Gesundheitskompetenz ist mehr als das theoretische Wissen darüber, wie eine gesunde Lebensführung aussieht. Sie versetzt Menschen in die Lage, Gesundheitsinformationen zu sammeln, zu verstehen, zu beurteilen und anzuwenden“, betonte Dr. med. Max Kaplan, Vizepräsident der Bundesärztekammer und Vorsitzender der Fachberufekonferenz, bei der Jahrestagung der Fachberufe im Gesundheitswesen am 13. März in Berlin.
In der Praxis gibt es hier erhebliche Defizite. Andreas Westerfellhaus, Staatssekretär und Beauftragter der Bundesregierung für Pflege, verwies auf Untersuchungen, wonach mehr als die Hälfte der Menschen in Deutschland (54 Prozent) über eine eingeschränkte Gesundheitskompetenz verfügt. „Insbesondere ältere Menschen, Menschen mit chronischen Erkrankungen, mit geringem Bildungsstatus oder mit Migrationshintergrund haben Schwierigkeiten, gesundheitsbezogene Informationen zu finden, zu bewerten und die richtigen Entscheidungen etwa für eine gesunde Lebensweise oder Krankheitsbewältigung zu treffen“, sagte er.
Gesundheitswissen verbessern
Vor diesem Hintergrund habe das Bundesgesundheitsministerium zusammen mit den Spitzenorganisationen des Gesundheitswesens im Jahr 2017 die Allianz für Gesundheitskompetenz gegründet. Alle Partner hätten sich dazu verpflichtet, in ihren Zuständigkeitsbereichen „Maßnahmen zur Verbesserung des Gesundheitswissens“ zu entwickeln und umzusetzen. Die drei wichtigsten Handlungsfelder sind demnach die Verbesserung der Gesundheitsbildung, gute Gesundheitsinformation und Entscheidungshilfen, vor allem im Internet, sowie mehr Verständlichkeit in der Kommunikation mit Patienten. Letzteres müsse in der Aus- und in der Weiterbildung von Ärzten und Pflegenden sowie der Gesundheitsfachberufe insgesamt eine viel stärkere Rolle spielen, forderte Westerfellhaus.
Prof. Dr. Doris Schaeffer, Gesundheitswissenschaftlerin an der Universität Bielefeld, ging auf den vor rund einem Jahr gestarteten Nationalen Aktionsplan Gesundheitskompetenz ein. Er enthält auf Handlungsfelder bezogene Empfehlungen, um die Gesundheitskompetenz gezielt zu fördern. Im Handlungsfeld „nutzerfreundliche Gestaltung des Gesundheitssystems“ laute eine der Empfehlungen etwa, die Kommunikation zwischen den Gesundheitsprofessionen und Nutzern verständlich zu gestalten. Der Prozess der Aneignung von Gesundheitsinformationen müsse begleitet werden, erläuterte Schaeffer. Das sei eine wichtige und unterschätzte Aufgabe für alle Gesundheitsberufe.
Gertrud Stöcker vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe verwies auf das neue Pflegeberufegesetz und die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung von 2018. Zu den Kompetenzbereichen der Verordnung zählen unter anderem die Kommunikation als „Kern pflegerischen Handelns“ und die Zusammenarbeit („Interprofessionalität“). Die Kompetenzen, die ab 2020 gelten sollen, „sind aus der Pflege für die Pflege entwickelt worden“, betonte Stöcker. Auch gebe es inzwischen das „Nationale Mustercurriculum Kommunikative Kompetenz in der Pflege“. Ihr Fazit: „Kommunikation und Zusammenarbeit sind die beste Grundlage, um im Sinne der Gesundheitskompetenz von zu pflegenden Menschen die Ausbildung zu absolvieren.“
Gesamtstrategie erforderlich
„Gesundheitskompetenz versus Spezialisierung“ – unter dieser Überschrift lenkte Tina Hartmann vom DVTA den Blick auf mögliche Spannungsfelder: Gesundheitsfachberufe sollen künftig mehr Kompetenz übernehmen, laute die Forderung. Auf der einen Seite stünden dabei die nicht so kompetenten Patienten, auf der anderen Seite die „superkompetenten“ Gesundheitsfachberufe. „Das möchte ich infrage stellen“, so Hartmann. „Wir haben 17 Gesundheitsfachberufe plus Ärzteschaft, die alle ihre eigene Expertise haben. Sind wir deswegen gesundheitskompetent oder nur Experten in einem Bereich?“, fragte Hartmann. Neben dem fachlichen Wissen, das sich inzwischen alle anderthalb Jahre verdopple, sollen die Gesundheitsfachberufe gleichzeitig auch ihr Wissen für Gesundheitskompetenz up to date halten. Dies könne auch eine Überforderung bedeuten.
Die Stärkung der Gesundheitskompetenz setzt Kommunikation voraus, stellten die Konferenzteilnehmer fest. Unter den derzeitigen Rahmenbedingungen, gekennzeichnet etwa durch Fachkräftemangel und schlechte Vergütung, sei das kaum möglich. Entscheidend sei, dass die Kommunikation mit den Patienten auf allen Ebenen des Gesundheitswesens einen höheren Stellenwert erhalte. Vor diesem Hintergrund forderte die Fachberufekonferenz eine Gesamtstrategie zur Kompetenzverbesserung, die auch die großen gesellschaftlichen Herausforderungen vom demografischen Wandel bis zur wachsenden Ungleichheit berücksichtigen müsse.
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