Impfpflicht soll Kinder vor Masern schützen

Masernschutzgesetz
Hardy-Thorsten Panknin
Impfpflicht soll Kinder vor Masern schützen
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Schul- und Kindergartenkinder sollen wirksam vor Masern geschützt werden. Das ist Ziel des Masernschutzgesetzes, das am 14. November in 2./3. Lesung im Bundestag beschlossen wurde.

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass alle Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr beim Eintritt in die Schule oder den Kindergarten die von der Ständigen Impfkommission empfohlenen Masernimpfungen vorweisen müssen. Auch bei der Betreuung durch eine Tagesmutter muss in der Regel ein Nachweis über die Masernimpfung erfolgen.

Gleiches gilt für Personen, die in Gemeinschaftseinrichtungen oder medizinischen Einrichtungen tätig sind wie Erzieher, Lehrer, Tagespflegepersonen und medizinisches Personal (soweit diese Personen nach 1970 geboren sind). Auch Asylbewerber und Flüchtlinge müssen den Impfschutz 4 Wochen nach Aufnahme in eine Gemeinschaftsunterkunft aufweisen.

Wie wird der Nachweis erbracht?

Der Nachweis kann durch den Impfausweis, das gelbe Kinderuntersuchungsheft oder – insbesondere bei bereits erlittener Krankheit – ein ärztliches Attest erbracht werden. Der Nachweis ist in der Regel gegenüber der Leitung der Einrichtung zu erbringen. Kinder, die schon jetzt im Kindergarten und in der Schule oder in anderen Gemeinschaftseinrichtungen betreut werden, müssen den Nachweis bis zum 31. Juli 2021 erbringen. Ebenfalls möglich ist die Bestätigung einer zuvor besuchten Einrichtung, dass ein entsprechender Nachweis bereits dort vorgelegen hat.

Entsprechendes gilt für Personal in Gemeinschaftseinrichtungen und medizinischen Einrichtungen, wie zum Beispiel in Krankenhäusern oder Arztpraxen. In medizinischen Einrichtungen ist das bereits gelebte Praxis. Auch hier muss das Personal die Impfung nachweisen, die Krankheit bereits durchlitten haben und damit immun zu sein.

Weiterhin viel Aufklärungsarbeit

Eltern, die ihre in Gemeinschaftseinrichtungen betreuten Kinder nicht impfen lassen, werden künftig eine Ordnungswidrigkeit begehen und müssen mit einer Geldbuße in Höhe von bis zu 2.500 Euro rechnen. Die Geldbuße kann auch gegen die Leitungen von Kindertagesstätten verhängt werden, die nicht geimpfte Kinder zulassen. Ein Bußgeld kommt auch in Betracht gegen nicht geimpftes Personal in Gemeinschaftseinrichtungen, Gesundheitseinrichtungen und Asylbewerberunterkünften und gegen nicht geimpfte Bewohner solcher Unterkünfte.

Nicht geimpfte Kinder können vom Besuch des Kindergartens ausgeschlossen werden. Nicht geimpftes Personal darf in Gemeinschafts- oder Gesundheitseinrichtungen keine Tätigkeiten aufnehmen.

Um die Impfprävention generell zu stärken, sieht der Entwurf unter anderem vor, dass künftig alle Ärzte (ausgenommen Zahnärzte) Schutzimpfungen durchführen dürfen. Fachärztinnen und Fachärzte dürfen Schutzimpfungen unabhängig von den Grenzen für die Ausübung der fachärztlichen Tätigkeit durchführen.

Außerdem soll der öffentliche Gesundheitsdienst wieder verstärkt freiwillige Reihenimpfungen in Schulen durchführen. Daher werden die Krankenkassen verpflichtet, mit dem öffentlichen Gesundheitsdienst Vereinbarungen über die Erstattung der Kosten für diese Impfungen zu treffen.

Die Dokumentation von Schutzimpfungen soll auch in elektronischer Form möglich sein. Unter anderem durch einen solchen digitalen Impfausweis kann der Patient automatisiert an Termine für Folge- und Auffrischimpfungen erinnert werden.

Die neuen Regelungen werden durch eine verstärkte Aufklärung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung begleitet. Dafür werden Mittel in Höhe von 2 Millionen Euro pro Jahr bereitgestellt.

Hintergrund

Masern gehören zu den ansteckendsten Infektionskrankheiten. Im Jahr 2018 wurden europaweit 12.352 Maserfälle gemeldet. 2019 wurden in Deutschland bis Mitte Oktober bereits 501 Fälle registriert. Im gesamten Jahr 2018 betrug die landesweite Zahl der gemeldeten Erkrankungen 544 Fälle. Masern bringen häufig Komplikationen und Folgeerkrankungen mit sich. Dazu gehört im schlimmsten Fall eine tödlich verlaufende Gehirnentzündung. Eine Maserninfektion ist damit anders als vielfach angenommen keine „harmlose Kinderkrankheit“. Den besten Schutz vor Masern bieten Impfungen. Sie sorgen für eine lebenslange Immunität.

Trotz aller Aufklärungskampagnen sind die Impflücken bei Masern in Deutschland aber weiterhin zu groß, wie aus neuen Auswertungen des Robert Koch-Instituts (RKI) zu Impfquoten hervorgeht. Zwar haben 97,1 % der Schulanfänger die erste Impfung bekommen. Aber bei der entscheidenden zweiten Masernimpfung gibt es große regionale Unterschiede, sodass auf Bundesebene die gewünschte Impfquote von 95 % noch immer nicht erreicht wird. Erst mit dieser Quote kann ein Gemeinschaftsschutz erreicht werden. Nach den neuen Daten des RKI sind gut 93 % der Schulanfänger 2017 zweimal gegen Masern geimpft.

Nicht geimpft zu sein bedeutet nicht nur eine erhebliche Gefahr für das körperliche Wohlergehen der betroffenen Person, sondern auch ein Risiko für andere Personen, die zum Beispiel aufgrund ihres Alters oder besonderer gesundheitlicher Einschränkungen nicht geimpft werden können. Deshalb muss eine Impfpflicht möglichst früh und da ansetzen, wo Menschen täglich in engen Kontakt miteinander kommen [1].

Kommentar

Der Deutsche Ethikrat hatte sich gegen eine Masernimpfpflicht ausgesprochen. Die Einführung einer gesetzlichen Masernimpfpflicht empfiehlt er nur für Berufsgruppen in besonderer Verantwortung. Begründung: Zwangsmaßnahmen könnten die recht hohe Impfquote bei Minderjährigen eher gefährden. Wie der Ethikrat empfehlen auch viele Juristen und Mediziner, zunächst andere Wege zu gehen, um die Impfraten zu erhöhen. Sie schlagen etwa vor, die Vorteile von Masernimpfungen besser zu kommunizieren und stärker auf die Haltung der Impfskeptiker einzugehen [2].

Es ist nicht nachvollziehbar, warum die jetzt verpflichtende Impfung gegen Masern so hohe Wellen hierzulande schlägt. Masern sind hoch ansteckend: Ein an Masern Erkrankter infiziert im Schnitt 15 weitere Personen. Wenn es in Ländern, in denen die Masern schon stark zurückgedrängt wurden, nicht gelingt, eine hohe Impfrate bei Kindern von 95 % zu erreichen und durchzuhalten, wird die Krankheit immer wieder aufflammen, warnt die Weltgesundheitsorganisation. Sinken generell die Impfraten – auch gegen andere Infektionskrankheiten –, kehren längst vergessene schwere ansteckende Massenerkrankungen wieder zurück; ein Faktum, dessen wir uns bewusst sein können!

Dass davon unabhängig die Diskussion um eine Impfpflicht für Krankenhausmitarbeiter zumindest gegen Masern durchaus berechtigt ist, zeigte eine aktuelle Veröffentlichung aus einem hessischen Krankenhaus [3]. Zwischen Februar und März 2017 kam es dort zu einer Ausbreitung von Masern bei Krankenhauspersonal. Der Ausbruch nahm dramatische Züge an – siehe auch MTA Dialog, 2019; 20 (6): 496. Unabhängig von dem geplanten Impfgesetz sollte jeder Mitarbeiter, der Patientenkontakt hat, sein „Impfbuch“ überprüfen. Die im Impfkalender der STIKO (Ständige Impfkommission) aufgeführten Impfungen sollten in der vorgesehenen Frequenz darin bestätigt sein. Das heißt, der Mitarbeiter sollte über einen Impfschutz bei allen von der STIKO empfohlenen „Kinderimpfungen“ verfügen.

Sind die entsprechenden Impfnachweise nicht vorhanden (Impfbuch verloren oder niemals angelegt), kann die Immunität durch Antikörperbestimmung gegen die Viren der exanthematischen Kinderkrankheiten beim Betriebsarzt überprüft werden. Erst- oder Nachimpfungen sind dann angezeigt.

Mitarbeiter medizinischer Einrichtungen sollten auch über einen Impfschutz gegen Hepatitis A verfügen. Eine vorherige Testung, ob man eine Hepatitis A bereits (gegebenenfalls als asymptomatische Infektion) durchgemacht hat, ist bei Mitarbeitern sinnvoll, die aus Endemiegebieten stammen (zum Beispiel Mittelmeerraum). Besteht bereits ein Anti-HAV-Titer, ist eine Impfung nicht erforderlich. Die Impfung gegen Hepatitis B (HBV) ist außerordentlich wichtig, da aus Akutkrankenhäusern, aber auch aus Altenpflegeheimen immer wieder über nosokomiale HBV-Übertragungen berichtet wurde. Diese Übertragungen gingen in beide Richtungen, das heißt chronisch infizierte Mitarbeiter haben das Virus bei invasiven Maßnahmen an Patienten weitergegeben oder umgekehrt, sich an HBV-positiven Personen selbst angesteckt. Der Impferfolg sollte 4–8 Wochen nach der HBV-Impfung überprüft werden. Liegt der Impftiter bei dieser Kontrolle bei ≥ 100 IE/L, so kann von einem lebenslangen Schutz ausgegangen werden. Weitere Kontrollen sind dann nicht mehr erforderlich.

Eine Übersicht über weitere für Krankenhausmitarbeiter empfohlene Impfungen gibt Tabelle 1.

Ein besonderer Hinweis der STIKO gilt der Impfung gegen Herpes zoster (Gürtelrose). Hier gibt es einen neuen, sehr gut wirksamen Impfstoff, der als Standardimpfung für Personen ab 60 Jahren empfohlen wird [4]. Es handelt sich um einen sogenannten Spalt-Impfstoff, das heißt dieser Impfstoff kann selbst weder Windpocken noch eine Gürtelrose auslösen.

Der Impfschutz gegen Tetanus und Diphtherie sollte alle 10 Jahre aufgefrischt werden. Auch dies sollte anhand des Impfbuches überprüft werden. Ist es verlorengegangen, wird am besten noch einmal eine komplette Grundimmunisierung durchgeführt. Bei beruflicher Tätigkeit mit Risiko einer Poliovirusexposition empfiehlt die STIKO auch eine Auffrischung des Polioschutzes alle 10 Jahre.

Die internationale Migration der Menschen, die Erwärmung der Kontinente sowie der Transport von Tieren, Nahrungsmitteln und Waren haben deutlich zugenommen. Die Globalisierung betrifft auch die Verbreitung von Erregern, die Epidemien auslösen und darüber hinaus Resistenzinformationen gegen die verfügbaren Chemotherapeutika tragen können. An alle Gesundheitsberufe ist daher ein dringender Impfappell zu richten; nicht nur gegen Masern!

Um Krankheiten zu verhüten, zählen unter anderem Impfungen zu den effektivsten und kostengünstigsten präventiven Maßnahmen der modernen Medizin. Über Impfprogramme, mit denen inzwischen die Pocken komplett ausgerottet wurden und zum Beispiel die Kinderlähmung weitgehend zurückgedrängt wurde, soll in diesem Kontext auf die gelungene Impfkampagne gegen Kinderlähmung in den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts hingewiesen werden: Der Ausspruch „Schluckimpfung ist süß – Kinderlähmung ist grausam“ steht für eine Impfkampagne, die 1962 in Deutschland ins Leben gerufen wurde. Der flächendeckenden Maßnahme ist es zu verdanken, dass 1990 den Gesundheitsbehörden der letzte Poliofall gemeldet wurde. 12 Jahre später wurde sogar ganz Europa für von Polio befreit erklärt. Auch weltweit kam es zu einem deutlichen Rückgang. So wurden 2015 der WHO nur noch 74 Poliofälle gemeldet, meist aus Ländern wie Pakistan oder Afghanistan, in denen nicht landesweit geimpft wird [5]. Heute wird in Europa nur noch mit einem Totimpfstoff gegen Polio geimpft. Die Argumentation vonseiten der Impfgegner-Szene, Impfen sei schädlich, ein Geschäft für die Pharmaindustrie oder gar verwerflich, da es sich auch bei Krankheitserregern um Geschöpfe Gottes handle, ist als absolut bodenlos zynisch und gegenüber den dann deshalb von der Krankheit Betroffenen als absolut verantwortungslos zu betrachten [6]. Bei hohen Durchimpfungsraten können Krankheitserreger regional eliminiert und schließlich weltweit ausgerottet werden. Ein Vergleich der Kosteneffektivität von 500 lebensrettenden Maßnahmen in den USA ergab, dass die empfohlenen Impfungen im Kindesalter weniger als einen US-Dollar pro gerettetes Lebensjahr kosten. Der Kosten-Nutzen-Index für die Masernimpfung wird mit 1 : 32 angegeben [7, 8, 9]. Deshalb ein Appell an alle in den Gesundheitsberufen Tätigen: Impfen kann Leben retten!

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, CDU:

„Masern werden viel zu häufig unterschätzt. Sie sind hoch ansteckend und können sogar tödliche Folgen haben. Diese Infektionskrankheit gefährdet vor allem diejenigen, die sich selber nicht schützen können: unsere Kinder. Deswegen fördern wir Masernschutz in der Kita, der Schule und bei der Kindertagespflege. Und wir ermöglichen es dem öffentlichen Gesundheitsdienst, wieder mehr Reihenimpfungen in Schulen anzubieten. Das hilft uns, auch andere Infektionskrankheiten zu bekämpfen – wie Tetanus, Diphtherie und Keuchhusten. Eltern müssen wissen: Impfen schützt die Gesundheit ihrer Kinder.“

Weiterführende Literatur

1.    Impfpflicht soll Kinder vor Masern schützen. www.bundesgesundheitsministerium.de/impfpflicht.html Zugriff am 17. November 2019.
2.    Bundestag beschließt Masern-Impfpflicht Immunisierung Gesundheitsminister Jens Spahn macht beim Schutz gegen die gefährliche Infektionskrankheit Tempo. Stuttgarter Zeitung, 15. November 2019.
3.    Hiller U, Mankertz A, Köneke N, Wicker S: Hospital outbreak of measles – evaluation and costs of 10 occupational cases among healthcare workers in Germany. February to March 2017. Vaccine 2019; 37: 1905–9.
4.    Ständige Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch-Institut: Wissenschaftliche Begründung zur Empfehlung einer Impfung mit dem Herpes zoster-subunit-Totimpfstoff. Epidemiol Bulletin 2018; 50: 541–67.
5.    Herwald H: Infektionskrankheiten Geschichte, Medizin, Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und ihre Wechselwirkungen. Springer Verlag Berlin-Heidelberg 2019.
6.    Gmelin B: Seuchen und wir – eine komplexe Beziehung. In: Kai-Uwe Eckardt (Hrsg.): Seuchen und wir – eine komplexe Beziehung. Atzelsberger Gespräche der Nürnberger Medizinischen Gesellschaft e. V. Band 12. Helmut Seubert Verlag 2012.
7.    Reiter S: Ausgewählte Daten zum Impf- und Immunstatus in Deutschland. Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz 2004; 47: 1144–50.
8.    Reiter S, Rasch G: Schutzimpfungen. Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Heft 01/2000 Leistungen des Gesundheitswesens. Hrsg. Robert Koch-Institut Berlin 2000.
9.    Exner M: Zur Bedrohung durch INFEKTIONSKRANKHEITEN – Notwendigkeit einer Reform der Infektionshygiene. Herausgegeben von der RUDOLF SCHÜLKE STIFTUNG in Abstimmung mit den Fachgesellschaften und ärztlichen Berufsverbänden für Hygiene und Öffentliche Gesundheit. mhp-Verlag GmbH Wiesbaden 2007.

Entnommen aus MTA Dialog 12/2019

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