Gibt es bald einen Bluttest für psychische Erkrankungen?

Rolle der Fette untersucht
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Bluttest für psychische Erkrankungen?
© Siphosethu Fanti/peopleimages.com, stock.adobe.com
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Erkrankungen wie Schizophrenie rechtzeitig zu erkennen, eventuell noch vor dem Ausbruch, ist ein lang gehegter Traum. Es gibt Hoffnung, dass dies gelingen könnte.

Viele Menschen leiden an Krankheiten wie Schizophrenie, Depression oder bipolarer Störung. Hilfreich wäre es, diese Krankheiten möglichst früh, eventuell sogar noch vor dem Ausbruch, zu erkennen. Forscherinnen und Forscher des LMU Klinikums um Prof. Dr. Thomas G. Schulze und Privat-Dozentin Dr. Dr. Eva C. Schulte vom Institut für Psychiatrische Phänomik und Genomik (IPPG) haben zusammen mit internationalen Kolleginnen und Kollegen ein sogenanntes Profil verschiedener Fettverbindungen und Moleküle des Fettstoffwechsels gefunden, das auf eine Schizophrenie hinweist.

Internationale Kohortenstudie

Basis der neuen Studie bildeten drei sogenannte Kohorten mit insgesamt 1.700 Personen aus Deutschland und Österreich sowie aus Russland und China. 1.400 waren Patientinnen und Patienten, bei denen eine Schizophrenie, Depression oder bipolare Störung diagnostiziert worden war. Bei den restlichen 300 Teilnehmern lag keine psychiatrische Diagnose vor; sie bildeten die Gruppe der gesunden Kontrollpersonen. Jahrelang haben die Forscherinnen und Forscher die Kohorten aufgebaut und den Teilnehmerinnen und Teilnehmern über die Zeit immer wieder Blut abgenommen. Damit waren umfangreiche Untersuchungen vom Blutplasma der Patienten möglich. Konkret geht es um Analysen der Gene, der mRNA, der Proteine – und seit einiger Zeit auch der Fette (Lipide), also von Molekülen, „die im weitesten Sinne am Fettstoffwechsel beteiligt sind“, sagt Schulte.

Suche nach Unterschieden bei den Fetten

Die Fette sind interessant, weil sie einen Großteil der Gehirnsubstanz ausmachen – und allein schon deshalb wichtig sein müssen für Krankheitsprozesse. Hinzu kommt: Lipide bauen die äußere Begrenzung von Zellen (Membran) auf, über die ganz viele Signalwege auch des Hirnstoffwechsels laufen wie die Kommunikation von Nervenzellen über Synapsen. Und so machte sich das Team mit neuesten Analyseverfahren (Massenspektrometrie) daran, im Blut der Patienten und der gesunden Kontrollen nach markanten Unterschieden bei den Fetten zu suchen. Schulte fasst das zentrale Ergebnis zusammen: „Wir haben ein Lipidprofil identifiziert, das 77 verschiedene Moleküle umfasst. Und anhand dieses Profils können wir klar Menschen mit der Diagnose einer Schizophrenie von Menschen ohne eine diagnostizierte Schizophrenie unterscheiden.“ Die Forscherinnen und Forscher sahen aber auch eine große Schnittmenge mit anderen psychiatrischen Erkrankungen. „Wir können überlappende Lipidprofile prinzipiell auch verwenden, um vorherzusagen, wer eine bipolare Störung oder eine Depression hat und wer nicht, aber deutlich schlechter, um Patienten mit unterschiedlichen psychiatrischen Erkrankungen voneinander zu trennen“, so Schulte.

Weitere Studien notwendig

Lassen sich mit diesen 77 Fetten nun psychische Erkrankungen in der Praxis sicher und zuverlässig erkennen? „Die Antwort lautet ‚nein‘“, sagt Thomas Schulze, „es ist eine erste Studie und deren Ergebnisse müssen jetzt durch weitere Studien mit anderen Patientenkollektiven bestätigt werden.“ Wichtig wäre zum Beispiel eine Studie mit noch gesunden jungen Menschen, die auf das Lipidprofil getestet würden und dann viele Jahre immer wieder untersucht und auf das Auftreten psychischer Symptome getestet würden. So ließe sich ermitteln, wie gut ein Lipid-Test die Erkrankung wirklich vorhersagen könnte. Typischerweise erkranken Männer um das 20. Lebensjahr an Schizophrenie, Frauen um das 30. Lebensjahr.

Wichtig wäre ein biologisch fundierter Test

Ein solcher Test zur Diagnose wäre dann tatsächlich biologisch begründet. Zwar können Experten und Ärzte psychische Erkrankungen heute gut diagnostizieren. Aber die Diagnosekriterien basieren weitgehend auf der Symptomatik, die abhängig von zeitgeist-getriebenen Interpretationen und damit veränderbar ist. „Was wir zum Beispiel 1950 als bipolare Störung diagnostiziert haben, ist anders als das, was wir heute als bipolare Störung diagnostizieren“, sagt Schulze. Ein valider, biologisch fundierter Test wäre weitaus weniger bis gar nicht anfällig für derlei interpretative Schwankungen.

Literatur:
Tkachev A, Stekolshchikova E, Vanyushkina A, et al.: Lipid Alteration Signature in the Blood Plasma of Individuals With Schizophrenia, Depression, and Bipolar Disorder. JAMA Psychiatry. Published online January 25, 2023, DOI: 10.1001/jamapsychiatry.2022.4350.

Quelle: idw/LMU

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