Eine der häufigsten erworbenen Herzerkrankungen bei über 75-jährigen ist die Aortenklappenstenose. Sie erfordert in der Regel den Ersatz der Klappe. Dafür gibt es prinzipiell zwei Wege: Der Brustkorb des Patienten wird chirurgisch geöffnet und eine künstliche Klappe implantiert. Oder es wird eine neue Klappe wird mittels Katheter durch eine Leistenarterie bis zum Herzen vorgebracht. Eine klinische Studie des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK) soll nun erstmals ermitteln, welche der beiden Methoden für Patienten mit mittlerem bis niedrigem Operationsrisiko die bessere ist. Die Studie umfasst 1.600 Patienten und kostet 4,5 Millionen Euro. Sie ist industrie-unabhängig, Klappen aller gängigen Hersteller können zum Einsatz kommen.
Noch vor einigen Jahren hatten sehr alte oder multimorbide Patienten keine Chance auf eine neue Herzklappe. Die einzige Behandlungsmethode - die OP am offenen Herzen – wäre zu riskant gewesen. Ihnen kann erst geholfen werden, seit 2002 die erste minimalinvasive Transkatheter-Aortenklappen-Implantation (TAVI) gelang. Aber auch die TAVI ist nicht ohne Risiko: Durch den Katheter können sich Ablagerungen der Gefäßwände lösen und zu Schlaganfall oder Herzinfarkt führen. Außerdem ist die dauerhafte Haltbarkeit der TAVI-Klappen, welche sich in der verkalkten Aortenklappe wie ein Regenschirm auffalten, noch Gegenstand intensiver Diskussionen.
Jahrelang blieb die TAVI deshalb Patienten mit hohem Operationsrisiko vorbehalten. Seit einiger Zeit gibt es jedoch einen Paradigmenwechsel: Immer mehr Ärzte behandeln auch jüngere und gesündere Patienten per TAVI, obwohl es gerade bei diesen Patienten noch keine Langzeitbeobachtungen gibt. Die Situation verunsichert Ärzte, Patienten und Krankenkassen – und führt so zu teilweise widersprüchlichen Verfahrensweisen bei der Behandlung und Kostenerstattung.
Größere Verfahrenssicherheit
Die DEDICATE-Studie (DZHK6) vergleicht nun das chirurgische Therapieverfahren mit der Katheter-gestützten TAVI-Methode bei Patienten mit mittlerem bis geringerem Operationsrisiko (STS-Score 3 bis 6), um so eine größere Verfahrenssicherheit zu erreichen. Nur Patienten, die für beide Methoden infrage kommen, dürfen an der Studie teilnehmen. Sie werden nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt und ihre Überlebensraten werden über fünf Jahre ermittelt. Bisherige Studien hatten nur deutlich kürzere Zeiträume evaluiert.
Im Vergleich zu anderen Studien hat DEDICATE eine weitere Besonderheit: Erstmalig wird nicht die TAVI-Klappe nur eines Herstellers mit dem chirurgischen Verfahren verglichen, sondern die Klappe kann vom Arzt nach Passgenauigkeit und Größe unter verschiedenen Modellen und Herstellern ausgewählt werden. Dasselbe gilt für die chirurgischen Klappen.
„Dadurch testen wir nicht ein Klappenmodell gegen die chirurgische Methode, sondern eine Behandlungsmethode gegen eine andere“, sagt der wissenschaftliche Leiter der Studie, Prof. Stefan Blankenberg, Kardiologe am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. „Die Studie haben deshalb auch Herzchirurgen und Kardiologen gemeinsam geplant. Zusammen wollen wir die beste Behandlung für unsere Patienten ermitteln“, ergänzt Prof. Jochen Cremer vom Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel, der den chirurgischen Zweig vertritt. An der Studie beteiligen sich alle Partnerkliniken des DZHK und weitere führende Kliniken in Deutschland.
Bislang wird die fast doppelt so teure TAVI in der Regel nur bei hohem OP-Risiko, oder wenn jemand nicht operabel ist, von den Krankenkassen erstattet. Prof. Blankenberg sieht im Ergebnis der Studie auch die Chance für mehr Objektivität und Verfahrenssicherheit für Patienten, Ärzte und Kassen.
Randomized, Multi-Center, Event-Driven Trial of TAVI versus SAVR in Patients with Symptomatic Severe Aortic Valve Stenosis and Intermediate Risk of Mortality, as assessed by STS-Score(DEDICATE), Registrierung: NCT03112980
Quelle: D’ZHK, 24.04.2017
Quelle: DZHK, 24.04.2017
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