Tuberkulose (TB) ist eine der weltweit häufigsten Infektionskrankheiten mit durchschnittlich sechs Millionen diagnostizierten Infektionen jährlich. Sie stellte vor dem Auftauchen von SARS-CoV-2 die häufigste Todesursache durch einen einzelnen Erreger dar. Vor allem die Multiresistenzen bereiten Sorgen. Prof. Bernd Plietker und seine Arbeitsgruppe an der Professur für Organische Chemie I der TU Dresden haben nun gezielt eine Naturstoffklasse weiterentwickelt – die polyprenylierten polyzyklischen Acylphloroglucinolen (kurz PPAP). Das dabei entstandene Derivat PPAP53 zeichnet sich aufgrund seiner Eigenschaften durch ein großes Potential zur Anwendung im medizinalchemischen Kontext aus. In Zusammenarbeit mit mehreren Forschungseinrichtungen, wie den Universitäten Ulm und Mainz konnte gezeigt werden, dass PPAP53 sehr vielversprechend bei der Bekämpfung multiresistenter Tuberkulose ist und bei neurogenerativen Erkrankungen neue Behandlungsperspektiven eröffnet.
Tuberkulose schwer zu bekämpfen
Eine Früherkennung der Infektion durch das Bakterium Mycobacterium tuberculosis (Mtb) ist durch die Nutzung humaner Macrophagen (Fresszellen des Immunsystems) als quasi Wirt zur Vermehrung des Mtb stark erschwert. Aufgrund dieses „Versteckspiels“ des Mtb in den menschlichen Macrophagen greifen übliche Methoden der Diagnostik erst nach dem Kollaps der Macrophagen, man spricht dann von der „offenen Tuberkulose“. Mtb kann durch gängige Antibiotika, die über lange Zeiträume verabreicht werden, behandelt werden, allerdings fördert die wiederholte Exposition von Mycobacterium tuberculosis (Mtb) mit gängigen Antibiotika die Entwicklung multiresistenter und extensiv arzneimittelresistenter Stämme.
Interaktionen mit membranassoziierten Proteinen
Eine neue vielversprechende naturstoffbasierte Wirkstoffklasse hatte Plietker durch die Entwicklung einer kurzen und parallelisierbaren Totalsynthese vor einigen Jahren zugänglich gemacht: die polyprenylierten polyzyklischen Acylphloroglucinole (kurz PPAP). „Bereits erste Studien zur antimikrobiellen Aktivität der von uns entwickelten nicht-natürlichen Derivate deuteten an, dass diese Molekülklasse durch Interaktionen mit membranassoziierten Proteinen das Potential zur Anwendung im medizinalchemischen Kontext bietet“, erläutert Plietker, der seit 2020 die Professur für Organische Chemie I der TU Dresden innehat.
Makrophagen für die Bekämpfung aktivieren
Aufbauend auf diesen ersten Ergebnissen konnten er und sein Team nun in Kooperation mit Prof. Steffen Stenger vom Universitätshospital Ulm zeigen, dass ein spezifisches PPAP, das PPAP53, in der Lage ist, humane Makrophagen für die Bekämpfung resistenter Tuberkulose-Bakterien zu aktivieren, ohne aber für die Makrophagen selbst toxisch zu sein. Das Bekämpfen von TB innerhalb von Makrophagen ist ein vielversprechender Weg, die Infektion in einem frühen Stadium erfolgreich zu bekämpfen und so Resistenzbildungen lange vor dem Auftreten der Infektionserscheinungen zu vermeiden. In mehreren Tests konnte gezeigt werden, dass PPAP53 ausschließlich die intrazelluläre TB bekämpft, indem es die Zellmembran passiert oder aktiviert, ohne die Makrophage selbst zu schädigen. Ein weiterer Vorteil von PPAP53 gegenüber bisherigen Medikamenten ist, dass es nicht zu einer Konzentrationserhöhung der Leberenzyme führt. Dies verhindert eine Abnahme der Effektivität der Behandlung durch den unerwünschten Abbau des Wirkstoffs in der Leber. Darüber hinaus werden Kreuzresistenzen mit anderen Therapeutika vermieden, was insgesamt der Behandlung der Tuberkulose zugutekommt.
Einsatz auch in der Neurologie?
In einer zweiten Publikation wurde die Vermutung untersucht, dass die beobachtete PPAP-abhängige Aktivierung der Macrophagen die Folge einer Interaktion mit membranassoziierten Rezeptoren oder Kanälen sein könnte. Dazu wurden TRPC6-Ionenkanäle, die für den gezielten Transport von Kalzium-Ionen durch die Zellmembran verantwortlich sind, untersucht. Sie finden sich vor allem in neuronalen Zellen und der Nebennierenrinde. „In einer Kombination von biologischen Experimenten und mittels Unterstützung durch moderne künstliche Intelligenz-Algorithmen konnten wir zeigen, dass PPAP53 hochspezifisch am C-Terminus dieses TRPC-Kanals bindet und diesen für den Kalzium-Transport öffnet. Damit wirkt PPAP53 ähnlich wie der bekannte, aus dem Johanneskraut stammende Wirkstoff Hyperforin, welcher auch als Antidepressivum eingesetzt wird. Im Gegensatz zu Hyperforin bewirkt PPAP53 jedoch keine Erhöhung der Leberenzyme und vermeidet somit Kreuzresistenzen. Durch die vollständige Wasserlöslichkeit von PPAP53 ist die Bioverfügbarkeit deutlich erhöht, gleichzeitig wird durch die spezifische Substitution am Naturstoffkörper eine vollständige Lichtstabilität erreicht. Phototoxische Nebenwirkungen waren neben der Erhöhung der Leberenzymkonzentration einer der Hauptnachteile des Hyperforins. Wir haben nun erstmalig, ein molekulares Verständnis der Struktur-Aktivitätsbeziehung unseres Wirkstoffs PPAP53 ableiten können. Die einzigartigen Eigenschaften von PPAP53 eröffnen faszinierende Perspektiven in verschiedenen medizinischen Bereichen, zum Beispiel in der Makrophagen-Therapie, in der Onkologie und bei neurologischen Erkrankungen“, erläutert Erstautor Philipp Pelsalz das Potenzial des neuen Wirkstoffs.
Quelle: TU Dresden
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