Humaninsuline: Verschlechterung der Versorgung erwartet
Laut Deutscher Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) wird bis Ende 2025 die Firma Novo Nordisk die Produktion ihres intermediär wirksamen Humaninsulins (Protaphane®), bis Ende 2026 auch die Produktion ihres kurz wirksamen (Actrapid®) und ihres kombinierten (intermediär mit kurz wirksamen) Humaninsulins (Actraphane®) einstellen. Dies hätte laut Verband zur Folge, dass es künftig Humaninsuline nur noch von Eli Lilly geben würde. Dies sehen DEGAM und die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) sehr kritisch. In Deutschland zeichne sich dadurch eine problematische Entwicklung für die Versorgung mit Insulin ab. Auch beim letzten Insulin sei damit zu rechnen, dass die Produktion eingestellt werde.
Anteil der Humaninsuline liegt bei rund 20 Prozent
Bisher werden sowohl Humaninsuline als auch Insulinanaloga in der Behandlung eingesetzt, der Anteil der Humaninsuline liege bei rund 20 Prozent. Auf der anderen Seite profitierten andere Patientengruppen von Insulinanaloga. Beides habe seine Berechtigung. „Es gibt in der Diabetes-Therapie kein ‚One-Size-fits-all‘: Für die einen passt das eine, für die anderen das andere Medikament besser. Wenn es keine Humaninsuline mehr gibt, verlieren wir wichtige Therapieoptionen für bestimmte Patientengruppen. Dadurch verschlechtert sich die Versorgung – bei gleichzeitig steigenden Kosten, da Insulinanaloga rund zwei Drittel teurer sind. Die geschätzten Mehrkosten würden sich auf rund 44 Millionen Euro belaufen“, erklärt Prof. Martin Scherer, Präsident der DEGAM, die Intention des Statements, das von der DEGAM (AG Diabetes, Leitung Dr. Til Uebel) federführend erarbeitet wurde.
Alle Beteiligten sensibilisieren
Die DEGAM weist außerdem darauf hin, dass es bis heute keine wissenschaftliche Evidenz für einen für alle geltenden Vorteil von Insulinanaloga gegenüber dem Humaninsulin gebe. Es sei bisher auch nicht ausgeschlossen worden, dass Insulinanaloga möglicherweise mitogene Effekte (Effekte auf die genetische Zellteilung) haben könnten. Gemeinsam mit der AkdÄ fordert die DEGAM nun die Politik auf, rechtzeitig Vorkehrungen zu treffen, um Humaninsuline dauerhaft verfügbar zu halten. „Wir müssen alle Beteiligten frühzeitig dafür sensibilisieren, dass es sehr problematisch wäre, wenn Humaninsuline ganz vom Markt verschwinden“, so Scherer weiter. Humaninsuline wurden nicht zuletzt von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in die Liste notwendiger Medikamente (essential drugs) aufgenommen.
Medizinethische Aspekte nicht vergessen
Auch wenn der politische Handlungsspielraum gegenüber der pharmazeutischen Industrie in einem solchen Fall eher begrenzt sei, gebe es doch Möglichkeiten, regulierend einzugreifen oder Incentives zu setzen, wie bei anderen Arzneimittelengpässen auch. Zum Beispiel könnte die Politik interessierte Hersteller in anderen Ländern durch Abnahmegarantien unterstützen. Die Verbände erinnern an die Anfangszeit der Insuline: 1923 hatten die Entwickler der ersten Insuline ihr Patent an die Universität Toronto für einen (!) Dollar verkauft, weil sie keinen Profit mit diesem lebensrettenden Medikament machen wollten. Bei Arzneimitteln gehe es nicht nur um wirtschaftliche, sondern auch um medizinethische Aspekte, so DEGAM und AkdÄ.
Das gemeinsame Statement von DEGAM und AkdÄ finden Sie hier.
Quelle: DEGAM/AkdÄ
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