Hoffnungsträger: Neues Medikament zur Gerinnungshemmung
Ältere Menschen leiden relativ häufig an Vorhofflimmern (VHF), einer oftmals symptomlosen Herzrhythmusstörung. In Deutschland leidet ca. 1% der Gesamtbevölkerung und ca. 20% der älteren Menschen an einem VHF [2] – das sind ca. 1,8 Millionen Betroffene [3]. Die häufigsten zugrundeliegenden Ursachen des VHF sind Bluthochdruck und Herzschwäche [4]. Beim VHF breiten sich die elektrischen Impulse in den Vorhöfen nicht mehr regelmäßig aus. Dadurch gibt es im linken Herzvorhof keine rhythmischen Kontraktionen mehr, durch die das Blut normalerweise bei jedem Herzschlag zügig in die linke Herzkammer weitertransportiert wird, sondern der Vorhof bewegt sich hochfrequent und unkoordiniert, er „flimmert“. Dies ist zunächst nicht gefährlich, über längere Zeit kann sich jedoch neben anderen Gesundheitsproblemen das Schlaganfallrisiko erhöhen. Der Grund ist, dass sich im „flimmernden“ Herzvorhof Blutgerinnsel (Thromben) bilden können, da in einem kleinen Bereich (im „Herzohr“) durch die fehlende rhythmische Entleerung der Blutfluss praktisch zum Stillstand kommt – und stehendes Blut gerinnt. Kleine Stückchen des Thrombus können sich im Verlauf ablösen, mit dem Blutstrom in Gehirnarterien gelangen, stecken bleiben und einen plötzlichen Gefäßverschluss auslösen (Hirninfarkt bzw. ischämischer Schlaganfall).
Bisher allgemeines Blutungsrisiko leicht erhöht
Die optimale Therapie des VHF besteht in der kardiologischen Behandlung, wodurch das Flimmern unterbrochen wird und der Vorhof wieder koordiniert an der Pumpfunktion des Herzens teilnimmt. Wenn diese Behandlung nicht möglich oder nicht erfolgreich ist, wird zur Schlaganfallprävention die Gabe von gerinnungshemmenden Medikamenten (Antikoagulanzien) empfohlen. Dafür gibt es verschiedene orale Substanzen; neben den klassischen Vitamin K-Antagonisten (Marcumar®) sind seit einiger Zeit die sogenannten direkten oralen Antikoagulanzien („DOACs“) verfügbar, die spezifisch einzelne Gerinnungsfaktoren (Proteine) hemmen, beispielsweise den Faktor IIa (Dabigatran) oder Faktor Xa (Apixaban, Edoxaban, Rivaroxaban). DOACs sind besser steuerbar als Marcumar, da die Wirkung praktisch sofort einsetzt und beim Absetzen auch schnell wieder nachlässt. Alle Präparate haben jedoch das Problem, dass sie nicht nur die Gerinnung hemmen, sondern gleichzeitig das allgemeine Blutungsrisiko leicht erhöhen.
Hemmung des Faktors XIa
Das neue orale Antikoagulans Asundexian (ein sogenanntes „small molecule“) hemmt den Faktor XIa und soll thromboembolische Ereignisse bei nur minimalen Effekten auf die Blutgerinnung bzw. geringem Blutungsrisiko verhindern. Die nun publizierte Phase-2-Dosisfindungsstudie „Pacific-AF“ verglich randomisiert doppelblind zwei Dosierungen Asundexian gegenüber einer Standardbehandlung mit Apixaban bei Menschen ab 45 Jahren mit Vorhofflimmern hinsichtlich der Inzidenz von Blutungsereignissen. Die Studie wurde in 14 Ländern an insgesamt 93 Zentren durchgeführt (12 europäische Länder, Kanada und Japan). Einschlusskriterium war ein CHA2DS2-VASc-Score (zur Abschätzung des Thrombembolie-Risikos bei Vorhofflimmern anhand anamnestischer Risikofaktoren) von ≥ 2 (Männer) oder ≥ 3 (Frauen) sowie ein erhöhtes Blutungsrisiko. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden in drei gleichgroße Gruppen randomisiert und erhielten einmal täglich 20 mg oder 50 mg Asundexian oder zweimal täglich 5 mg Apixaban. Es erfolgte außerdem eine Stratifizierung nach der bisherigen DOAC-Einnahme vor Studienbeginn. Primärer Endpunkt war eine Kombination großer bzw. klinisch relevanter, kleinerer Blutungen gemäß den ISTH-Kriterien („International Society on Thrombosis and Haemostasis“). Insgesamt wurden 755 geeignete Patientinnen und Patienten randomisiert und 753 ausgewertet (249 erhielten 20 mg und 254 erhielten 50 mg Asundexian und 250 hatten Apixaban). Das mittlere Alter der Teilnehmer lag bei 73,7±8,3 Jahren, 41% waren weiblich, 29% hatten eine chronische Nierenerkrankung und der mittlere CHA2DS2-VASc-Score betrug 3,9±1,3.
81%ige Hemmung der Faktor XIa-Maximalkonzentrationen
Mit Asundexian 20 mg wurde eine 81%ige Hemmung der Faktor XIa-Maximalkonzentrationen im Blut erzielt sowie eine 94%ige Inhibition der FXIa-Talspiegel. Die Inzidenz-Ratio für das Auftreten des primären Endpunktes lag bei 0,5 für 20 mg Asundexian (drei Ereignisse), bei 0,16 für 50 mg Asundexian (ein Ereignis) und bei 0,33 für beide gepoolten Asundexian-Gruppen (vier Ereignisse) gegenüber der Behandlung mit Apixaban (sechs Ereignisse). Die sonstige Nebenwirkungsrate war in allen drei Gruppen ähnlich: Sie betrug 47% bei den mit 20 mg Asundexian Behandelten, ebenfalls 47% bei 50 mg Asundexian und 49% bei Apixaban.
Blutungsraten deutlich reduziert
„Bei Behandlung von Patientinnen und Patienten mit Vorhofflimmern mit dem Faktor XIa-Inhibitor Asundexian – in zwei verschiedenen Dosierungen – gab es mit insgesamt 4/503 (0,8%) deutlich weniger Blutungsereignisse als mit der Apixaban-Standardmedikation mit 6/250 (2,4%)“, so das Fazit von Prof. Hans Christoph Diener, Essen. „Die Blutungsraten wurden um 67% reduziert – bei fast vollständiger Hemmung des Gerinnungsfaktors XIa. Diese Ergebnisse sind vielversprechend und wir erwarten nun mit Spannung prospektive klinische Outcome-Studien zur Schlaganfallprävention für diese neue Substanz.“
Quelle: DGN
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