Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat im Auftrag des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) den Nutzen und Schaden der Computertomografie-Koronarangiografie (CCTA) bei Verdacht auf eine chronische koronare Herzkrankheit (KHK) bei Patientinnen und Patienten nach einer Basisdiagnostik bewertet. Der Abschlussbericht liegt nun vor.
Zwei Fragestellungen wurden untersucht
Untersucht wurden die zwei Fragestellungen: 1. die Nutzenbewertung von diagnostischen Strategien mit Anwendung einer kontrastverstärkten Computertomografie-Koronarangiografie (CCTA) im Vergleich zu diagnostischen Strategien der gleichen Zielsetzung ohne Anwendung einer CCTA und 2. die Nutzenbewertung von diagnostischen Strategien mit Anwendung einer kontrastverstärkten Computertomografie-Koronarangiografie (CCTA) mit der Option einer anschließenden CT-basierten funktionellen Beurteilung im Vergleich zu diagnostischen Strategien der gleichen Zielsetzung ohne die Option einer CT-basierten funktionellen Beurteilung. Im Falle eines mindestens vergleichbaren Nutzens der CCTA gemäß Punkt 1 könne die diagnostischen Vergleichsstrategien zudem die CCTA beinhalten.
Nutzenbeleg für die CCTA
Deutliche Vorteile für Betroffene biete die CCTA demnach als Ersatz für andere Testverfahren auf chronische KHK und zur Entscheidung über den Einsatz invasiverer Verfahren: Im Vergleich mit funktioneller Diagnostik (z. B. Belastungs-EKG) ohne CCTA und im direkten Vergleich mit einer Koronarangiografie mittels Linksherzkatheter (ICA) sieht das IQWiG einen Nutzenbeleg, weil die CCTA das wesentlich risikoreichere und invasive ICA-Verfahren ersetzen könne und sich ein zum Teil verbessertes Behandlungsergebnis zeige. Das IQWiG könne allerdings keinen Nutzen und auch kein Potenzial feststellen für eine CCTA mit einer Option für eine anschließende Computertomografie-(CT)-basierte funktionelle Beurteilung im Vergleich zu einer CCTA ohne diese Option. Denn die optionalen Verfahren könnten zusätzliche Schadens- und Verfahrensrisiken mit sich bringen, so das IQWiG.
ICA gilt noch als Goldstandard
Die KHK ist die häufigste Todesursache in Deutschland: Einlagerungen in den Herzkranzgefäßen (Arteriosklerose) können zu Verengungen (Stenosen) und dadurch zu einer Minderdurchblutung des Herzens führen mit Brustschmerz und Engegefühl (Angina Pectoris). Um eine chronische KHK sicher zu erkennen und richtig zu behandeln, ist eine eindeutige Diagnosestellung unverzichtbar. Die Folgen von verengten Blutgefäßen für die Durchblutung des Herzmuskels lassen sich durch funktionelle Verfahren wie die Stress-Echokardiografie oder das Belastungs-EKG nachweisen. Die Stenosen selbst werden durch morphologische Verfahren wie die CCTA und die ICA angezeigt, wobei die ICA als Goldstandard für die Diagnose einer chronischen KHK gilt. Bei unklarem Ergebnis können die beiden Verfahren um eine funktionelle Messung ergänzt werden – invasiv während der ICA oder mit CT im Rahmen einer CCTA.
Starke Negativempfehlung gegen ICA bei niedriger und mittlerer Vortestwahrscheinlichkeit
Obwohl es in der aktuellen Nationalen VersorgungsLeitlinie (NVL) eine starke Negativempfehlung gegen die ICA bei niedriger und mittlerer Vortestwahrscheinlichkeit für eine KHK gebe, nehme die Anzahl an ICAs in Deutschland seit Jahren stetig zu. So seien im Jahr 2019 circa 510.000 ICAs durchgeführt worden. Bei etwa 30 Prozent der Indikationen, die zu einer ICA geführt haben, habe allerdings kein pathologischer Befund vorgelegen. Das IQWiG sieht einen möglichen Grund im starken Einsatz der ICA darin, dass die ICA (mit und ohne Messung der fraktionellen Flussreserve) zum Leistungsumfang der GKV zählt – und die CCTA nicht.
CCTA mit und ohne CT-basierte funktionelle Beurteilung
Im Vergleich zu funktionellen Verfahren (z. B. Belastungs-EKG oder Stress-Echokardiografie) biete eine Diagnosestrategie mit CCTA klare Vorteile: Invasive Diagnostik (ICA), die nur zum Ausschluss einer chronischen KHK diene, werde danach seltener eingesetzt. Und es gebe Anzeichen dafür, dass auch weniger Herzinfarkte auftreten, so das IQWiG. Nachteile zeigen sich langfristig demnach nur bei instabiler Angina Pectoris. Nach Auswertung von Ergebnissen aus elf Studien stellt das IQWiG insgesamt einen Beleg für einen höheren Nutzen von Diagnosestrategien mit CCTA fest gegenüber Diagnosestrategien mit funktionellen Verfahren bei Patientinnen und Patienten mit Verdacht auf eine chronische KHK.
Weitere invasive Diagnostik viel seltener nötig
Noch deutlicher zeigen sich laut IQWiG die Vorteile einer CCTA im Vergleich zur invasiven ICA allein. In den vier für diesen Vergleich eingeschlossenen Studien sei eine CCTA im Interventionsarm einer ICA vorgeschaltet worden, um über den Einsatz dieses invasiven Verfahrens im Interventionsarm zu entscheiden, während die ICA im Kontrollarm immer Anwendung fand. In den Studien zu dieser Teilfrage liege der Fokus darauf, wie gut der Einsatz einer CCTA zur Einsparung einer ICA geeignet sei. Die Studiendaten zeigen, dass bei Patientinnen und Patienten, für die bereits eine ICA vorgesehen war, die aber zunächst mit CCTA untersucht wurden, weitere invasive Diagnostik viel seltener nötig gewesen sei. Überdies seien hier Schlaganfälle und andere schwerwiegende unerwünschte Ereignisse seltener aufgetreten. Das IQWiG stellt deshalb dafür ebenfalls einen Beleg für einen höheren Nutzen der diagnostischen Strategie mittels CCTA gegenüber der direkten ICA fest.
CT-basierte funktionelle Beurteilung
Beim zweiten zu überprüfenden Punkt für den Vergleich von Diagnosestrategien mit einer CCTA und mit der Option einer zusätzlichen CT-basierten funktionellen Beurteilung des Blutdurchflusses durch das Herz im Vergleich zu diagnostischen Strategien (ggf. auch CCTA) ohne diese zusätzliche Option seien zwei unterschiedliche funktionelle Verfahren in den ausgewerteten Studien als mögliche Ergänzung der CCTA eingesetzt worden. Auf der einen Seite die CT-basierte Messung der fraktionellen Flussreserve (CT-FFR) und auf der anderen die CT-basierte Messung der myokardialen Perfusion (CTP), das heißt des Blutdurchflusses durchs Herz.
Die Ergebnisse aus drei Studien zeigen zwar, dass sowohl die CT-FFR als auch die CTP als optionale Ergänzung zu einer CCTA dazu beiträgt, weniger invasive Diagnostik zu betreiben. Bis auf eine Ausnahme liefern die Studienergebnisse allerdings zu allen anderen Zielgrößen wie Sterblichkeit, Angina Pectoris, Gesundheitszustand, Lebensqualität, Nebenwirkungen etc. keine Unterschiede zwischen den Vergleichsgruppen oder es lagen keine verwertbaren Daten vor.
Auffällig mehr Herzinfarkte in zwei Studiengruppen
In Anbetracht von auffällig mehr Herzinfarkten in zwei Studiengruppen mit der Option für eine CT-FFR gebe es allerdings Bedenken, dass die zusätzlichen Verfahrensoptionen auch mit Nachteilen einhergehen könnten, die einen eventuellen Nutzen zumindest aufwiegen könnten. Dasselbe gelte für die CTP, da sie durch Arznei- und Kontrastmittelinjektion sowie durch eine erhöhte Strahlenbelastung mit zusätzlichen Verfahrensrisiken verbunden sei. Nach Abwägen der Schadensrisiken mit den Nutzenaspekten sieht das IQWiG daher keinen Nutzen für die CCTA mit Option für eine CT-basierte funktionelle Beurteilung gegenüber einer CCTA ohne die Option auf CT-basierte funktionelle Beurteilung bei Patientinnen und Patienten mit Verdacht auf eine chronische KHK. Im Vorbericht hatte das Institut noch aus den Studien abgeleitet, dass die Vorteile einer CT-FFR überwiegen. Argumente aus den Stellungnahmen zu den Schadensrisiken hätten dann zur Bewertungsänderung geführt.
Die vorläufigen Ergebnisse, den Vorbericht, hatte das IQWiG im Februar 2023 veröffentlicht und zur Diskussion gestellt. Nach Abschluss des Stellungnahmeverfahrens überarbeitete das Projektteam den Vorbericht und versandte ihn im Mai 2023 als Abschlussbericht an den Auftraggeber, den G-BA. Die eingegangenen schriftlichen Stellungnahmen werden in einem eigenen Dokument zeitgleich mit dem Abschlussbericht publiziert.
Quelle: IQWiG
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