In vielen Bereichen innerhalb der Medizin wird bereits KI eingesetzt. Vor allem bei der Bildgebung können die Systeme ihre Vorteile ausspielen und künftig die Diagnostik verbessern. Doch es gibt einen Fallstrick. KI-Modelle müssen mit zahlreichen Beispielen trainiert werden, die in der Regel nur für häufige Krankheiten in ausreichender Menge verfügbar sind. „Das wäre so, als wenn ein Hausarzt nur Husten, Schnupfen und Heiserkeit diagnostizieren müsste“, sagt Professor Frederick Klauschen, Direktor des Pathologischen Instituts der Ludwig-Maximilians-Universität München. „Die eigentliche Herausforderung ist, auch die selteneren Erkrankungen zu erkennen. Diese übersehen die aktuellen KI-Modelle häufig oder klassifizieren sie falsch.“
Neuer Ansatz soll Einschränkung überwinden
Gemeinsam mit der Arbeitsgruppe von Professor Klaus-Robert Müller von der Technischen Universität Berlin/BIFOLD und Kolleginnen und Kollegen der Charité – Universitätsmedizin Berlin hat Klauschen nun einen neuartigen Ansatz entwickelt, der diese Einschränkung überwinden soll: Wie die Wissenschaftler berichten, benötigt ihr neues Modell nur Trainingsdaten von häufigen Befunden, um auch die weniger häufigen Krankheiten zuverlässig zu identifizieren. Das kann die diagnostische Sicherheit verbessern und Pathologinnen und Pathologen zukünftig deutlich entlasten.
Abweichungen erkennen
Der neue Ansatz setzt auf Anomalie-Detektion: Aus der sehr genauen Charakterisierung von normalem Gewebe und Befunden häufiger Erkrankungen soll das Modell lernen, Abweichungen davon zu erkennen und anzuzeigen, ohne dass es für diese selteneren Fälle spezifisch trainiert werden musste. Für ihre Studie sammelten die Forschenden zwei große Datensätze mikroskopischer Bilder von Gewebeschnitten aus gastrointestinalen Biopsien mit den zugehörigen Diagnosen. Darin machen die zehn häufigsten Befunde – dazu gehören normale Befunde und sehr häufige Krankheiten wie chronische Gastritis – etwa 90 Prozent der Fälle aus, während die verbleibenden 10 Prozent insgesamt 56 Krankheitsbilder enthielten, darunter viele Krebsarten.
17 Millionen histologische Bilder verwendet
Für das Training und die Evaluation ihres Modells haben die Forschenden insgesamt 17 Millionen histologische Bilder aus 5.423 Fällen verwendet. „Wir haben verschiedene technische Ansätze verglichen und unser bestes Modell hat ein breites Spektrum an selteneren Pathologien von Magen und Darm, einschließlich seltener primärer oder metastasierender Krebsarten, mit hoher Zuverlässigkeit erkannt. Das kann unseres Wissens kein anderes veröffentlichtes KI-Tool“, sagt Müller. Mithilfe sogenannter Heatmaps könne zudem farblich dargestellt werden, an welcher Stelle des Gewebeschnitts Anomalien vorliegen.
KI könnte übersehene Diagnosen reduzieren
Indem es normale Befunde und häufige Krankheiten identifiziere und auf Anomalien hinweise, könnte das neue KI-Modell, das zukünftig weiter verbessert werden soll, Mediziner entscheidend unterstützen. Zwar müssten alle Befunde durch Pathologen bestätigt werden, aber: „Ärztinnen und Ärzte könnten sich sehr viel Zeit sparen, weil normale Befunde und ein gewisser Anteil der Erkrankungen durch die KI diagnostiziert werden können. Das trifft auf etwa ein Viertel bis ein Drittel der Fälle zu“, sagt Klauschen. „Und bei den restlichen Fällen kann die KI die Priorisierung erleichtern und übersehene Diagnosen reduzieren. Das wäre ein Riesenfortschritt.“
Quelle: idw/LMU
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