunaler Krankenhausverbund und unterliegen damit dem TVÖD, dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes. Dementsprechend erhalten Auszubildende bei uns circa 1.015 Euro im ersten Ausbildungsjahr und das steigert sich dann auf circa 1.172 Euro im Abschlussjahr. Hinzu kommt eine Prämie von 400 Euro bei erfolgreichem Abschluss und zahlreiche Zusatzleistungen wie eine zusätzliche Altersversorgung. Die meisten der vorgesehenen Kooperationspartner wenden auch den TVÖD oder ähnliche Tarifwerke an.
Ganz herzlichen Dank für das Interview.
Entnommen aus MTA Dialog 11/2019
Artikel teilen