Grünalge produziert das komplette Spikeprotein des Coronavirus
Mikroorganismen wie Bakterien und Hefen kommen als Mikrofabriken zum Einsatz, da sich mit ihnen auf relativ einfache Weise bestimmte Proteine im industriellen Maßstab produzieren lassen. Das ist auch für die Arzneimittelforschung von Interesse, um zum Beispiel therapeutische Proteine zu entwickeln. Andere Verfahren sind hierbei oft aufwendig und teurer. Bei komplexen Molekülen kommen Bakterien aber an ihre Grenzen. „Sie sind nicht in der Lage, Proteine zu glykosylieren“, erläutert Justus Niemeyer, Doktorand in der Arbeitsgruppe Molekulare Biotechnologie und Systembiologie von Professor Dr. Michael Schroda an der TU Kaiserslautern. Darunter versteht man, dass an diese Moleküle Zuckerbäumchen angehangen werden. „Dabei hat jeder Organismus ein eigenes charakteristisches Muster,“ fährt er fort. „Diese Signatur braucht es, damit die Proteine funktionsfähig sind.“
„Potenzial“ der Chlamydomonas reinhardtii
Daher rückt die einzellige Grünalge Chlamydomonas reinhardtii zunehmend in das Blickfeld der Forschung. „Mit ihr lassen sich komplexe Moleküle synthetisieren“, sagt Doktorandin Anna Kiefer, Erstautorin der aktuellen Studie. Die Grünalge gehört wie der Mensch zu den Eukaryoten. Diese haben, im Gegensatz zu den Prokaryoten, zu denen die Bakterien gehören, einen Zellkern. Das Team um die beiden hat nun die Grünalge verwendet, um das Spikeprotein des Coronavirus herzustellen. Damit dockt das Virus an die menschliche Zelle an. Für die Forschung ist es daher von Interesse, da es einen möglichen Ansatzpunkt für die Produktion von Medikamenten darstellt. „Die Alge bringt auch eine Zuckersignatur an das Protein an. In unseren Versuchen haben wir festgestellt, dass es aktiv ist und seine Funktion ausübt. Es dockt in der Zellkultur an menschliche Zellen an, dazu bindet es an das ACE2-Protein auf der Zelle“, so die Kaiserslauterer Biologin weiter.
Produktion des Spikeproteins
Den Forschenden ist es nun erstmals gelungen, dass Protein mithilfe der Algen herzustellen. „Eine andere Arbeitsgruppe hat Teile des Spikeproteins hergestellt, aber das ganze Molekül hat mit der Alge bislang noch niemand synthetisieren können“, sagt Niemeyer. Um die genetische Information für die Produktion des Spikeproteins auf die Alge anzupassen, haben die Wissenschaftler ein sogenanntes modulares System genutzt. Mit dessen Hilfe haben sie aus standardisierten genetischen Elementen schnell und effizient DNA-Baupläne für das Protein angefertigt.Die Arbeit zeigt, dass Grünalgen in naher Zukunft für die Wirkstoffproduktion genutzt werden könnten. „Sie lassen sich kostengünstig, schnell und nachhaltig kultivieren und sind einfach in der Pflege“, fasst Kiefer zusammen.
Künftige Projekte
Das Team möchte die Forschung dazu fortsetzen. Es will unter anderem daran arbeiten, dass Spikeprotein von den anderen Proteinen, die die Alge produziert, aufzureinigen. Auch möchte es die Glykosylierungsmuster, die die Alge nutzt, grundlegend untersuchen. „Hierzu ist bislang wenig bekannt“, sagt Kiefer. „Gibt es zum Beispiel Ähnlichkeiten zu Mustern beim Menschen? Wo liegen Unterschiede? Damit wollen wir uns näher befassen.“
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