Prof. Griesser, wodurch entsteht Gebärmutterhalskrebs, in der Fachsprache Zervixkarzinom genannt?
Gebärmutterhalskrebs kann durch eine Infektion mit humanen Papillomviren (HPV) ausgelöst werden. Papillomviren sind die häufigsten sexuell übertragenen Viren, mit denen sich rund 80 Prozent der Frauen in Deutschland im Laufe ihres Lebens infizieren. In der Regel erkennt das Immunsystem die Infektion, so dass diese meistens innerhalb von zirka 24 Monaten unbemerkt ausheilt.
Es gibt mehr als 170 verschiedene HPV-Typen, die ein unterschiedliches Risiko bedeuten, dass sich durch eine Infektion Gebärmutterhalskrebs entwickeln kann. Kleine Bruchstücke der Erbsubstanz bestimmter weniger HR(high-risk)-Typen des HP-Virus sind in der Lage, sich in das Erbmaterial der infizierten Zelle einzuschleusen. In der Regel kann aber auch in diesen Fällen das Immunsystem wirkungsvoll gegensteuern. Nur bei wenigen Frauen versagt das körpereigene Schutzsystem, so dass sich dann aus Zellen mit chronischer HR-HPV-Infektion Vorstufen von Gebärmutterhalskrebs oder gar ein Krebs entwickeln können. Dieser Prozess dauert in der Regel sieben bis fünfzehn Jahre. Es gibt aber auch Formen von Gebärmutterhalskrebs, die rund zwei Prozent aller Erkrankungen ausmachen, bei denen kein HP-Virus nachgewiesen werden kann. Welche Auslöser in diesen Fällen eine Rolle spielen, ist derzeit noch nicht bekannt.
Wie erfolgt in der Regel die Diagnose von Gebärmutterhalskrebs?
In Deutschland kann jede Frau ab dem 20. Lebensjahr einmal jährlich kostenlos die Vorsorge-Untersuchung beim Gynäkologen in Anspruch nehmen. Bei der zytologischen Krebsfrüherkennung entnimmt die Frauenärztin oder der Frauenarzt mit Hilfe eines speziellen Spatels bzw. einer kleinen Bürste Zellen vom Muttermund (Portio) und aus dem Gebärmutterhalskanal (Zervix). Die Entnahme der Zellen ist einfach und für die Patientin schmerzfrei. Die Zellen werden anschließend aufbereitet und unter dem Mikroskop von einem in der zytologischen Diagnostik erfahrenen Facharzt, in der Regel Pathologen und Gynäkologen, auf Zellveränderungen untersucht.
Anhand einer festgeschriebenen Tabelle wird der Befund eingeordnet und der Grad einer möglichen Veränderung eingruppiert. Zirka 98,5 Prozent aller Untersuchungen sind unauffällig. Erkennt der Pathologe Zellveränderungen, erfolgen in einem bestimmten Zeitintervall Wiederholungen des Abstrichs und eventuell weitergehende Untersuchungen und Behandlungen. Zusätzlich können mit Hilfe von speziellen Zusatzverfahren, wie z.B. dem HPV-Test, verschiedene Virustypen nachgewiesen und der Verlauf einer möglichen Erkrankung abgeschätzt werden.
Welche Behandlungsformen stehen heute zur Verfügung?
Wird die bösartige Veränderung sehr früh und noch in einem Vorstadium entdeckt, reicht meistens eine örtlich begrenzte Operation am Gebärmutterhals aus, bei der das veränderte Zellgewebe entfernt wird. Wenn in der pathologischen Gewebe-Untersuchung festgestellt wird, dass im Bereich der Schnittränder keine bösartigen Zellen vorhanden sind und wenn auch die örtlichen Lymphknoten frei sind von Krebszellen, ist die Behandlung abgeschlossen. Wenn der Krebs nicht frühzeitig entdeckt wird, kann er in die benachbarten Gewebe einwachsen, zum Beispiel in den Gebärmutterkörper oder in das Scheidengewölbe. Die Krebszellen können zudem in die Lymphknoten transportiert werden oder auch in weiter entfernte Regionen des Körpers wandern. In dem Fall entfernt der Chirurg das gesamte betroffene Gewebe in einer Operation – also etwa die Gebärmutter, den oberen Teil der Scheide und die befallenen Lymphknoten. Je nachdem wie weit sich der Krebs ausgedehnt hat und welche Zelltypen gefunden werden, schließen sich dann eine Chemotherapie und eine Bestrahlung an. In manchen Fällen wird eine Chemotherapie auch schon vor der Operation durchgeführt. Die Behandlung eines fortgeschrittenen Gebärmutterhalskrebses ist für die Patientin immer sehr belastend. Deshalb kann ich nur jeder Frau nahelegen, jedes Jahr zur Krebsfrüherkennungsuntersuchung zu gehen. Nur so sind die Vor- und Frühstadien rechtzeitig zu ermitteln. Untersuchungen in Deutschland und anderen Ländern belegen, das über 60 Prozent der Frauen, die vom Gebärmutterhalskrebs betroffen sind, den Abstrich in den letzten fünf Jahren vor der Erkrankung nicht durchführen ließen; 31 Prozent der Frauen gingen nur unregelmäßig zur Vorsorge.
Gibt es Maßnahmen zur Vorbeugung?
Es gibt eine Impfung, die einer Infektion mit den wichtigsten Hochrisiko-Viren für Gebärmutterhalskrebs vorbeugen. Die Impfung wird im Idealfall im Alter von neun bis 14 Jahren durchgeführt, idealerweise vor Beginn der sexuellen Aktivität. Diese Impfung wird von den Kostenträgern in der Regel bis zum 18. Geburtstag bezahlt, manche Krankenkassen bezahlen die Impfung bis zum 25. Geburtstag. Damit kann Krebserkrankungen vorgebeugt werden, die durch die Virustypen dieses Impfstoffes ausgelöst werden.
Seit einigen Wochen ist in Deutschland ein Impfstoff (Papillomavirus 9-valente) zugelassen, mit dem eine Immunität gegen neun Typen des Humane-Papilloma-Virus aufgebaut werden kann. Damit können jetzt die Viren erreicht werden, die 80 bis 90 Prozent der Krebserkrankungen auslösen. Vorher war eine Impfung nur gegen vier Virustypen möglich.
Da einige Gebärmutterhals-Krebserkrankungen aber nicht durch diese Virustypen ausgelöst werden, sollte jede Frau weiterhin regelmäßig zur Krebsfrüherkennung gehen – auch dann, wenn sie geimpft ist. Im Rahmen der Vorsorge werden neben dem Abstrich ja auch Vulva, Vagina, Gebärmutterkörper, Eileiter und Eierstöcke, Brüste und Achselhöhlen und ab 50 der Enddarm untersucht.
Sollen auch Jungen gegen den HP-Virus geimpft werden?
Ja, auch Jungen sollten geimpft werden, denn Männer geben die Viren beim Sex weiter. Die Impfung sollte wie bei den Mädchen auch bei Jungen im Alter von neun bis zwölf Jahren erfolgen; das macht dann der Kinderarzt oder auch der Hausarzt. In Sachsen wird die Impfung für Jungen bereits offiziell empfohlen, wegen der Kostenübernahme sollte mit der zuständigen Krankenkasse Kontakt aufgenommen werden.
Gibt es Studienergebnisse zu den Impfungen?
Gebärmutterhalskrebs wächst in den meisten Fällen sehr langsam und die Impfung wird flächendeckend noch nicht sehr lange eingesetzt. Deshalb gibt es noch keine verlässlichen Studien zur tatsächlichen Verhinderung von Gebärmutterhalskrebs. Wir haben aber wichtige Zahlen zum Beispiel aus Australien, wo es seit zehn Jahren ein flächendeckendes Impfprogramm für Mädchen und Jungen in den Schulen gibt. Dort ist bei jungen Frauen die Zahl der frühen Krebsvorstufen nach der Impfung um mehr als zwei Drittel zurückgegangen.
Zytologischer Abstrich und HPV-Test: Was kennzeichnet diese beiden Verfahren?
Die zytologische Diagnostik und der HPV-Test verfolgen unterschiedliche Ziele.
Die aktuelle Früherkennung durch eine zytologische Diagnostik sucht nach krankhaften Zellveränderungen. Ziel ist es, Zellveränderungen in einem Frühstadium festzustellen, in dem noch kein Gebärmutterhalskrebs entstanden ist und dieser verhindert werden kann. Seit 1971 erfolgt die Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs über einen zytologischen Abstrich. Bei Einführung des Tests war der Gebärmutterhalskrebs die zweithäufigste Krebsform bei Frauen. Heute steht der Gebärmutterhalskrebs auf Rang 13. Die Zahlen an Neuerkrankungen sinken seit Einführung der Früherkennung kontinuierlich. 4.640 Frauen in Deutschland erkrankten laut Angabe des Robert Koch-Instituts 2012 neu an Gebärmutterhalskrebs. Für 2016 rechnet man mit 4.300 Neuerkrankungen.
Der HPV-Test erkennt zurückliegende oder frische Infektionen durch einen HP-Virus. Er sucht also nach einem Risikofaktor für Gebärmutterhalskrebs. Da – wie oben ausgeführt – nicht jeder Gebärmutterhalskrebs von einem HP-Virus ausgelöst wird und aus mehreren Gründen der Labortest bei der Entdeckung der Erbsubstanz des HPV versagen kann, entstehen gelegentlich falsch negative Befunde. Bei dem aktuell diskutierten Fünf-Jahresrhythmus für einen HPV-Test können Frauen sich dadurch in einer falschen Sicherheit wiegen und über Jahre einen Krebs entwickeln.
Was wäre aus Ihrer Sicht die bestmögliche Lösung zur Früherkennung von Gebärmutterhalskrebs?
Die bisherige Früherkennung hat sich – wie die geschilderte Entwicklung zeigt – sehr gut bewährt. Auf diese Tatsache hat auch der Bundesverband Deutscher Pathologen immer wieder hingewiesen. Meiner Meinung nach würde die Co-Testung zu einer weiteren Verbesserung der Vorsorge beitragen; hier wäre unter Berücksichtigung einer Kostenbegrenzung für das öffentliche Gesundheitswesen eine kombinierte zytologische Diagnostik plus HPV-Test in einem Abstand von drei Jahren denkbar. Wichtig ist es mir als Mediziner, eine allen Patientinnen zugängliche Lösung zu erarbeiten, die von den gesetzlichen Krankenkassen mitgetragen wird. Sollte die Vorsorgeuntersuchung beispielsweise nur dann optimal sein, wenn zusätzliche Verfahren im Rahmen individueller Gesundheitsleistungen genutzt werden, würde hier der Weg in eine Zwei-Klassen-Medizin eingeschlagen.
Info:
*sowie zweiter Vorsitzender der AZÄD (Arbeitsgemeinschaft zytologisch tätiger Ärzte in Deutschland e.V.) und Mitbegründer der „Initiative Gebärmutterhalskrebs verhindern“ (www.gebaermutterhalskrebs-verhindern.de).
Quelle: Bundesverband Deutscher Pathologen
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