IKK: Vorschläge für nachhaltige GKV-Finanzierung

Innungskrankenkassen stellen Alternative vor
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Alternativvorschläge zur GKV-Finanzierung
Alternativvorschläge zur GKV-Finanzierung © Coloures-Pic, stock.adobe.com
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In einem Pressegespräch haben die IKK am 22.8. den Gesetzesvorschlag von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zur GKV-Finanzierung kritisiert und eigene Vorschläge vorgestellt.

Der im Juli 2022 vorgelegte Entwurf des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes (GKV-FinStG) werde das Finanzierungsproblem nicht lösen. „Er ist letztlich der Offenbarungseid einer kurzsichtigen Gesundheitspolitik, die einschneidende Reformen aufschiebt und, um kurzfristig Finanzierungslücken zu schließen, wieder einmal die Lasten einseitig und ungerechtfertigt der GKV und damit den Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern aufbürdet“, erklärte Hans-Jürgen Müller, Vorstandsvorsitzender des IKK e.V. „Um das Defizit zu stopfen, sollen direkt bzw. indirekt rund zwölf Milliarden Euro allein von den Beitragszahlerinnen und Beitragszahlern der GKV, den Versicherten und Arbeitgebern, aufgebracht werden. Direkt über eine Beitragserhöhung, indirekt über das Abschmelzen der Finanzreserven der Krankenkassen und des Gesundheitsfonds sowie über ein Bundesdarlehen. Das alles sind Taschenspielertricks, keine langfristige Sicherung der Finanzen. Diese Politik verstehen weder die 73 Millionen GKV-Versicherten noch die knapp sechs Millionen Beschäftigten im Gesundheitswesen“, so Müller weiter.

Das Gesetz sei auf knappste Kante genäht, kritisierte auch Prof. Dr. rer. pol. Jürgen Wasem von der Universität Duisburg-Essen. Ab 2024 werde die Schere wieder größer. Er glaube auch nicht, dass die 0,3 Prozentpunkte an Erhöhung des Zusatzbeitrages im kommenden Jahr ausreichten. Seinen Berechnungen für die Einnahmen- und Ausgabenentwicklung nach werde die primäre Unterdeckung in der GKV von aktuell 51 Milliarden Euro auf 75 Milliarden Euro im Jahr 2027 anwachsen. Hans Peter Wollseifer, Vorstandsvorsitzender des IKK e.V., kritisierte das GKV-FinStG aus Sicht der Handwerkerschaft bzw. der Arbeitgeber. Schon mit der im Gesetzentwurf einkalkulierten Anhebung des durchschnittlichen Zusatzbeitrags in der GKV um mindestens 0,3 Beitragssatzpunkte werde die 40-Prozent-Marke bei den Sozialversicherungsbeiträgen überschritten. Dies treffe den „Motor für die wirtschaftliche Schlagkraft Deutschlands“. Im aktuellen Umfeld könnten die steigenden Sozialversicherungskosten wie „ein Brandbeschleuniger“ wirken. Sollte es zu einer Rezession in Deutschland kommen, die Wollseifer nicht für abwegig hält, würde dies die Finanzierungslage der GKV deutlich stressen, wie er auf Nachfrage mitteilte. Die negative Entwicklung bei den Löhnen sowie die steigende Arbeitslosigkeit würde zu einer Verknappung der Einnahmen führen und gleichzeitig führe die Inflation auch noch zu steigenden Ausgaben.

Leistungskürzungen seien aber für die IKK kein Thema. So bekräftigte Müller, dass er fest überzeugt sei, dass die präsentierten Vorschläge ohne Leistungskürzungen auskämen. Ein Auseinanderdividieren von Kassen und Leistungsempfängern sollte nicht passieren.

Verbreiterung der Einnahmenbasis der GKV

Um eine nachhaltige Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) mit einer fairen Lastenverteilung sicherzustellen und damit eine außerordentliche Belastung der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler zu verhindern, sehen die Innungskrankenkassen die Verbreiterung der Einnahmenbasis der GKV als entscheidenden Faktor an. Ihr Konzept zur nachhaltigen Finanzierung der GKV wurde heute in Berlin vorgestellt. Die Innungskrankenkassen schlagen demnach drei Bausteine vor:

  • Die Nachjustierung und Dynamisierung des Bundeszuschusses für versicherungsfremde Leistungen,
  • die Ausweitung der Steuerfinanzierung auf Basis der gesundheits- bzw. umweltbezogenen Lenkungssteuern sowie
  • die Abkehr vom alleinigen Lohnkostenmodell durch Beteiligung der Digital-/ Plattformökonomie an den Kosten der Sozialversicherung.

Alleine aus einer Dynamisierung des Bundeszuschusses und der Erweiterung des Steuerzuschusses auf Basis der gesundheits- bzw. umweltbezogenen Lenkungssteuern würden laut IKK zusammen mit dem Ausgleich der Leistungen für ALG-II Bezieher und einer Senkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel Einsparungen in Höhe von 33,27 Milliarden Euro jährlich für die GKV realisiert werden. Heruntergebrochen bedeute dies bei einem Medianeinkommen in Höhe von 43.200 Euro eine Einsparung im Zusatzbeitrag von 898,29 Euro im Jahr (Arbeitgeber-/Arbeitnehmeranteil: 449,15 Euro).

Faire Beteiligung der Digital- und Plattformwirtschaft

Aus Sicht von Wollseifer seien die Abkehr vom alleinigen Lohnkostenmodell und eine faire Beteiligung der Digital- und Plattformwirtschaft an der Finanzierung der Sozialversicherung dringend geboten. Die Innungskrankenkassen sehen als ersten Baustein ihres Konzeptes einen in seiner Höhe angepassten und dynamisierten Bundeszuschuss vor. Erklärtes Ziel soll der Ausgleich aller versicherungsfremden Leistungen sein. Hierfür sei eine gemeinsame Festlegung notwendig. Viele der Ausgaben, die die Krankenkassen übernähmen, seien eigentlich originär staatliche Aufgaben und deshalb auch vollständig aus Steuermitteln zu finanzieren. Dabei liege die Höhe der Ausgaben der Kassen für versicherungsfremde Leistungen laut IGES-Institut bei 49,8 Milliarden Euro. Schon damit könne eine kurzfristige Mehrbelastung der Beitragszahlerinnen und –zahler vermieden werden. „Eine verlässliche Gesundheitsversorgung ist zu wichtig, um nicht dauerhaft vom guten Willen des Finanzministers abzuhängen. Deshalb brauchen wir einen regelbasierten und dynamisierten Steuerzuschuss“, erklärte Peter Kaetsch, Vorstandsvorsitzender der BIG direkt gesund.

Für eine Dynamisierung des Bundeszuschusses zur GKV böten sich verschiedene Parameter an, so die Innungskrankenkassen:

  • die Entwicklung des nominalen Bruttoinlandsprodukts (BIP),
  • der Bruttolöhne bzw. der Grundlohnsumme,
  • der Leistungsausgaben der GKV sowie
  • eine Anpassung an die Inflationsrate.

Die Innungskrankenkassen schlagen vor, dass ein Dynamisierungsfaktor festgelegt wird, der sich sowohl an der Bruttolohnentwicklung als auch an der Inflationsrate bemisst (Mittelwert), führte Kaetsch aus. Er wies außerdem darauf hin, dass zukünftig bei einer Erweiterung des Leistungskatalogs der GKV um weitere versicherungsfremde Leistungen folgerichtig eine Anpassung vorzunehmen wäre.

Die Innungskrankenkassen sehen – trotz ihres klaren Bekenntnisses zum System der Umlagefinanzierung und des Systems der Selbstverwaltung – die Abkehr vom alleinigen Lohnkostenmodell als einen weiteren wichtigen Baustein zur Sicherung der Finanzstabilität. Die Summe der beitragspflichtigen Einnahmen nehme aufgrund des Wandels der Arbeits-und Erwerbswelt gegenüber der Entwicklung des Bruttosozialprodukts ab. Die Abkehr vom alleinigen Lohnkostenmodell ermögliche deshalb die Erschließung weiterer Finanzierungsquellen und würde neben den Arbeitnehmern insbesondere die lohnintensiven Klein- und Mittelbetriebe als Beitragszahler spürbar entlasten. Dies könnte durch eine Partizipation an Steuereinnahmen auf gesundheitsschädliche Genussmittel bzw. an Umweltsteuern erreicht werden.

Mehreinnahmen von über acht Milliarden Euro jährlich

„Die Staatseinnahmen aus der Tabak-, Alkohol-, Alkopop-, und Schaumweinsteuer lagen in den vergangenen Jahren konstant bei rund 17 Milliarden Euro“, erläuterte Prof. Dr. Jörg Loth, Vorstandsvorsitzender der IKK Südwest. Eine beispielhaft 50-prozentige Beteiligung der GKV an den genannten Steuerarten könne zu Mehreinnahmen von über acht Milliarden Euro jährlich führen. Dies allein würde das für 2023 zunächst veranschlagte Defizit um fast die Hälfte ausgleichen, rechnete Loth vor. Der Vorstandsvorsitzende verwies auf die Win-Win-Situation von Lenkungssteuern für den Staat, die betroffene Bevölkerung und die GKV: „Es ist legitim, über die Beteiligung der GKV an den erhobenen und gesundheitspolitisch motivierten Lenkungssteuern zu diskutieren, die das Ziel verfolgen, Gesundheitsrisiken und deren Kosten zumindest in Teilen zu kompensieren und noch dazu geeignet sind, das Gesundheitsverhalten positiv zu beeinflussen.“ Aus diesem Grunde böte sich nach Ansicht der Innungskrankenkassen auch der Bereich der Umweltsteuern zur Beteiligung an. Insgesamt könne eine Beteiligung an Genusssteuern und an umweltbezogenen Steuern, wenn man bei Letzteren von einer zehnprozentigen Beteiligung ausgehe, die GKV insgesamt um 14,66 Milliarden Euro entlasten.

Darüber hinaus fordern auch die Innungskrankenkassen weiterhin eine Absenkung der Umsatzsteuer auf Arzneimittel von 19 auf sieben Prozent. „So könnte die GKV bundesweit sechs Milliarden Euro einsparen“, so Loth. „Die Mehrwertsteuersenkung wäre ein zentraler Baustein einer strukturellen Finanzierungsreform und ist fast in jedem europäischen Land Standard.“

Beitrag für die Finanzierung der gesamtgesellschaftlichen Aufgaben

Ein weiteres Thema, das die IKK ansprach: die Beteiligung der Digital- und Plattformwirtschaft an der GKV-Finanzierung. Aufgrund zunehmender Automatisierung und Digitalisierung gingen sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze verloren, gleichzeitig entstünden neue Formen der Arbeit. In der Folge sinken die beitragspflichtigen Einnahmen, gleichzeitig werde das Solidarsystem aber zur Absicherung herangezogen und belastet. Die Innungskrankenkassen blicken dabei auf zwei moderne Ökonomieformen: Zum einen auf international aufgestellte Konzerne der digitalen Welt, die sich ihrer Verantwortung zur Finanzierung der gesamtgesellschaftlichen Aufgaben entziehen. „Wir begrüßen sehr, dass die Europäische Kommission schon 2018 hierzu zwei Gesetzgebungsvorschläge gemacht hat“, erklärte Kaetsch. „In diesem Zusammenhang ist es folgerichtig, auch darüber nachzudenken, welchen Beitrag die Unternehmen für die Finanzierung der gesamtgesellschaftlichen Aufgaben übernehmen können.“

Zum anderen rückten die Innungskrankenkassen die Plattformarbeit in den Fokus, die für etwa zwei Prozent der Erwachsenen in 14 EU-Mitgliedstaaten die Haupteinnahmequelle ist, bis zu acht Prozent erzielen mit ihr Gelegenheitseinkünfte. Da Plattformarbeit nicht im vollen Umfang besteuert werde und Plattformarbeiter nicht adäquat durch die Systeme der sozialen Sicherheit geschützt seien, führe dies zu nachteiligen Auswirkungen sowohl für die betroffenen Personen als auch für die öffentlichen Finanzen sowie für die Sozialversicherungsträger. Die Innungskrankenkassen schlagen deshalb vor, Plattformarbeit sozialversicherungspflichtig auszugestalten. Alternativ wäre eine am Umsatz orientierte Beteiligung der Plattformwirtschaft an den Kosten der Sozialversicherung einzuführen.

Quelle: IKK

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