Modifizierte Gerinnungsfaktoren, antikörperbasierte Therapien und Gentherapeutika – die Möglichkeiten zur Behandlung von Hämophilie wachsen und werden weiterhin entwickelt. Damit eine zuverlässige Nutzen-Risiko-Bewertung neuer Therapeutika möglich ist, müssen geeignete Messparameter zur Erzielung valider Behandlungsergebnisse in den klinischen Prüfungen vorhanden sein.
ABR wichtig für die Bewertung
Bei etablierten Gerinnungsfaktorpräparaten geschieht dies anhand der Bestimmung der Faktorspiegel im Blut in Verbindung mit dem Krankheitsverlauf. Ausreichend ist das jedoch nicht. Die auf das ganze Jahr berechnete Blutungsrate (Annualised Bleeding Rate, ABR) der Patienten findet zunehmend Einzug in die Bewertung der Wirksamkeit.
Aber wie und in welchem Maße unterscheiden sich die Methoden zur Bestimmung der ABR für die verschiedenen Produkte und welche Folgen hat das? Forscher der Abteilung Hämatologie/Transfusionsmedizin des Paul-Ehrlich-Instituts sind dieser Frage nachgegangen. Das Paul-Ehrlich-Institut, Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel, ist in Deutschland für die Sicherheit von Blut und Blutprodukten sowie für innovative Therapeutika wie Zell- und Gentherapeutika zuständig und hat durch seine regulatorische Tätigkeit in der Entwicklung und Zulassung von Hämophilieprodukten Zugang zu umfangreichen klinischen Daten.
Verzerrungen durch heterogene Definitionen
Die Studiendaten strukturierten die Forscher in einer Datenbank und untersuchten zusätzlich klinische Studienprotokolle im Hinblick auf methodische Unterschiede bei der ABR-Bestimmung. Dabei stellten sie fest, dass sich diese und die Definitionen von Blutungen gravierend unterscheiden. So kam es anfangs zu einem Unterschied von 40 Prozent bei individuellen Blutungsraten von prophylaktisch behandelten Patienten. Dies allein führe laut Forscher zu einer Reduktion des ABR-Gruppenmittelwertes um 20 Prozent.
Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass heterogene Definitionen von Blutungen und Blutungsraten eine systematische Verzerrung nach sich ziehen und den Vergleich von Behandlungsoptionen erschweren. Zur Vermeidung dieser Verzerrungen hat das Paul-Ehrlich-Institut Empfehlungen formuliert, z. B. die Verwendung standardisierter Blutungsdefinitionen, ärztliche Überwachung von Blutungsepisoden, ein Beobachtungszeitraum von mindestens zwölf Monaten und die Prüfung der eingesetzten Modelle. So sei eine zuverlässige Bewertung der Wirksamkeit verschiedener Therapeutika möglich. Und nicht nur in der Hämophilie, sondern auch bei anderen Blutgerinnungsstörungen.
Quelle: Paul-Ehrlich-Institut
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