„Trotz ihrer Häufigkeit wird die Gicht oft nicht angemessen diagnostiziert und behandelt. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer Leitlinie, an der insgesamt sieben wissenschaftliche Fachgesellschaften beteiligt waren“, sagt Privatdozentin Dr. med. Uta Kiltz, Oberärztin am Rheumazentrum Ruhrgebiet in Herne, die zusammen mit Privatdozentin Dr. med. Anne-Kathrin Tausche, Dresden, die Leitlinienentwicklung koordiniert hat. Die weitverbreitete Stoffwechselerkrankung zeigt sich vor allem durch Entzündung in Gelenken. Unbehandelt drohen schwere Gelenkschäden und ein erhöhtes Herz-Kreislauf-Risiko. Die neue Leitlinie setze Standards, um Gichtanfälle und Gelenkschäden durch die Volkskrankheit zu vermeiden.
Ziel: Senkung der Serumharnsäure
Entscheidend sei die frühzeitige Diagnose der Gicht, um rasch mit einer wirksamen Therapie beginnen zu können. Im akuten Gichtanfall empfiehlt die aktuelle Leitlinie den Einsatz von entzündungshemmenden Medikamenten wie Colchicin, Glukokortikoiden oder nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR). „Gerade hier sehen wir noch Defizite in der Versorgung. Denn eine rasche Symptomkontrolle ist von entscheidender Bedeutung, um den Schaden am Gelenk zu minimieren und die Schmerzbelastung der Patienten schnell zu lindern“, betont Dr. Kiltz. Ursache für wiederkehrende Anfälle und schwere Gelenkschäden sind chronisch erhöhte Harnsäurewerte im Blut der Betroffenen. Um dies zu vermeiden, empfiehlt die Leitlinie eine sogenannte „Treat-to-Target“-Strategie, bei der eine medikamentöse Senkung der Serumharnsäure auf Werte unter 6 Milligramm pro Deziliter (mg/dL) Blut angestrebt wird. „Die Senkung der Serumharnsäure muss zielgerichtet erfolgen, um langfristige Gelenkschäden zu verhindern und damit entscheidend zur Lebensqualität der Patientinnen/Patienten beizutragen“, erklärt Professor Dr. med. Christof Specker, Präsident der DGRh aus Essen. Dafür müssten allerdings die Ärztin/der Arzt für jede einzelne Patientin oder Patienten individuell den optimalen Zielwert ermitteln und die Medikation daran anpassen. Auf diese Weise ließen sich therapeutischer Nutzen und medikamentöse Belastung durch Medikamente ins Gleichgewicht bringen.
Zuverlässige Mitarbeit der Betroffenen nötig
Ein wesentlicher Fortschritt bei der Erstellung dieser Leitlinie sei die enge Zusammenarbeit zwischen verschiedenen wissenschaftlichen Fachgesellschaften und die aktive Beteiligung von Patientenvertretern. Die neue Leitlinie empfehle, bereits beim ersten Gichtanfall alle Therapieoptionen mit den Patienten zu besprechen, um die Akzeptanz der Behandlung zu verbessern. Das Risiko, eine Gicht zu entwickeln, steigt mit dem Alter an und ist bei Männern dreimal höher als bei Frauen. „Die Therapie der Gicht als chronische Erkrankung erfordert eine zuverlässige Mitarbeit der Betroffenen. Dies gilt umso mehr für die begleitenden präventiven Maßnahmen. Patientinnen/Patienten sollten darüber aufgeklärt werden, dass unter anderem Risiken wie Übergewicht und übermäßiger Alkoholkonsum das Risiko für Gichtanfälle erhöhen“, so Privatdozentin Dr. Kiltz. Den Harnsäurespiegel erhöhende Medikamente, wie etwa Mittel zur Entwässerung, seien nur zu verwenden, wenn es sich nicht vermeiden lässt.
Bedeutung für die Praxis
Die neue S3-Leitlinie sei ein entscheidender Schritt hin zu einer verbesserten Versorgung von Gichtpatientinnen/-patienten, so auch die Einschätzung von Professor Specker. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit und die aktive Einbindung der Patientinnen/Patienten trage dazu bei, die Lebensqualität der Betroffenen nachhaltig zu steigern. „Mit dieser Leitlinie setzen wir neue Standards in der Behandlung der Gicht. Unser Ziel ist es, Gichtanfälle zu verhindern, Gelenkschäden zu minimieren und die Lebensqualität unserer Patientinnen/Patienten langfristig zu verbessern“, so das Fazit der Rheumatologin Kiltz.
Quelle: DGRh
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